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Mindestlohn fordert Frisörbranche heraus


Autor: Peter Groscurth

Forchheim, Freitag, 02. Januar 2015

Die Zeiten der billigen Haarschnitte sind vorbei. Die höheren Löhne für Friseure könnten vor allem kleinere Salons in die Bredouille bringen. Auch einen Anstieg der Schwarzarbeit fürchten Branchenkenner.
In der Friseurschule Meininghaus in Forchheim herrscht Hochbetrieb. Foto: Groscurth


Deutschlands Friseure wollen mehr Geld. Die Zeiten, in denen Damen sich für 25 Euro mal eben die Haare machen lassen konnten und Männer einen schnellen Maschinenschnitt ab fünf Euro bekamen, sind wohl endgültig vorbei. Auch der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks forderte höhere Tarife und bessere Bezahlung. Der "ruinöse Preiswettbewerb" unter den Salons müsse ein Ende haben, so Andreas Popp. Er ist früherer Präsident des Zentralverbands.

Dass sich der Preis für die Schönheit auf dem Kopf verändert, liegt am Mindestlohn, den die Friseure als Branchentarif bereits vor vielen anderen Berufsgruppen eingeführt haben. Sie nehmen damit die Vorreiterrolle im großen Experiment namens Mindestlohn ein.





Ein großes Experiment

Im Friseurgewerbe haben sich die Tarifparteien schon im Vorfeld auf die stufenweise Anhebung der Lohnuntergrenzen verständigt. Seit August 2013 müssen im Westen mindestens 7,50 Euro und in Ostdeutschland 6,50 Euro gezahlt werden. Im August 2014 und ein Jahr später steigen die Stundenlöhne dann nochmals auf 8,50 Euro an.

Ab diesem Jahr soll die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro für die gesamte Wirtschaft gelten. Was dann passiert, ist heiß umstritten. Skeptiker beharren auf Nachbesserungen des Gesetzentwurfs von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Andernfalls würden Langzeitarbeitslose, Jugendliche und ältere Arbeitslose nur noch schwer Jobs finden, es drohten ein Anstieg der Schwarzarbeit und höhere Verbraucherpreise.

Befürworter hoffen dagegen, dass die besser bezahlten Arbeitskräfte ihr Geld großenteils für den eigenen Konsum ausgeben und auf diese Weise die Wirtschaft ankurbeln und damit wiederum zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in anderen Betrieben beitragen. Bei den Friseuren haben die Sozialpartner den Streit über die Lohnuntergrenze frühzeitig abgefedert. Der Druck der Geiz-Ära auf die Betriebe war einfach zu groß geworden.



Nicht mehr tragbar

Andreas Popp vom Friseur-Zentralverband wertete den Abschluss des Tarifvertrags denn auch als "großen Erfolg". Darin ist er sich einig etwa mit Gerd Denzel von der Gewerkschaft Verdi. "Die Situation ohne Mindestlohn war untragbar geworden", erklärt Denzel. Bundesweit geht Verdi derzeit von 180 000 angestellten Friseurinnen und Friseuren aus. Dass deren Verdienst den Preis der Schönheit treibt, bestreitet auch die Gewerkschaft nicht.

Das sieht auch Forchheims stellvertretender Friseur-Obermeister Axel Meininghaus so. "Es hat Erhöhungen gegeben. Vor allem hat das die Billigfriseure und Filialisten getroffen. Waschen und Schneiden unter 20 Euro ist daher fast nicht mehr möglich", so Meininghaus. Der erfahrene Friseur-Meister, der in Forchheim Jahr für Jahr rund 500 junge Menschen als Friseure weiterschult, möchte aber das Preisniveau in seinen beiden traditionellen Filialen in Forchheim und Bamberg beibehalten.

Wo aber sieht er Probleme wegen des Mindestlohnes? "In kleineren Salons mit vier bis fünf Angestellten wird es künftig schwieriger sein, nicht so leistungsfähige Mitarbeiter zu behalten", so Axel Meininghaus. Das könnte genau diese Frieseure dann aber in die Schwarzarbeit drängen. Und Kunden, denen die anhaltenden Preiserhöhungen zu haarig sind, hätten so noch mehr Ausweichmöglichkeiten.



Wachsende Versuchung

Etwa 40 Prozent der Deutschen geht nach Umfragen nicht in Frisiersalons - gut möglich, dass der Anteil weiter steigt. Zudem ist Frisieren in Schwarzarbeit immer schon ein verbreitetes Phänomen gewesen - der Aufwand ist minimal, Kontrolle nahezu unmöglich.

Je größer der Preisabstand zwischen den offiziellen Salons und einem Schnitt im heimischen Wohnzimmer an Steuer und Sozialversicherung vorbei wird, umso mehr wächst auch die Versuchung.