Markus Schirmers WM-Trip ist auch Reise in die deutsche Vergangenheit
Autor: Leonhard Hühnlein
Schlaifhausen, Freitag, 29. Juni 2018
Markus Schirmer (37) aus Schlaifhausen ist seit 2000 bei Welt- und Europameisterschaften vor Ort. In Russland stand auch eine Spurensuche an.
Wollte man Markus Schirmer in eine Schublade einordnen, würde dies schwer fallen. Auf den ersten Blick scheint der 37-jährige Schlaifhausener ein Fußball-Tourist zu sein, wie es viele gibt. Die meisten Großturniere der letzten Jahrzehnte hat er besucht und sich dabei aber nicht nur auf die Partien der deutschen Mannschaft konzentriert. Ihn interessieren die Spiele sogenannter Fußballzwerge genauso. Gleichzeitig verbindet der "Hummel", wie er von seinen Freunden genannt wird, die Reisen immer mit seiner Neugier auf fremde Kulturen oder versucht eigene Eindrücke beim Besuch historischer Stätten vor Ort zu erlangen.
Einwöchige Visite
Bei der einwöchigen Visite zur WM in Russland erfüllte Schirmer, der in seinem Heimatort am Fuß des Walberla in nahezu allen Vereinen vernetzt ist, zudem den Wunsch einer Familie aus Schlaifhausen. Er machte sich auf dem deutschen Soldatenfriedhof In Rossoschka nahe Wolgograd, dem früheren Stalingrad, auf die Suche nach dem Grab eines Verwandten der Familie, der 1942 mit 22 Jahren gefallen war: "Dabei half mir ein seit 26 Jahren vor Ort lebender Mitarbeiter vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, denn alleine wäre man bei der Suche auf dem riesigen Gelände verloren", berichtet Schirmer. Die Kriegstoten bei den Kämpfen vor Stalingrad werden auf der deutschen Seite auf 169.000 Menschen geschätzt. Beruflich für einen Erlanger Weltkonzern tätig, spart der Industriekaufmann für seine Trips Urlaub an, um möglichst lange in den Austragungsländern bleiben zu können und um Land und Leute im Gastgeberland kennenlernen zu können. Die Planung verläuft immer nach dem gleichen Schema, wie Markus Schirmer erklärt: "Nach dem Ende der Qualifikationsrunden werden meist um den Nikolaustag die Gruppen der bevorstehenden WM oder EM ausgelost, damit steht auch der Turnierplan fest. Danach heißt es schnell sein, denn die Tickets sind begehrt, und ich bewerbe mich ohnehin bei vielen Spielen, um die Tage der Reisen auszufüllen."
Ticketwünsche und Feinpanung
Erst nachdem die Bestätigungsmails zu den Ticketwünschen eingegangen sind, folgt die Feinarbeit der Planung: "In jedem Land findet man historische Stätten und geschichtsträchtige Plätze. Die Kunst, Kultur und Sport zu verbinden, ist es, die Zeit zwischen den Partien sinnvoll zu verplanen. Das gelingt aber nur, wenn die Entfernungen zwischen jenen Orten und den Spielstadien auch überbrückbar sind", weiß der Oberfranke.Inzwischen ist Schirmer Mitglied des DFB-Fanclubs und tourt auch zwischen den Welt- und Europameisterschaften bei "normalen" Länderspielen mit, reist aber auch einfach mal zu einem geschichtsträchtigen Derby in Schottlands zweite Liga, wo die Fans noch auf Holztribünen ihren Mannschaften zujubeln. Schirmer meint: "Fußball ist Tradition, ist Hobby, ist Leidenschaft. Als Club-Fan bin ich eh geprägt vom nahen Wandel zwischen Freude und Leid."
Angefangen hat seine Leidenschaft bei der Fußball-Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden, als er allerdings die 0:3-Pleite gegen Portugal live vor Ort in Rotterdam erleben musste: "Zugegeben, es gibt Schöneres. Aber wir sind zurecht ausgeschieden."
WM im eigenen Land
Es folgten vier WM-Spiele 2006 im eigenen Land. Zwei Jahre später nutzte er die Nähe zu den EM-Austragungsländern Österreich und Schweiz und pendelte mehrmals zu den gebuchten sieben Spielen. Bei der WM in Südafrika 2010 steigerten sich die Partien auf neun und die Reisedauer auf zwei Wochen. Mit 13 Spielen konnte Schirmer dann bei der EM 2012 in der Ukraine und Polen die meisten Begegnungen besuchen. Bei der EM in Frankreich 2016 waren es zwölf. Nur in Brasilien 2014 war er nicht, da passte der Zeitplan nicht. Für die WM in Russland hatte der seit April frisch verheiratete Fußball-Apostel nun eine Woche Zeit, um drei Spiele zu besuchen und das Land zu bereisen. Dem 2:0-Auftaktsieg Kroatiens gegen Nigeria in Königsberg (Kaliningrad) folgte die 0:1-Niederlage Deutschlands gegen Mexico in Moskau. Mit dem 2:1-Sieg Englands über Tunesien in Wolgograd war der WM-Trip auch schon wieder vorbei.