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Neunkirchen ist Schlierbach


Autor: Petra Malbrich

Neunkirchen am Brand, Freitag, 07. Oktober 2016

Edwin Derfuß macht in seiner Ortschronik eine sensationelle Entdeckung: Die Stiftungsurkunde verzeichnet einen anderen Namen.
Die Stiftungsurkunde mit dem Namen Slierbach Foto: Petra Malbrich


Neunkirchen hieß wohl ursprünglich Slierbach oder Schlierbach, denn welcher Ort sollte sonst mit der Nennung auf der Stiftungsurkunde gemeint sein? Diese Zusammenhänge, wie das Weltgeschehen das Leben in der Marktgemeinde beeinflusste und was Elisabeth von Thüringen mit Neunkirchen zu tun hat, verrät die spannende, aber umfangreiche Ortschronik, die der 82-jährige Edwin Jakob Derfuß nun herausgegeben hat.


Slierbach oder Schlierbach

Wenn er ein bekannter Historiker wäre, hätte es längst einen medialen Aufschrei gegeben. Davon ist Edwin Jakob Derfuß überzeugt. Grund dafür wäre seine sensationelle Entdeckung: Neunkirchen ist nicht Neunkirchen, sondern hieß ursprünglich Slierbach oder Schlierbach, erklärt Derfuß, der für nähere Erläuterungen die Zeit bis zu Kaiser Heinrich II. zurückdrehen muss. Heinrich II.
schenkte dem Bamberger Bischof das Königsgut Forchheim. Die Stiftungsurkunde mit den namentlich erwähnten dazugehörigen 14 Orten sah Derfuß dann bei der 1000-Jahr-Feier in Thuisbrunn. Neben Hausen, Heroldsbach, Hetzelsdof oder Wimmelbach stand als letzter Name "Slierbach" auf der Urkunde und Derfuß' Vermutung nahm Gestalt an.
Wo sollte dieses Dorf Slierbach sein? Niemand kannte es. Auf Flurnamen und den Namen von Bächen griff Derfuß dann bei seiner Recherche zurück, denn eine Schlierbachquelle gibt es sehr wohl. "Aus dem Hetzleser Berg geht die Schlierbachquelle, fließt seit urdenklichen Zeiten ins Tal nach Hetzles", informiert Derfuß. In Hetzles gibt es eine Schlierbachstraße. Die Schlierbach läuft weiter bis Baad. Niemand hatte das bisher beachtet. Das Flüsschen sieht er als Namensgeber des Ortes, der auf der Schenkungsurkunde genannt ist. Slierbach. "Es gibt in ganz Oberfranken keinen Ort namens Schlierbach", sagt Derfuß und festigt damit seine These, dass der Name des Baches der ursprüngliche Name Neunkirchens war. Nur hat der Bach jetzt einen anderen Namen: Brandbach, deshalb ging man von einer Brandrodung in Neunkirchen aus. Das wurde dem Neunkirchner Derfuß schon in der Schule erzählt. Das Wie und Warum, die ganzen Umstände, wurden nie erläutert, was Derfuß einerseits ärgerte, aber ihn auf der anderen Seit dazu ermutigte, selbst zu forschen und niederzuschreiben. Derfuß These lautet deshalb auch: Es gab vorher schon ein kleines Dörfchen. Wann genau Neunkirchen gegründet wurde, weiß man nicht. Vermutlich um 1062. Eine Kirche wurde gebaut, zunächst ohne Turm, wohl neben der Katharinenkapelle. Diese stand mitten im Gottesacker. Messen wurden schon gelesen. "Man schließt daraus, dass sie nach dem Turm eine eigene Pfarrei geworden ist", erklärt Derfuß, denn ein Turm zeigte etwas Besonderes an. Viele solcher Zusätze und Erläuterungen geschichtlicher Begebenheiten sind in den sieben Bänden seiner Ortschronik zu lesen.


Gebürtiger Neunkirchner

Zehn Jahre hat der gebürtige Neunkirchner daran gearbeitet, als Alteingesessener 82 Jahre Geschichte miterlebt. Eine kleine Landwirtschaft hatten sie betrieben, bis zum großen Preisverfall in der Landwirtschaft. Dann schulte er um, wurde in der Rudolf-Diesel-Fachschule in Nürnberg zum Bautechniker. Der Wirtschaftszusammenbruch trieb auch eine Firma in Erlangen in den Bankrott, Derfuß verlor seine Anstellung und arbeitete danach im Gartenbauamt bei der Stadt Forchheim.
Das Weltgeschehen hatte Einfluss auf die Einwohner und das Leben in Neunkirchen. "Es verändert sich so viel. Der Markt trocknet aus, die Geschäfte schließen. Es wird nichts mehr erzählt, weil die Leute keine Zeit mehr haben", findet Derfuß. Umso mehr Grund war es für ihn, sich die Zeit zu nehmen und akribisch diese Veränderungen aufzuarbeiten. Die Geschichte beginnt mit dem Hetzleser Berg und den ersten Siedlungsspuren an oder kurz mit der Entwicklung des Frankenlandes. Was hat Neunkirchen noch verändert? "Der Zweite Weltkrieg, die Bombengeschädigten, die Heimatvertrieben", zählt Derfuß auf. Die 68er Bewegung hinterließ ebenfalls ihre Spuren. Die Judenverfolgung in Dormitz und Ermreuth findet Platz in der Chronik, selbst die Zunftbräuche werden beschrieben und die Persönlichkeiten im kulturellen Leben dargestellt. Vor allem macht Derfuß deutlich, dass alles Aktuelle seinen Ursprung in der Geschichte hat. Als Beispiel nennt er den Elisabethenverein, der in Neunkirchen gegründet worden war. Es gibt auch den Kindergarten St. Elisabeth sowie das Pflegeheim, das nach Elisabeth von Thüringen, der Nichte des Bamberger Bischofs Ekbert benannt wird. Diese Einschübe über Elisabeth von Thüringen lässt die Geschichte recht lebendig werden, erklärt vieles ausführlich, aber macht das Werk so umfangreich wie es eben ist. Schließlich sind 1200 Seiten daraus geworden, in sieben Bände gebunden. Die Bilder und Zeichnungen hat Derfuß selbst, in die Chronik eingesetzt wurden sie von Josef Friedmann. Bis 10. November liegen die Bände der Chronik in der Marktbücherei und in der Druckerei Stengl zur Ansicht aus. 175 Euro kostet das umfangreiche Werk, das ab 1. Dezember offiziell erscheint. Bestellungen können aber ab sofort aufgegeben werden.