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Poststreik bedroht im Raum Forchheim Existenzen


Autor: Petra Malbrich

Forchheim, Mittwoch, 24. Juni 2015

 Firmen im Raum Forchheim beklagen infolge des wochenlangen Ausstandes erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Mancher will der Post für immer den Rücken kehren.
Ralf Meisner mit einem zum Feuerwehrauto umgebauten Fahrzeug. Der Unternehmer sieht sich durch die Auswirkungen des Poststreiks erheblich in die Enge gedrängt.  Foto: Firma Compoint


"Ich pfeife auf das Streikrecht, wenn es um meine Existenz geht. Die Verursacher sollten nach dem Verursacherprinzip behandelt werden und selbst bezahlen, nicht ich mit meiner Existenz", schimpft Thomas Messert. Vor wenigen Minuten hat er bei der Handwerkskammer in Bayreuth angerufen, um eine Sammelklage gegen die Post anzustrengen. Das würde keinen Erfolg haben, denn Streik falle unter höhere Gewalt, hieß es daraufhin.

Immenser Schaden
"Die Firmen sind stinksauer", sagt Bernd Sauer, Geschäftsführer der Handwerkskammer in Bayreuth. Was hier passiert, gehe über alle Grenzen hinaus, greife massiv in das Wirtschaftsleben ein, das von Pünktlichkeit geprägt sei. Der wirtschaftliche und finanzielle Schaden sei immens.

"Es können Existenzen auf dem Spiel stehen", sagt Sauer, denn Betriebe seien auf eine schnelle Abwicklung bei der ohnehin nicht bestens gestellten Zahlungsmoral angewiesen. "Schlimmstenfalls müssen sie einen Überbrückungskredit aufnehmen", so der Geschäftsführer über die Vorgehensweise der Post, die sehr grenzwertig einzustufen sei. Auch lebensnotwendige Medikamente würden mit der Post verschickt.

Ein Teufelskreis
Thomas Messert hat einen Elektro-Ein-Mann-Betrieb und einfach die Nase gestrichen voll. Als ganz kleine Firma muss er in Vorleistung gehen, wenn er Ware bestellt. Doch auch die Rechnung, die er an seinen Kunden schickt, kann nicht bezahlt werden. Schließlich streikt die Post, und diese Briefsendungen werden im Landkreis und auch in anderen Landkreisen seit fast zwei Wochen, teils länger, überhaupt nicht zugestellt. Die Folge ist, den Kontokorrentkredit zu überziehen. Die Bank schlägt dann mit höheren Zinsen zu. "Es geht um 5 Prozent mehr Lohn, bei dem Briefzustellerlohn geht es um 40 Euro im Monat mehr", schimpft Messert, der dafür kein Verständnis mehr hat. Mitstreiter, wenn auch nur verbal, hat er derzeit viele.
"Für den Streik finde ich keine Worte mehr", sagt Ralf Meisner. Dafür ist die Liste der durch den Streik entstandenen Nachteile und Verluste umso länger, denn es geht um viel Geld. Ralf Meisner ist Geschäftsführer der Firma Compoint Fahrzeugbau in Forchheim. Das Unternehmen baut Rettungsfahrzeuge, Feuerwehr- und Polizeiautos um. Jeden Tag wartet er auf wichtige Post. "Ich weiß nicht, ob ich einen Auftrag erhalte oder öffentliche Ausschreibungen, die ich fristgerecht ausstellen muss", sagt Meisner.
Die Angebote für die Ausschreibungen verschickt er derzeit mit alternativen Paketdiensten, steckt die Blätter in einen dick wattierten Umschlag oder in einen kleinen Karton, um seine Angebote per Paketdienst fristgerecht zustellen zu lassen. Einen Fahrer eigens dafür könne er schlecht einstellen. Aufträge müssen oft innerhalb einer Woche bestätigt werden. Fahrzeugbriefe, die per Einschreiben verschickt werden müssen, gehen nicht ein, seine verschickt er ebenfalls als Paketsendung. Schließlich will der Kunde sein Fahrzeug.

Lange Aufzählung
Die Skontoabzüge sind nur ein weiterer Faktor in einer langen Aufzählung an Geld, das den Firmen verloren geht. Wenn die Rechnung nicht pünktlich eingeht, kann Meisner keine drei Prozent Skonto abziehen. In seiner Firma mache das wöchentlich etwa 1500 Euro aus, aber es gebe auch Firmen, da gehe das in höhere Zahlenbereiche.
Selbst die Handwerkskammer versucht derzeit massiv, Schaden abzuwenden. Um eine Terminsache handelt es sich, um Fördergelder von 200 000 Euro. Seit 12. Juni wartet die Kammer auf die Abrechnung eines Förderprogramms. Der Bescheid per E-Mail lautete: "Die Sendung wurde im Zielpaketzentrum bearbeitet. Wir bitten Sie, das Paket nicht selbst abzuholen, da aus logistischen Gründen einzelne Sendungen nicht herausgenommen werden können", zitiert Sauer die Aussage der Post.
"Mit einem Streik von zwei Tagen haben die meisten gerechnet", meint Sauer. Doch für diesen Zeitraum bei einer der wichtigsten logistischen Leistungen, habe man kein Verständnis mehr.

Suche nach Alternativen
Für Ralf Meisner und Kollegen anderer Betriebe steht fest, dass sie der Post auch nach dem Streik den Rücken kehren werden. Die privaten Anbieter arbeiten zuverlässig. Nur bei den Briefzustellungen hat er bislang keinen Alternativanbieter gefunden, diese seien derzeit alle ausgebucht. Die Briefpost nimmt er deshalb mit nach Baiersdorf. Dort wohnt er und die Post wird immerhin durch einen verbeamteten Briefträger sporadisch ausgeteilt. Auch in Gößweinstein trägt eine Beamtin in dem Bezirk aus, wo Gertrud Pöhlein ihr Geschäft mit Büchern, Geschenken und auch eine Postagentur hat. "Das ist die Quittung für die Privatisierung", meint Pöhlein, die täglich die Unmutsäußerungen der Kunden zu hören bekommt. Dass diese sauer sind, kann sie verstehen. Diese Woche war ein Student unterwegs. Die Semesterferien beginnen und Studenten streiken nicht. Also verteilen sie die Post, weiß Pöhlein. Die Post, die Kunden bei ihr abgeben, wird regelmäßig abgeholt. Nur im Paketversand ist es ruhiger geworden.
Express wird zuverlässig zugestellt. Das weiß Holger Strehl, Pressesprecher des Landratsamts, doch das sei leider teurer.
Es gibt auch eine kleine gute Nachricht,wenn sie den Schülern auch nicht so "schmecken" wird: Die Mittelschüler dürfen am Montag und Mittwoch ihre Abschlussprüfung in Deutsch und Mathe schreiben. "Die Prüfungsunterlagen sind alle angekommen", sagt Karin Baier, Sekretärin der Mittelschule in Ebermannstadt.