Philipp Schlund war dann mal in Afrika

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In diesen runden Hütten aus Lehm und Kuhdung leben die Farmarbeiter mit ihren Familien.
In diesen runden Hütten aus Lehm und Kuhdung leben die Farmarbeiter mit ihren Familien.
Philipp (r.) mit einem Lehrer-Kollegen und Schülern aus der "Farm-School" Fotos: privat
Philipp (r.) mit einem Lehrer-Kollegen und Schülern aus der "Farm-School" Fotos: privat
 

Der Drosendorfer war nach dem Abitur elf Monate in Südafrika und hat dort unterrichtet. Die soziale Ungleichheit ist auch nach Ende der Apartheid noch immer groß.

Philipp Schlund hat getan, was heute viele überlegen zu tun, wenn sie ihr Abitur in der Tasche haben. Bevor sein Studium beginnt, war er erst einmal weg. Weit weg.
Für ihn bedeutete das, elf Monate in einem Land zu verbringen, das vollkommen anders ist als Deutschland: Südafrika! "Ich bin am Anfang ein bisschen blauäugig gewesen", gibt er heute zu. "Wenn ich vorher gewusst hätte, was mich erwartet, hätte ich die Reise vielleicht nie angetreten. Aber ich bin froh, dass ich es getan habe."
Nie, sagt er, hätte er sich träumen lassen, einmal als einziger "Weißer" in einem Township in Port Elizabeth zu landen. Es sollte ein Abenteuer werden, das so manche Überraschung für den 19-Jährigen aus Drosendorf bereit hielt. Nicht jede davon war angenehm. Südafrika ist ein Land der Gegensätze, die Kluft zwischen Arm und Reich gewaltig, die Kriminalitätsrate hoch. Doch Philipp hat sich nicht davon abbringen lassen.
Nicht durch seine Eltern, die sich Sorgen machten und ihn überreden wollten, die Zeit doch auf drei Monate zu beschränken. Auch nicht durch Freunde, die ihn dazu anhielten, besser sofort mit einem Studium zu beginnen. Doch sein Entschluss stand fest. "Ich wollte immer ins Ausland gehen", erzählt er. Über das Internet informierte er sich daher noch während seiner Schulzeit über verschiedene Organisationen, die diverse Freiwilligenprogramme anboten, und bewarb sich an mehreren Stellen.
Es gab einige Absagen.

Von AFS, eine der weltweit größten Austauschorganisationen für junge Menschen, wurde er schließlich zu einem Auswahlwochenende eingeladen - und ausgewählt. Fünf Länder hatte Philipp als Wunschziele angegeben und erklärt, in welche Richtung sein Einsatz gehen sollte. "Bildung ist das Wichtigste", sagt er und ist davon heute mehr als jemals zuvor überzeugt. Der junge Mann hat in dem fremden Land den Teufelskreis gesehen, der mit schlechter Bildung und Arbeitslosigkeit beginnt und in Kriminalität endet.
Am Ende hieß das Ziel also Südafrika, sein Projekt lautete: Unterrichten an einer staatlichen Schule in Port Elizabeth. Lebenserfahrung wollte Philipp in der Ferne sammeln und vor allem etwas Sinnvolles bewirken, das auch anderen Menschen zugute kommt. Darum hat er auch auf freiwilliger Basis Kinder und Jugendliche unterrichtet. Noch in Deutschland hatte AFS ihn und die anderen Freiwilligen in Seminaren auf die kulturellen Unterschiede hingewiesen. "Ich fühlte mich gut vorbereitet", erzählt Philipp.

Doch keine Erzählung, kein theoretischer Kurs schlägt am Ende die eigenen Erfahrungen. "Man muss es gesehen haben, um es wirklich zu begreifen", meint er heute. In Südafrika prallen Welten aufeinander. Seit dem offiziellen Ende der Apartheid ist das Land zwar eine Demokratie mit Gleichheit vor dem Gesetz. Von sozialer Gerechtigkeit scheint der afrikanische Staat aber nach wie vor weit entfernt zu sein.

So stehen die wohlhabenden Wohnsiedlungen in Sachen Luxus den europäischen in nichts nach. Philipp erinnert sich: "Wenn ich in einem großen Einkaufszentrum war, fühlte ich mich fast wie in Deutschland." Im krassen Gegensatz dazu stehen die Townships, die überwiegend von der schwarzen Bevölkerung des Landes bewohnt werden. Eine Wellblechhütte reiht sich dort an die Nächste. Oft gibt es keinen Strom, kein fließendes Wasser. Gleichwohl herrschen auch in den Townships soziale Unterschiede.

"Es gibt auch bessere Häuser. Allerdings sind die oft nahezu bunkerartig gesichert, mit hohen Mauern, Alarmanlage und Elektrozaun", sagt Philipp. In so einem Township, in "besseren" Behausungen, verbrachte er insgesamt zwei Monate seiner abenteuerlichen Reise. Eigentlich sollte er dort elf Monate bleiben. Doch es kam anders. Die Schule, in der er arbeiten sollte, hatte kaum Aufgaben für ihn. Philipp fühlte sich nutzlos.
"Meistens saß ich in der Bibliothek. Ich dachte mir, dafür bin ich nicht hergekommen." Die Kriminalität war allgegenwärtig. "Eines Tages kam jemand ins Lehrerzimmer und sagte einer Lehrerin, dass ihr Ehemann und ihre Tochter ermordet worden seien." Ein schwerer Schock für den 19-Jährigen.

Das Essen wurde knapp


Doch es gab noch weitere Ursachen für einen Ortswechsel: Seiner Gastfamilie ging das Geld aus und sie konnte es sich nicht länger leisten, den Gast aus Deutschland zu ernähren. "Die Südafrikaner sind sehr gastfreundlich und würden einem ihr letztes Hemd geben", betont Philipp. Aber es ging einfach nicht mehr so weiter.
Die Gastfamilien erhalten von AFS kein Geld für die Unterbringung. Philipp kritisiert das. "Ich sehe darin zwar auch einen Sinn, denn die Familien nehmen mich nicht wegen des Geldes auf. Aber man kann von den armen Leuten nicht verlangen, dass sie mich durchfüttern." Plötzlich stand er da und musste eine neue Bleibe finden. Von AFS erhielt er darin zunächst keine Unterstützung. Ein weiterer Kritikpunkt, den er an der Organisation hat. Erst die Direktorin der Schule vermittelte ihn zu einem Lehrerehepaar. Auch dort wurde das Essen knapp. "Ich musste in dieser Zeit dreimal die Gastfamilie wechseln", berichtet er. Schließlich war es genug. Die meisten anderen Freiwilligen an seiner Stelle hätten wohl die Reißleine gezogen und das Abenteuer abgebrochen. Nicht so Philipp. Er blieb hartnäckig und setzte durch, dass er aufs Land versetzt wurde.

Keine Bezahlung


Dort kam er auf einer Farm unter, drei Stunden entfernt von Durban. Das Ehepaar hatte auf ihrem Grund eine Privatschule eingerichtet, um die Kinder der Farmarbeiter zu unterrichten. Die Lehrkräfte arbeiten dort ohne Bezahlung, anders geht es nicht. Philipp fühlte sich endlich gebraucht. Er bekam eine eigene Klasse zugeteilt und unterrichtete dort unter anderem Englisch, Mathe und ein Fach, das sich "Life Orientation" nennt.
"Ich habe mit den Kindern über Aids gesprochen, über Armut, Vergewaltigung, Trauer. Die meisten haben ihre Eltern durch die Krankheit verloren, leben bei Verwandten, und beinahe jedes Kind hat selbst Aids", erklärt Philipp. Er bereitete Tests vor und musste sie auch benoten. Die Sprachbarriere stand oft zwischen ihm und den jüngeren Schülern. Die Älteren haben bessere Englischkenntnisse. "In der Schule musste Englisch gesprochen werden. Zuhause reden die Kinder ausschließlich Zulu." Bekannte seiner Eltern spendeten 500 Euro. Davon kaufte Philipp nach Rücksprache mit der Schulleitung Englischbücher.

In den Ferien reiste Philipp mit den anderen Freiwilligen umher und besichtigte andere afrikanische Staaten wie Mosambik. Auch seine besorgten Eltern, für die die Zeit ebenfalls eine harte Prüfung war, besuchten ihn in Südafrika. "Meine Erfahrungen haben mir geholfen, selbstständiger zu werden", ist Philipp überzeugt, der seit Juli wieder zurück in Deutschland ist und ab Oktober internationale Betriebswirtschaftslehre in Bamberg studieren will.

"Ich bin jetzt sehr zufrieden mit meinem Leben, so wie es ist. Und ich habe gemerkt, wie wertvoll Familie und Freunde sind. In Südafrika war ich oft auf mich allein gestellt." Denen, die mit dem Gedanken spielen, einmal eine ähnliche Erfahrung zu durchleben, rät er: "Überlegt es euch gut und seht euch die verschiedenen Organisationen an. Lasst euch von niemanden von eurem Vorhaben abbringen und steigt möglichst ohne Erwartungen in den Flieger."