"Mit den Auswirkungen haben wir noch Jahre zu tun" - Integration in Forchheim leidet unter der Corona-Pandemie
Autor: Ronald Heck
Forchheim, Donnerstag, 26. November 2020
Die Corona-Krise erschwert es Migranten wie Mohammad Hadi Husseini, in Forchheim heimisch zu werden. Integrationshelfer warnen und appellieren: Trotz Corona müssen Begegnungen möglich bleiben.
Andere Menschen zu treffen. Das vermisst Mohammad Hadi Husseini am meisten. "Freundschaften aufzubauen, fällt immer schwerer", sagt der 23-jährige Afghane. Vor fünf Jahren ist Husseini, der zuvor auch im Iran lebte, nach Deutschland geflüchtet. Die Corona-Pandemie macht es dem jungen Migranten schwieriger, in Forchheim heimisch zu werden. Wegen der Kontaktbeschränkungen sind weniger Treffen und Unternehmungen möglich. Seitdem es draußen kälter wird, verbringt der Afghane zudem immer mehr Zeit alleine zu Hause. "Da bekommt man schnell Depressionen. Das ist kein gutes Gefühl", sagt Husseini. Unter den Corona-Beschränkungen leidet auch die aktive Integrationsarbeit der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Forchheim.
Sozialarbeiterin Jelena Khawari und der 23-Jährige sind über das Awo-Projekt "Get together" Freunde geworden. "Unser Ziel dabei ist es gerade, Begegnungen zu ermöglichen, um der Einsamkeit unter den jungen, unbegleiteten Geflüchteten vorzubeugen. Und genau das ist jetzt sehr schwierig", sagt Khawari. Am Anfang der Pandemie stand die Arbeiterwohlfahrt zunächst vor der Herausforderung, in Forchheim ihre Angebote und Projekte unter den neuen Regeln verantwortungsbewusst offenzuhalten. Während des ersten Lockdowns musste die Awo gemeinsame Treffen komplett absagen. "Dadurch sind die größten Probleme, wie Bildungsbenachteiligung, entstanden", betont Stephanie Kaufmann, die bei der Awo Forchheim den Bereich Erziehungshilfen leitet.
Lerneifer ist trotz Hindernissen groß
Das Engagement der Awo-Kolleginnen und ehrenamtlichen Helfer sowie der Lerneifer unter den Migranten in der Krise seien groß. Khawari hielt Kontakt mit den jungen Geflüchteten, zum Beispiel über Smartphone, Mail oder Videochat. Bei Integrationsprojekten wie "Mama lernt Deutsch" für Mütter waren solche digitalen Lösungen keine Option. "Wir haben deshalb versucht, die Frauen aus ihren Häusern zu locken und haben uns auf den Forchheimer Spielplätzen getroffen. Oder wir haben unser Montagscafé auf die Sportinsel verlegt", erläutert Birgit Gareis, die ehrenamtlich bei der Awo in der Integrationsarbeit aktiv ist.
Trotzdem habe der Spracherwerb unter den migrantischen Müttern durch die coronabedingten Einschränkungen heuer wohl gelitten. Deshalb waren die Awo-Helfer froh, als die Frauen-Deutschstunden zeitweise wieder stattfinden konnten. "Die Migranten wollen sich integrieren und die deutsche Sprache lernen und haben auch keine Probleme, die neuen Regeln zu akzeptieren", betont Gareis.
Auch die Syrerin Manal Helal hilft ehrenamtlich bei der Arbeiterwohlfahrt Forchheim. Ihr Ehemann flüchtete 2015 wegen des Krieges nach Deutschland, zwei Jahre später zog Manal Helal mit ihren drei Söhnen nach Forchheim nach. Die 42-Jährige besucht normalerweise mehrmals wöchentlich andere Migranten in ihren Wohnungen und hilft beispielsweise durch Spieleinheiten bei der frühkindlichen Bildung in den sozial benachteiligten Familien. Durch den Teil-Lockdown seien Hausbesuche nun wieder kaum möglich. Migranten, die wenig Deutschkenntnisse haben, falle es außerdem schwer, stets alle Corona-Regeln und Einschränkungen sofort zu verstehen. "Für alle ist es jetzt schwieriger geworden", sagt Helal.
Die Awo-Mitarbeiterinnen fordern, dass Integrationsarbeit in den kommenden Monaten trotz Corona ermöglicht werden muss. Stephanie Kaufmann wünscht sich "ein Stück weit Mut von allen Akteuren in Stadt und Landkreis Forchheim", ihre Angebote aufrecht und zum Beispiel Treffpunkte wie das Jugendhaus offen zu lassen. Kaufmann hofft: "Mit guten Hygienekonzepten muss es möglich sein, verantwortungsbewusst weiterzumachen. Denn mit den Nöten und Auswirkungen haben wir noch die nächsten Jahre zu tun."
FT-Kommentar: Politik ist im Corona-Winter bei der Integration gefordert
Die Migrantinnen und Migranten in Forchheim sowie die Integrationshelfer dürfen im Krisen-Winter nicht (noch einmal) alleingelassen werden. Trotz Abstandsgebot müssen mehr Begegnungen zwischen Forchheimern mit und ohne Migrationshintergrund ermöglicht werden. Jetzt sind Kreativität und Willen gefragt: Digitale Patenschaften? Online-Deutschkurse? Der soziale Bedarf nach warmen Treffpunkten wie dem Jugendhaus darf nicht ignoriert werden. Wer darüber nachdenkt, Weihnachtsbuden in der Stadt aufzustellen, muss sich auch Angebote für einsame und benachteiligte Mitbürgerinnen überlegen.