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Neue Wege mit der Milchtankstelle


Autor: Petra Malbrich

Dorfhaus, Sonntag, 03. August 2014

Rudolf Hänfling und seine Familie verlassen die ausgetretenen Pfade: Der Betrieb investiert kräftig. Der Milchautomat schlägt mit einem fünfstelligen Betrag zu Buche.
Rudolf Hänflings Milchtankstelle ähnelt manchem Wartehäuschen an Bushaltestellen. Foto: Petra Malbrich


Unter einem einfachen offenen Holzunterstand, ähnlich einer Bushaltestelle, steht geschützt ein ungewöhnlicher Getränkeautomat. "Milchtankstelle" verrät die Reklametafel den Namen hinter dieser außergewöhnlichen Geschäftsidee. Diese Milchtankstelle direkt am Wanderweg zu den Sinterstufen ist die erste und einzige in der gesamten Fränkischen Schweiz und lockt Wanderer, Urlauber und Einheimische gleichermaßen an.

Auch Finn und Malina radeln jeden zweiten Tag zur Tankstelle. Während Finn den Rucksack abstellt und seine mitgebrachten Flaschen auspackt, wirft seine 8-jährige Schwester Ein-Euro-Münzen ein. Der Bruder öffnet den "Tankdeckel" und hält die erste Milchflasche darunter. Erst wenn Malina die Starttaste drückt, läuft die gekühlte Milch in die Glasflasche.

"Ein halber Liter ist die Mindestmenge, die Abgabemenge unbegrenzt", sagt Rudolf Hänfling, der Besitzer der Milchtankstelle. Auf einem Holzregal stehen leere Flaschen, die für einen Euro gekauft werden können, für alle, die keinen Behälter dabei haben. Ein Euro kostet auch ein Liter Milch. Die erste Flasche ist fast gefüllt. Malina unterbricht den Füllvorgang, damit Finn die Flasche sicher verschrauben und die nächste Milchflasche unterstellen kann.

Vollwertige unbehandelt

"Diese Milch schmeckt ganz anders", betont auch die Mutter der beiden Geschwister. Seit es die Tankstelle im Ort gibt, trinken sie keine andere Milch mehr. Auch Uli Bauer aus Dorfhaus holt täglich seine zwei Liter Milch, die es so im Tetrapack nicht gibt. 4,2 Prozent Fett und 3,6 Prozent Eiweiß beinhaltet dieses vollwertige unbehandelte Nahrungsmittel, das im Automaten bei vier Grad gekühlt wird. Dass es sich bei der Milch um unbehandelte Rohmilch handelt, die vor dem Verzehr abgekocht werden sollte, wird in der Tankstelle auf einem Schild hingewiesen, was gerade für Säuglinge oder geschwächte Menschen wichtig ist.

Tochter Elisa hat aber auch andere Informationen herausgefunden. So sollen selbst Menschen mit einer Laktose-Intoleranz diese Milch trinken können, ohne Beschwerden zu bekommen. Auch das wurde den Hänflings von Kunden aus umliegenden Orten bereits bestätigt. "Die meisten trinken die Milch naturbelassen, da die Vi-tamine und Milchsäurebakterien nicht abgetötet sind", erzählt Rudolf Hänfling die Vorlieben seiner Kunden.

So schmeckt sie auch dem 9-jährigen Luca aus Hessen am besten, der wie jedes Jahr seine "kuhlen" Ferien auf dem Bauernhof Hänfling verbringt. "Die schmeckt, das findet man bei uns zu Hause nicht", meint der junge Feriengast. Doch genau nach Hessen fuhr Rudolf Hänfling mit seiner Familie, der Ehefrau Anita, Tochter Elisa und Sohn Tobias, um sich diese Milchtankstelle vor Ort anzusehen. Durch eine Fachzeitschrift wurde er auf den Milchautomaten aufmerksam. Immerhin handelt es sich dabei um eine Investition von 10 000 Euro, ohne zu wissen, ob es angenommen wird oder nicht.

Die Idee dazu hatte die Familie Hänfling schon vor drei Jahren, als man überlegte, wie man die Milch besser vermarkten könnte. Früher holten die Leute ihre Milch im Stall ab, zu unterschiedlichen Zeiten. War der Landwirt gerade mit Melken beschäftigt, blieb nicht viel Zeit für einen Plausch. Letztendlich standen nur noch zwei Kunden mit ihren Milchkännchen im Stall und warteten auf ihre Ex-traportion Eiweiß und Kalzium.

Die meisten Leute holten die Milch im Supermarkt. "Was kann man dem Verbraucher anbieten, was können wir für den Verbraucher tun", fragte sich die Familie Hänfling. Das endgültige Ja für die Anschaffung einer Milchtankstelle gab die Familie mit dem Bau des neuen Kuhstalls. Von der Anbindehaltung stellten die Hänflings auf Laufstall mit besonderem Tierkomfort um. Jede der 60 Milchkühe kann ihren Tagesablauf selbst bestimmen. Die eine Kuh kaut genüsslich ihr Heu und Stroh, während sie sich von Finn und Malina streicheln lässt, die andere brummt zufrieden, wenn Luca, der Feriengast, mit einer Heugabel Futter nachschaufelt. Eine andere Kuh betätigt mit ihrem Kopf den Bürstenautomaten und lässt sich an Kopf und Hals kräftig durchbürsten, während andere Kühe zu einem der sieben Saufplätze gehen oder in dem Melkautomaten stehen.

Schlange am Melkautomaten

Von der Milchtankstelle aus kann jeder beobachten, woher die Milch kommt und wie die Kühe, die diese Milch geben, leben. Gerade am Melkautomaten bildet sich an dem Nachmittag eine Schlange. Eine Kuh steht bereits im Melkautomaten und frisst dort Kraftfutter. Ein Roboterarm fährt aus, reinigt die Zitzen mit zwei Bürsten. Anschließend erkundet ein Laser die Zitzenpostition, damit genau dort die Melkmaschine angeschlossen wird. Der Responder, den jede Kuh um den Hals hängen hat, gibt alle Informationen weiter.
So wird ebenfalls automatisch der Milchmenge entsprechend das Kraftfutter eingeteilt, Sogar ob eine Kuh bereits im Melkstand war, wird an den Roboter gegeben, der alles auswertet und anhand der Werte sofort Abweichungen melden würde. Qualitativ hochwertig ist somit das Produkt Milch, das die Kühe hier liefern. Immerhin 1500 Liter pro Tag.
"Wir verkaufen nur eine kleine Menge über die Milchtankstelle", sagt Rudolf Hänfling. Die Milch für die Tankstelle wird in Milchkannen gefüllt und steht dort per Knopfdruck gekühlt jeden Tag von 6 Uhr bis 22 Uhr dem Kunden zur Verfügung.