Luft für den Luftkurort Gößweinstein wird dünn
Autor: Ekkehard Roepert
Gößweinstein, Donnerstag, 19. Februar 2015
Die Gemeinde Gößweinstein hat ihre Gäste jahrelang ungleich behandelt und muss nun um ihre Kurtaxe fürchten.
Zehn Jahre lang hat Ferdinand Haselmeier die Gemeinde kritisiert. "Keiner hat auf mich gehört." Am Donnerstag jedoch waren er und seine Frau Brigitte "happy": Das Verwaltungsgericht (VG) in Bayreuth hat die Haselmeier-Kritik bestätigt: Die Kurbeiträge, die die Gemeinde erhebt, widersprechen der Idee der Gleichbehandlung. Ferdinand Haselmeier, selbst ein gelernter Verwaltungsexperte, hatte immer darauf beharrt: "Hier wird gegen den Grundsatz der Abgaben-Gerechtigkeit verstoßen und damit gegen Artikel 3 des Grundgesetzes."
Daher war Brigitte Haselmeier, die das Landhaus Fränkischer Hahn betreibt, vor das Gericht gezogen, um sich gegen die Kurbeiträge der Jahre 2008 bis 2013 zu wehren. "Es kann ja nicht sein", argumentiert Haselmeier, "dass man eine Satzung hat, die rechtlich in der Praxis gar nicht anwendbar ist."
Denn in der Satzung der Gemeinde steht: Sobald der Gast da ist, muss er bezahlen.
Gemeinde muss zurückzahlen
So verlangte die Tourismus-Verwaltung pro Übernachtung 50 Cent, seit 2013 plötzlich sogar einen Euro. Die Bescheide wurden den Wirten geschickt, stillschweigend voraussetzend, dass sie die Kurtaxe von den Gästen einsammeln. Doch dazu sei kein Wirt verpflichtet, sagt Haselmeiser: "Beitragspflichtig ist grundsätzlich der Gast." Da Haselmeier von seinen Gästen nie eine Taxe verlangt hatte, bekommt er nach dem VG-Urteil jene 2000 Euro zurückerstattet, die die Gemeinde zu Unrecht von ihm kassiert hatte.
Im Grunde hat die Gemeinde gleich drei Probleme: Erstens verlangt sie nicht von allen die Kurtaxe und behandelt damit die Gäste ungleich. Zweitens weiß die Gemeinde nicht, wie sie ihre Beiträge einsammeln soll. Drittens: Manche Gemeindegebiete, wie etwa Morschreuth, zählen offiziell gar nicht zum "Kurbereich", was die Sache zusätzlich kompliziert.
"Wir haben die Mustersatzung des Innenministeriums im Einsatz, das ist das richtige Instrument", meinte Bürgermeister Hanngörg Zimmermann (FW) noch am Mittwoch, dem Tag der Verhandlung. Gleichzeitig betonte er, dass die Gemeinde kein Geld dafür nehmen könne, wenn Wanderer die Wege benutzen. Und die Wallfahrer, "die drei Stunden bleiben, haben ja nicht mal Zeit, die Einrichtung nutzen". Folglich, so der Bürgermeister: "Hundertprozentige Gerechtigkeit kriegt man da nicht hin."
Nachdem das Urteil gestern bekannt wurde, sagte Zimmermann: Es müsse zumutbar sein einen Kurbeitrag zu verlangen. Schließlich investiere die Gemeinde gezielt und erwirtschafte trotzt Kurtaxe (rund 50 0000 Euro pro Jahr) und Fremdenverkehrsbeitrag jährlich ein Defizit von 120 000 bis 170 000 Euro. "In der Konsequenz sind wir auf den Kurbeitrag angewiesen. Es kann ja nicht sein, dass wir Leistungen kürzen, etwa für die Pflege der Wanderwege."
Urteil mit bayernweiten Folgen
Die Gemeinde müsse nun die Details der Urteilsbegründung abwarten und über eine Berufung nachdenken, sagte Hanngörg Zimmermann; wagte aber eine Prognosen: "Die Abgabe für die Übernachtungsgäste wird bleiben. Wegen der Gleichbehandlung müssen wir jetzt eben eine Zusatzregelung für die Tagesgäste einführen."
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Berufung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Doch Ferdinand Haselmeier ist überzeugt, dass die Gemeinde auch in München scheitern würde: "Das Urteil wird bayernweit Aufsehen erregen und eine Welle auslösen." Am Ende werde wohl die Mustersatzung aufgehoben werden müssen, nicht nur in Gößweinstein, sondern auch in anderen Kurorten wie Pottenstein, Waischenfeld oder Muggendorf.
"Eine ganz große Gefahr" sieht Bürgermeister Zimmermann darin, dass die "Kureinrichtungen" kein Geld mehr einbringen könnten. "Dann hätten wir massive Einbußen im Fremdenverkehr. Das kann ein Problem werden, das zum Nachteil der ganzen Region wird."
Auch Dietmar Lang, Richter und Pressesprecher, vermutet, dass das Verwaltungsgericht unter dem Vorsitz von Richterin Angelika Janßen mit diesem Urteil "was losgetreten haben könnte". Da die in Gößweinstein verwendete Mustersatzung gegen das Gleichheitsgebot verstoße und da es unter den 2056 Gemeinden in Bayern noch einige Luftkurorte gebe, sei das Urteil "wohl von grundsätzlicher Bedeutung", sagt Lang.
Gerade den Umgang mit den Tagesgästen in Gößweinstein habe das Gericht als problematisch erachtet: "Die Satzung enthält eine Regelung, die nicht vollziehbar ist: Die Tagesgäste sollen sich im Rathaus melden, ein Formular holen und zahlen." Da Tagesgäste sich so nicht verhalten, scheitere die Satzung an dem, was Juristen "struktureller Nichtvollzug einer Vorschrift" nennen.