Medienscheue Forchheimer Stadträte
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Donnerstag, 27. November 2014
Fotografieren in Sitzungen ist nur mit Erlaubnis des Stadtrates möglich. Der hat sich in seiner Geschäftsordnung eine defensive Medienpraxis auferlegt. Und zeigt sich, im Gegensatz zu Ebermannstadt, auch bei der Internet-Nutzung zögerlich.
Ein Pressefotograf erhält während einer Ratssitzung Foto-Verbot. Der Sprecher einer Bürgerinitiative versucht Redebeiträge mitzuschneiden und muss das Aufzeichnungsgerät abgeben. Ein Reporter berichtet per Live-Ticker aus dem Rathaus - und stößt bei einigen Räten auf empörtes Schweigen.
Drei Szenen, die zeigen: Mediennutzung und Lokalpolitik sind manchmal schwer vereinbar. Auch beim Umgang mit dem sogenannten Ratsinformationssystem zeigt sich Forchheim wenig geschmeidig. Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU/WUO) vertritt die Auffassung: Sitzungsprotokolle gehören nicht ins Internet.
Stumpf beruft sich auf den Datenschutz. Das tut auch Andreas Kirchner, der EDV-Beauftragte im Rathaus von Ebermannstadt - doch mit einem anderen Ergebnis: Tagesordnungen und Protokolle stehen im Netz. "Natürlich müssen wir dem Datenschutz Rechnung tragen", sagt Kirchner.
Der Stadtrat von Ebermannstadt habe beschlossen, "das Ratsinformationssystem noch transparenter zu machen", betont Kirchner. Daher wurde im November das Sitzungsmanagement "automatisiert" - das heißt, die Informationen sind, sobald die Räte sie haben, unmittelbar von den Bürgern nachzulesen.
Recht auf das eigene Bild
CSU-Stadtrat Holger Lehnard mahnt dagegen zur Vorsicht. Das habe ihm die Erfahrung als Datenschutzbeauftragter im Schulamtsbezirk Forchheim gelehrt. Warum sollte, was für Schüler gelte, nicht auch Stadträten zugestanden werden? "Jeder hat das Recht auf sein Bild." Die neue Geschäftsordnung aber findet Lehnard in punkto Mediennutzung "zugegebenermaßen etwas schwammig". Wie man etwa mit einem Live-Ticker umgehen will, ist nicht geklärt.
Daher hat Lehnard beim bayerischen Datenbeauftragten angefragt. Die Antwort in Kurzform: "Eine Übertragung öffentlicher Gemeinderatssitzungen im Internet ist nur mit informierter Einwilligung der Betroffenen zulässig."
Dass elektronische Medien als Störfaktor empfunden werden - wie es die Forchheimer Geschäftsordnung nahelegt - ist jedoch nicht einheitliche Meinung unter den Räten: "Ich sehe die Sache entspannt, weil ich in sozialen Medien vertreten bin. Man könnte mich filmen oder fotografieren", sagt Josua Flierl (CSU). Dass aber OB Stumpf "zwischen Öffentlichkeit und Öffentlichkeit unterscheidet und beim Ratsinformationssystem den sicheren Weg geht, das kann ich nachvollziehen."
Twitter-Wand im Rathaussaal?
Einen weit offensiveren Medien-Einsatz wünscht sich FDP-Stadtrat Sebastian Körber. Er fotografiert im Rathaus - vor Sitzungsbeginn! Mit den Bildern illustriert er dann seinen Tweed, den er direkt aus der Sitzung schickt. Nach vier Jahren Bundestag ist Körber Anhänger einer "Eins-zu-Eins-Berichterstattung". Freies Fotografieren ohnehin. "Ich fände auch eine Twitter-Wand während der Ratssitzung hilfreich. Als Politiker müssen wir an der Interaktion mit den Bürgern und einer besseren Teilhabe interessiert sein", sagt Körber.
"Wir hinken hinterher", meint auch Gerhard Meixner (FGL). "Wenn ich als Stadtrat im Rathaus sitze, bekleide ich ein öffentliches Amt. Ich agiere hier nicht als Privatperson, natürlich dürfen meine Wortbeiträge unmittelbar veröffentlicht werden." Daher will Meixner - nach Erlanger Vorbild - Protokolle und Sitzungsunterlagen im Netz veröffentlichen.
"Scheindebatte"
Der SPD-Rat Uwe Kirschstein ist schon selbst dazu übergegangen. Zwar stellt er keine Protokolle auf seine privaten Homepage, aber Tagesordnungen und Sitzungsvorlagen. Was das Bilderverbot betrifft, spricht er von einer "Scheindebatte". In anderen Rathäusern gebe es längst Live-Casts. "Es ist doch klar, dass ich als Mandatsträger das Recht am eigenen Bild verliere."
Tablets für Stadträte
Die Gesetzeslage sei eben oft nicht in Übereinstimmung mit dem "aktuellen Lebensgefühl", sagt der EDV-Beauftragte Kirchner. Auch im Rathaus Ebermannstadt gilt theoretisch die Mustersatzung, die den Räten das Recht am eigenen Bild zusichert. "Doch bisher war das nie ein Thema", sagt Kirchner. Und auch die Angst vor elektronischen Medien ist in Ebermannstadt kein Thema. Im Frühjahr will der Stadtrat den nächsten Schritt gehen: Von der Kommune mitfinanzierte Tablets sollen angeschafft werden. Wenn die Räte sämtliche Informationen einer Sitzungsperiode im Tablet gespeichert hätten, so würde das deren Arbeit voranbringen - und Personalkosten sparen, sagt Kirchner.
Eine Vorgehensweise, von der Ludwig Preusch nur träumen kann. Der FW-Rat sitzt in jener Arbeitsgruppe aus Verwaltungsexperten und Lokalpolitikern, die sich um das Ratsinformationssystem kümmert. Die Gruppe hat lange nicht getagt. Daher sei noch immer nicht geklärt, was im Ratsinformationssystem öffentlich abrufbar sein soll, bedauert Preusch. "Für Sachvorträge etwa gäbe es keinen Geheimhaltungsgrund", meint er. Und was meinen die Mitarbeiter im Rathaus? Dort will sich momentan niemand so recht äußern. Daher die offizielle Auskunft der Pressesprecherin: "Die Stadt prüft noch."
Ludwig Preusch kritisiert, dass bei der Pflege des Ratsinformationssystems "Teile der Verwaltung nicht auf der Höhe der Zeit sind". Und auch von einigen Ratskollegen wünscht er sich eine andere Haltung: "Wer sein Profil nicht im Internet haben will, der darf sich nicht in den Stadtrat wählen lassen. Der darf sich nicht einmal auf einer parteieigenen Internetseite erwähnen lassen."