Druckartikel: Mit den Jahren schwindet der Austausch

Mit den Jahren schwindet der Austausch


Autor: Petra Malbrich

LKR Forchheim, Donnerstag, 01. Oktober 2015

Drei Gemeinden im Landkreis können mit Orten in der sächsischen Schweiz 25 Jahre Partnerschaft feiern. Erinnerungen werden wach. Aber alle Kommunen stehen vor dem selben Problem: Der Generationenwandel hinterlässt Spuren, der einst rege Austausch droht einzuschlafen.
2006 überreichte Doris Mühle (Partnergemeinde Cotta) an Weißenohes Bürgermeister Rudi Braun (zweiter von rechts) schon mal ein Straßenschild Cottaer Weg. Es gab noch keinen Weg, um das Schild aufzustellen. Doch der Fränkische Fernwanderweg wurde neu ausgewiesen, in Weißenohe im Bereich "Katzberg". Dieser Weg wird die Bezeichnung "Cottaer Weg" erhalten.  Foto: Archiv


Wodka und Kaviar, ganz nach östlicher Manier, wurde den Mitarbeitern des Landkreises serviert, noch nach der Wende, als sie ihre Partnerstadt Pirna besuchten. Eine beiderseitige leistungsfähige Verwaltung aufzubauen und das Verständnis zu fördern, nennt Holger Strehl, Pressesprecher des Landratsamts das damalige Ziel der Partnerschaften mit Gemeinden aus den neuen Bundesländern.

Viele Verwaltungsangestellte halfen demzufolge, in Pirna die Verwaltung aufzubauen. Als Partner wurden Gemeinden ausgesucht, die denen im Landkreis Forchheim ähnlich waren, erinnert sich Kulturreferent Toni Eckert. Es war wohl der damalige Landrat Otto Ammon (CSU), der die Idee ins Rollen brachte, meint Rudolf Braun (FW), Bürgermeister aus Weißenohe.

Vor wenigen Wochen erhielt er eine Einladung aus der Partnergemeinde Cotta, um die 25 Jahre Partnerschaft zu feiern.


Gänse in Weißenohe "entsorgt"

Die ersten Erinnerungen an Cotta, eine landwirtschaftlich geprägte Gemeinde mit Kolchosen? "Sie hatten das Problem, ihre Weihnachtsgänse nicht mehr loszubringen", erzählt Braun. Die Weißenoher riefen deshalb die "Aktion Weihnachtsgans" ins Leben, sodass viele Gänse nach Weißenohe gebracht wurden. Eine bleibende Erinnerung, wie das Essen überhaupt. Das wildeste Essen war wohl ein Wildschweinbraten mit Toast. "Bei jeder Festivität gab es Toast. Sie hatten kein Schwarzbrot, auch keine Brötchen", sagt Braun, der zumindest ersteres dort bis jetzt noch nicht gesehen hat.

Inzwischen gehört Cotta zur Großgemeinde Dohma, erzählt Braun, der gerade einen Ammoniten abgeholt hat, das Geschenk, wenn die Weißenoher zu ihren Freunden aus der Partnergemeinde zur 25 Jahre Feier fahren. "Weißenoher Festplatz" heißt dort ein Weg und die Weißenoher pflanzten eine Linde am Kindergarten in Cotta. Auch hier soll ein Weg den Namen der Partnergemeinde tragen.


Die Feuerwehr hielt den Kontakt

"Anfangs traf man sich teils zwei Mal im Jahr", sagt Braun. Vor allem die Feuerwehr hielt den regen Kontakt. Dass der Austausch weniger wurde, liegt im Generationenwechsel begründet. Die damaligen Akteure sind zu alt oder teils schon verstorben. Das ist auch der Grund, warum die Partnerschaft in Gößweinstein mit Bad Schandau sanft am Einschlafen ist. "Wir werden gratulieren", betont Bürgermeister Hanngörg Zimmermann (BMG). Glückwünsche übermittelte man noch beim Amtsantritt der neuen Bürgermeister. Aber schon bei der Fahrt der letzten Ratsperiode gab es keinen großen Zulauf. Auch hier war es die Feuerwehr, von der die Aktivitäten ausgingen. Vor allem 2002, als die Menschen aus der Partnerstadt von der Jahrhundertflut ihrer Existenz beraubt wurden.

Michael Lorke, Kreisbrandmeister aus Gößweinstein erinnert sich noch gut daran. Nach der Wende bauten sich die Bürger eine Existenz auf, dann wurde diese wieder vernichtet. "Es war wie nach dem Krieg. In der Kernstadt waren die untersten Stockwerke, bis zum zweiten Stock so überflutet, dass die Menschen die Fenster aufmachten und ihre Möbel inklusive aller Erinnerungen rauswerfen mussten", sagt Lorke.

Die Elbe brachte damals Schmutzwasser aus der Tschechei mit. Dort war ein Chemiewerk. Was in dem Wasser war, wusste niemand. Alles war grau und braun. Das Hallenbad, das angeblich flutsicher war, stand zwei Meter unter Wasser. Die Freunde aus Gößweinstein erhielten alle Schutzimpfungen. "Es war selbstverständlich, dass wir mit zwei Kontingenten nach Pirna fuhren", sagt Lorke. Auch der damalige Bürgermeister Georg Lang war dabei, fällte tagsüber Bäume. Russisches Militär, Leute, die mit dem Zug aus Dresden kamen, Ostdeutsche, Westdeutsch, Junge und Alte, jeder kam nach Bad Schandau, um mit anzupacken. "Diese Hilfsbereitschaft hat mich sehr beeindruckt", sagt Lorke. Nach der Jahrhundertflut waren sie schon mehrfach wieder dort, um bei weiteren Hochwasserunglücken zu helfen.


"Und wo ist die Arbeiterklasse"

"Der Hochwasserschutz war das Thema unserer Kreistagsfahrt nach Pirna", sagt Pressesprecher Strehl. Freundschaften, wie in Weißenohe oder Gößweinstein haben sich bei der Landkreispartnerschaft nicht gebildet. "Vor 25 Jahren haben wir vor allem im Bereich kommunale Stadtverwaltung unterstützt", sagt Eckert. Damals zog der Skandal um den Wahlbetrug in Dresden Kreise. Auch Leute aus Pirna waren involviert. Bei einem Besuch im Landkreis Forchheim, Mitglieder der SED waren dabei - man traf sich schon vor der Wende -, besichtigte man das Krankenhaus in Ebermannstadt. Nach dem Rundgang fragte die damalige Sozialdezernentin: "Und wo ist denn nun die Arbeiterklasse untergebracht?"

Übrigens hat der Kreis noch eine Partnerschaft, mit Charlottenburg in Berlin. Diese jährt sich aber erst nächstes Jahr zum 25. Mal.