Luftkurorte sind "uralte Zöpfe"
Autor: Ekkehard Roepert
Gößweinstein, Mittwoch, 25. Februar 2015
Seit das Verwaltungsgericht Bayreuth an der Berechtigung einer Kurtaxe in Gößweinstein zweifelt, ist in der Fränkischen Schweiz eine Debatte im Gange: Folgen Kurorte einem überholten touristischen Leitbild?
Die Zeit der Kurtaxe hat sich überlebt. Das legt ein Urteil des Verwaltungsgerichtes (VG) Bayreuth von letzter Woche nahe. Wie berichtet, hat das Gericht den Umgang mit dem Kurbeitrag in Gößweinstein ausgehebelt: Es dürfe nicht sein, dass lediglich von Übernachtungsgästen Beiträge verlangt werde, während die Tagesgäste nichts zahlen müssten. Das widerspreche der im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlung.
In den Luftkurorten sei nun eine Neuorientierung angesagt, meint Werner Borchert, Geschäftsleiter im Markt Wiesent tal: "Wir gehen davon aus, dass wir unsere Besucher gleichbehandeln, aber den Tagesgästen hinterherlaufen, das geht nicht."
Das VG-Urteil hat Borchert nachdenklich gestimmt: "Wir haben für Muggendorf und Streitberg das Prädikat Luftkurort", sagt der Geschäftsleiter aus Wiesenttal: "Doch wer kommt aufgrund dieses Prädikates zu uns? Das sind uralte Zöpfe. Damit hat man vor 50 Jahren werben können. Heute kommt keiner mehr wegen des Prädikates Luftkurort." Folglich müsse "grundsätzlich diskutiert werden", ob es sinnvoll sei, alle zehn Jahre 18 000 Euro in ein Klimagutachten zu investieren. "Und wir müssen uns fragen, für was wir eigentlich den Kur-Beitrag erheben", sagt Borchert.
Nicht von der Kommune betrieben
Auch die Bayreuther Richter hatten darauf hingewiesen, dass klar sein müsse, welche Einrichtungen denn einen Kur-Beitrag rechtfertigen: In Gößweinstein sei das schwer zu beantworten, weil die großen touristischen Attraktionen wie die Basilika, das Höhenschwimmbad oder das Wallfahrtsmuseum nicht von der Kommune betrieben würden, sondern in der Hand der Kirche und von Vereinen seien.
Thomas Bernard, der Tourismuschef aus Pottenstein, meint, das ganze Thema sei es "nicht wert, diskutiert zu werden". Kurtaxe gebe es in Pottenstein seit 1976. Wie in Gößweinstein werde ein Euro pro Übernachtungsgast über die Kur-Beitragssatzung erhoben. Was habe das denn mit den Tagesgästen zu tun?, fragt Bernard: "Dass Tagesgäste Kur-Beiträge zahlen, so etwas gibt es in ganz Europa nicht." Ein Kriterium dafür, ob Kurtaxe erhoben werde, sei beispielsweise die Bettendichte eines Ortsteils. "Daher ist auch in Pottenstein nicht die ganze Kommune Luftkurort. Um den Titel zu erreichen, gibt es Maßgaben", betont der Tourismuschef.
Im Übrigen sei es "uferlos, zu hinterfragen", welche kommunale Einrichtung bei der Tourismus-Bilanz berücksichtigt werden sollte, sagt Bernard. Werde in Pottenstein der Zweckverband Teufelshöhle berücksichtigt, wären die Zahlen schwarz; würde das Schwimmbad berücksichtigt, wären die Zahlen rot. "Der Tourismus muss sich finanzieren. Daher haben wir in Pottenstein eine Mischkalkulation, wir machen keine Verluste und keinen Gewinn", stellt Thomas Bernard fest. Und wehrt sich gegen den Begriff "Kurgast". Gerade komme er aus Südtirol. Die Lifte dort seien in privater Hand. Dennoch verlange die Kommune von den Skifahrern einen Beitrag. Das Beispiel zeigt für Thomas Bernard: "Der Begriff Kurgast ist antiquiert."
Ähnlich sieht es der Gößweinsteiner Bürgermeister Hanngörg Zimmermann (FW) in der Woche nach dem VG-Urteil: "Wir sind der Meinung, dass unsere Praxis die richtige ist. Wir brauchen die Beiträge, um den Tourismus zu finanzieren. Daher beharren wir auf unserer Einnahmepraxis, bis wir die Urteilsbegründung im Detail kennen." Wenn es lediglich um die Gleichbehandlung aller Gäste gehe, so habe er bereits "einen Plan B" in der Schublade: "In diesem Punkt können wird das Urteil ganz schnell heilen, wir werden den Vollzug nach der Mustersatzung sicherstellen können."
Gleichzeitig betont der Bürgermeister, dass er nichts von dem Vorschlag von Ferdinand Haselmeier halte, eine Bettensteuer einzuführen. Das Ehepaar Brigitte und Ferdinand Haselmeier hatte die Klage in Bayreuth angestrengt und gewonnen. In einem offenen Brief an die Gößweinsteiner Kommunalpolitiker machte Ferdinand Haselmeier dann am Sonntag den Vorschlag, die fehlenden Einnahmen im Tourismus durch eine Bettensteuer auszugleichen.
Keine 100%ige Freiwilligkeit
"Aber die Möglichkeit eines Bettengeldes wurde schon zu einer Zeit geprüft, als Herr Haselmeier noch selbst in der Verwaltung aktiv war", erinnert Bürgermeister Zimmermann, "das funktioniert nicht, weil das voraussetzt, dass sich alle Vermieter dem Bettengeld unterwerfen. Doch diese hundertprozentige Freiwilligkeit ist in Gößweinstein nicht gegeben."