Maßkrug-Attacke auf Annafest: Ist dem Angeklagten versuchter Totschlag nachzuweisen?
Autor: Michaela Hofmann
Forchheim, Donnerstag, 16. April 2020
Ein 39-Jähriger steht vor Gericht wegen versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung - geschehen ist die Tat auf dem Annafest in Forchheim 2019.
Seine Fußfesseln rasselten, als der 39-jährige Forchheimer den Sitzungssaal im Landgericht Bamberg betrat. Ein Mundschutz, Covid-19-bedingt, verhüllte sein halbes Gesicht. Darüber scannten seine Augen mit bangem Blick die Reihen der Zuhörer, unter denen neben Vertretern der Behörden und Medien nur seine Mutter saß. Während die Welt kurz nach dem Jahreswechsel in eine bis heute andauernde Pandemie verfiel, fristete er seine Tage seit dem 27. Juli 2019 in der Justizvollzugsanstalt Bamberg.
Am 26. Juli hatten er und der Geschädigte das Annafest in Forchheim besucht. Im Lauf des Abends kam es zu einem Streitgespräch und einer tätlichen Auseinandersetzung: Der Täter schlug dem Opfer einen steinernen Maßkrug auf den Kopf. Der Krug ging zu Bruch, das Opfer verlor das Bewusstsein und erlitt ein Schädelhirntrauma mit Verdacht auf "Commotio Cerebri", landläufig Gehirnerschütterung genannt, sowie drei Platzwunden am Schädeldach.
Erinnerungslücken
Nun lautet die Anklage gegen den Forchheimer "versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung". Beim Hergang war Alkohol im Spiel, dieser führte zu Gedächtnislücken sowohl beim Angeklagten als auch beim Geschädigten. Auch der zeitliche Abstand - die Tat ereignete sich vor achteinhalb Monaten - erschwerte den Beteiligten mitunter die Erinnerung. So fielen in der stundenlangen Verhandlung häufig Sätze wie "ich weiß es nicht mehr" und "ich kann mich nicht mehr erinnern". Um ein möglichst lückenloses Bild des Geschehens zu rekonstruieren, wurden neben dem Opfer mehrere Zeugen angehört: die Partnerin des Geschädigten, ein gemeinsamer Freund, Festbesucher, die den Vorfall beobachtet hatten, diensthabende Polizeibeamte, der Sicherheitsfachmann, der vor Ort im Einsatz war, und die behandelnde Krankenhausärztin.
Fotos der Verletzungen
Zur Urteilsfindung herangezogen wurden außerdem Fotos von den Verletzungen, vom Tatort, ein psychologisches Gutachten sowie ein Sachverständigenbericht zur Tatwaffe. Die Bruchstücke des Maßkrugs werden derzeit in der Asservatenkammer aufbewahrt. "Er ist deutlich schwerer als von einigen geschätzt", informierte der Vorsitzende Richter, Manfred Schmidt. Er wiege ein Kilogramm und 180 Gramm. Mehrere dicke Aktenbündel dokumentieren die vergangenen Straftaten des Angeklagten: unter anderem eine Körperverletzung aus dem Jahr 1996, danach mehrere Diebstähle, fahrlässige Trunkenheit am Steuer und unerlaubter Waffenbesitz. Rund elf Monate seines Lebens verbüßte der 39-Jährige bereits in Haft.
"Wie war Ihr bisheriges Leben von der Wiege bis heute?", fragte der Richter den Beschuldigten. Er hätte in der Schulzeit Probleme mit Mitschülern gehabt, wenig Freunde, der Vater sei oft inhaftiert gewesen, zu ihm habe er kein gutes Verhältnis. Nach der achten Klasse habe er die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, er sei ohne Ausbildung, habe den Arbeitgeber häufig gewechselt und sei immer wieder arbeitslos gewesen. Die Bindung zur Mutter sei eng.
Eigentlich Urlaub geplant
Er habe eine drei-jährige Tochter, zu der er regelmäßig Kontakt pflege, für sie habe er in seiner Mietwohnung auch ein Zimmer eingerichtet. Seine letzte Partnerin, die nicht die Mutter seiner Tochter sei, habe sich im Januar, als er bereits in Haft war, nach eineinhalb Jahren Beziehung von ihm getrennt. Mit ihr wollte er eigentlich einen Tag nach dem Vorfall auf dem Annafest in den Urlaub fliegen. Doch daraus wurde nichts.
Der Verteidiger
Die Erklärung zur Sache lieferte sein Verteidiger: Am Tattag habe sein Mandant am frühen Morgen einen Joint geraucht, Bier wurde bereits zu Hause konsumiert, mit einem Freund wollte er zum Bieranstich auf das Volksfest gehen. Die Mutter des Beschuldigten habe beide mit dem Auto gefahren. Auf dem Fest haben sie den Geschädigten und dessen Partnerin getroffen. Opfer und Täter kannten einander vorher nicht. Der Nachmittag sei zunächst normal verlaufen. Es sei Bier bestellt worden, man habe sich unterhalten. Die Gespräche drehten sich auch um die Tochter des Angeklagten, dieser habe Handyfotos von dem Mädchen gezeigt. An einen Streit und den weiteren Verlauf könne sich sein Mandant nicht erinnern. Dennoch zeige er sich vollverantwortlich für die Tat unter Maßgabe erheblicher Alkoholisierung. Sein Gedächtnis setze ab Blutentnahme wieder ein.