Mehr Verdienst und mehr Frust
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Dienstag, 05. Januar 2016
Während der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Lohnuntergrenze nach einem Jahr als Erfolg feiert, reagieren Unternehmer in der Gastronomie und in der Taxibranche gereizt auf das Gesetz.
Für die Taxiunternehmerin Claudia Eichlinger ist der Mindestlohn ein "Reizthema". Als "Riesenerfolg" dagegen feiert ihn Christa Gerdes, die DGB-Kreisvorsitzende: "Ein Jahr nach seiner Einführung werfen wir einen Blick auf seine Wirkungen und stellen fest: Der gesetzliche Mindestlohn hat keine Jobs gekostet und vielen Beschäftigten ein kräftiges Lohnplus beschert." Wer im Vorfeld Jobverluste, Unternehmenspleiten und explodierende Verbraucherpreise befürchtet habe, "wird nun eines Besseren belehrt", meint Christa Gerdes.
Das wird in der Taxi-Branche, aber auch in der Gastronomie ganz anders gesehen. Zwar sei der Mindestlohn "legitim", betont Georg Hötzelein, Wirt aus Regensberg und Vorsitzender des Gaststättenverbandes im Landkreis Forchheim. "Doch Tatsache ist, dass der große Verwaltungsaufwand der Dokumentation an den Arbeitgebern hängen bleibt. Für diese Geschichte sind wir ein zwei Stunden am Tag extra beschäftigt - und der Endverbraucher bezahlt es". Die Verbraucherpreise in der Gastronomie seien "zwei bis fünf Prozent gestiegen", beobachtet Hötzelein.
"8,50 Euro pro Stunde ist ja keine Schande, das ist in Ordnung", sagt auch Taxiunternehmerin Eichlinger. Sie wettert aber gegen den "Schreibkram", der seit dem Mindestlohn-Gesetz die Unternehmer belaste. Etwa müssten Regelungen für geringfügig Beschäftigte und Renten-Bestimmungen beachtet werden. "Es ist ein heilloses Durcheinander, wir müssen jeden Zettel umdrehen, der Verwaltungsaufwand ist eine Katastrophe." Und all das, weil der Staat den Arbeitgebern misstraue, betont Eichlinger. Wegen der Beschäftigung billiger, ausländischer Arbeitskräfte in der Baubranche sei der Mindestlohn eingeführt worden - und alle anderen hätten darunter zu leiden.
Würde sie keine ordentlichen Löhne zahlen, sagt die Taxi-Unternehmerin, könnte sie gar keine Arbeitskräfte beschäftigen. "Auf dem regulären Arbeitsmarkt arbeitet doch keiner für unter acht Euro. Wozu brauche ich da ein Mindestlohngesetz? Die Dokumentation hindert mich an der Arbeit, die Geld bringt."
Dokumentieren statt bedienen
Das sei auch der Tenor unter den Wirten der Fränkischen Schweiz, sagt Hötzelein: Die Reglementierung sorge für "Frust". Statt mit dem Gast zu reden müssten sich die Wirte der Dokumentationspflicht widmen. Weil in der Gastronomie "hinten und vorne die Leute fehlen" und weil das Arbeitszeit-Schutzgesetz aus den 50er Jahren zusätzlich einschränkend wirke, sei der Mindestlohn "teilweise ungerecht", betont der Vorsitzende des Gaststättenverbandes. Gute und weniger gute Arbeitskräfte hätten Anspruch auf denselben Lohn. "Ist es der Plan der Gesellschaft, den Durchschnitt nach unten zu ziehen?", fragt Hötzelein.Eine Antwort versucht die DGB-Analyse der Zahlen des Statistischen Bundesamts: "Frauen, Ungelernte, Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen und in Ost-Deutschland profitieren von der Lohnuntergrenze. Für Forchheim lägen jedoch "keine Zahlen zur Lohnentwicklung vor", sagt DGB-Kreisvorsitzende Christa Gerdes. Sie verweist auf die Daten zur Entwicklung der Beschäftigung (Januar bis Ende März 2015).
Demnach nahm die sozialversicherungspflichtige Arbeit in Forchheim um 2,2 Prozent (604 Stellen) zu, während die ausschließlich geringfügige Beschäftigung um 1,1 Prozent (64) abnahm. Für Gerdes legt das folgende "Vermutung" nahe: Minijobs wurden zu regulären Stellen zusammengelegt. Es zeige sich, "dass der Mindestlohn in konjunkturell guten Zeiten den Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bewirkt statt einer Zunahme prekärer Mini-Jobs".