Pogrom 1938: Übergriffe auf Juden in Ermreuth
Autor: Petra Malbrich
Ermreuth, Donnerstag, 07. November 2019
Der Jahrestag der Pogromnacht 1938 rückt das Gräuel an der jüdischen Bevölkerung in den Vordergrund. In Ermreuth gibt es neue Erkenntnisse über das Geschehen.
Es war die Pogromnacht, die das Leben vieler jüdischer Bürger für immer veränderte oder gar vernichtete. Es war der Beginn einer unfassbaren Menschenverfolgung. Auch die jüdischen Bürger in dem kleinen Dorf Ermreuth wurden in der NS-Zeit diskriminiert und verfolgt.
Die Ermreuther Juden waren allesamt gut integriert. Der jüdische Lehrer fungierte als Gemeindeschreiber. Juden waren im Gemeinderat vertreten. Seit Generationen führten sie deutsche Familiennamen wie beispielsweise Hönlein, Mirsberger, Reichold oder Wimmelbacher. Für Historiker ist es eine Herausforderung, das Leben der jüdischen Familien bis in Zeit des Nationalsozialismus aufzuzeigen. Eine Herausforderung, die der Heimatforscher und frühere Gymnasiallehrer Rolf Kießling angenommen hat. Unweigerlich stieß er dabei auf die Pogromnacht.
Was geschah damals in Ermreuth? Vielfach bezeugt ist, dass die Synagoge geschändet wurde. Dies fand jedoch nicht in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 statt, eher ein oder zwei Wochen später. Dass SA-Leute nach Ermreuth unterwegs waren, um jüdische Bürger zu verprügeln, daran erinnern sich auch Gräfenberger Zeitzeugen, deren Familien damals dabei waren.
Allerdings weisen diese Zeitzeugen darauf hin, dass der NSDAP-Kreisleiter Carl Ittameier sich geweigert habe, ein Todesurteil zu vollstrecken, unter Androhung eines eigenen Prozesses. 1943 wurde er deshalb aus der Partei ausgeschlossen. Dies wurde in den Geschichten über Kreisleiter Ittameier nach Aussagen der Zeitzeugen bislang noch nie erwähnt. In jener Pogromnacht war nach Meinung der Historiker der Kreisleiter nicht in Ermreuth. "Doktor Carl Ittameier aus Gräfenberg war in der Nacht nachweislich in Forchheim und maßgeblich an den Ausschreitungen gegen die Forchheimer Juden beteiligt", erklärt Rolf Kießling.
Die Synagoge verwüstet
Erwiesen ist auch, dass das Innere der Synagoge verwüstet wurde. "Gebetbücher wurden einfach auf die Straße geworfen", sagt Kießling. Hölzerne Einrichtungsgegenstände wie die Gebetspulte wurden vor das Dorf gekarrt und dort verbrannt. Auch Bücher und wichtige Archivalien landeten auf dem Scheiterhaufen. Gegenstände aus Silber wie der Jad, ein Finger zum Lesen der Tora, oder die Leuchter aus Messing wurden angeblich ins Schloss gebracht. "Nach dem Krieg wurde ein Prozess gegen Leute geführt, die sich an den Juden vergingen. Doch über den Angriff auf die Synagoge habe ich bislang noch nichts gefunden", sagt Kießling.
Ein zweiter Übergriff richtete sich direkt gegen die jüdischen Einwohner von Ermreuth. Funktionäre der NSDAP, allen voran Kreisleiter Ittameier, kamen mitten in der Nacht in zwei Autos nach Ermreuth und nahmen Hausdurchsuchungen vor. Gesucht wurden Schächtmesser und Waffen.
Prozess in Bamberg
Wegen dieser Übergriffe wurde 1949 ein Prozess in Bamberg geführt. "Ein genaues Datum wird in den Prozessakten aber nicht genannt", berichtet Kießling. Bei dieser Aktion im November 1938 wurde auch Max Wassermann Opfer der Nazis. Er wurde tätlich angegriffen und misshandelt. Es stimmt allerdings nicht, wie behauptet wird, dass der Viehhändler Wassermann an den Folgen der Misshandlungen gestorben sei.