Leutenbacher Mertel-Krippe verzichtet auf Protz
Autor: Franz Galster
Leutenbach, Freitag, 03. Januar 2014
Wer sich viel Gold und Silber erwartet, wird von der Leutenbacher Mertel-Krippe sicherlich enttäuscht. Alle anderen können sich noch bis zum 12. Januar von ihrer schlichten Schönheit berühren lassen.
Die Mertel-Krippe, die in Leutenbach in Nachbarschaft der Pfarrkirche Sankt Jakobus liegt, steuern immer um die Jahreswende vor allem Eltern mit ihren Kindern an. Aber auch Wandergruppen finden regelmäßig den Weg zur Mertel-Krippe. Zwischen 500 und 800 Besucher kommen in jedem Jahr.
In der Vergangenheit hatten Franz und Katharina Roth immer die gute Stube geräumt, um Platz zu machen für die Krippe. Der aufwendige Auf- und Abbau barg allerdings stets das Risiko, die Krippe zu beschädigen. Jetzt hat die 4,70 Meter mal 2,50 Meter große Krippe eine dauerhafte Bleibe gegenüber dem Wohnhaus in einem schmucken Nebengebäude gefunden.
Der Raum ist ganz der trauten Weihnachtsgeschichte gewidmet. Viele Kinder stellen Fragen, wenn sie vor den lebendigen Darstellungen stehen. Dort schweben beispielsweise Engel herab, um den Hirten den Weg zum Stall in Betlehem zu weisen.
Anschließend zeigt die Mertel-Krippe, wie die Heiligen Drei Könige Herodes nach dem Weg fragen. Dann ziehen sie weiter, geleitet vom Stern. "Blickfang muss die Krippe sein", sagt Franz Roth. Er betreut heute die Krippe. Die Mertel-Krippe hat eine lange Geschichte. Der damalige Wagnermeister Josef Roth besaß die Gabe, defekte Werke von Turmuhren wieder zum Leben zu erwecken. In den 1920er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam ihm die Idee, eine mechanische Krippe zu bauen. Sie entstand in den Jahren zwischen 1923 und 1930.
Ein großer Tüftler
Josef Roth konstruierte seine Mechanik aus Blechstreifen, Zahnrädern, Flach- und Rundriemen oder auch aus Kettenantriebe und den Winkelgetrieben alter Futtermaschinen.
Der Antrieb lief zunächst über eine Wasserturbine. Der Krippenbauer, der auch unter dem Namen "Mertel-Joff" bekannt war, muss einen enormen Tüftlergeist besessen haben.
Er stand vor der Herausforderung, Haltepunkte, Drehbewegungen und Rückläufe bei der Darstellung des Weihnachtsgeschehens einzubauen. Mittlerweile treibt ein 12V-Scheibenwischermotor die Mechanik an. Inzwischen liegt das Wohl und Wehe der Krippe in den Händen von Josef Roths Sohn Franz. Dabei kommt dem zugute, dass er eine Ausbildung zum Feinmechaniker gemacht hat. Einiges hat er an der Krippe inzwischen auch schon verfeinert.
Sein Ansatz ist dabei, "Altes zu überholen und zu verbessern". Ausschließlich "Neues würde die Krippe und ihre Mechanik abwerten". Roth benötigt dafür zwei geschickte Hände und viel Liebe für die Krippe und ihre Details.
Roth möchte, dass die Betrachter sie nicht nur mit ihren Augen sehen, sondern auch mit ihrem Innersten erleben. Prunkbauten oder auch gold- und silberbeladene Figuren sucht man deshalb in der Mertel-Krippe vergebens.
Die Krippe besticht stattdessen durch Einfachheit. Sie spiegelt damit auch die materiell bedrängte Zeit, in der sie entstand. 80 bis 100 Figuren aus Pappmasche oder Gips befinden sich in der Landschaft. 20 verschiedene Moosarten, Tuffsteine, Wurzelstöcke und Materialien aus der hiesigen Umgebung verleihen der Krippe darüber hinaus ihr besonderes Gepräge.
Spenden für Bangladesch
In der Mertel-Krippe hat die Pracht des Herodesschlosses ebenso ihren Platz wie das Haus des neugierigen Müllers oder der mächtige Krippenfelsen mit der Geburtshöhle.
Neben der Krippe bittet eine Opferdose um eine Spende für die Andheri-Hilfe in Bangladesch. "1250 Blindenoperationen konnten so dort bisher bezahlt werden. Könnt Ihr Euch die Freude dort vorstellen?", fragt Roth.
Die Krippe steht noch bis Sonntag, 12. Januar, täglich zwischen 10 und 18 Uhr oder nach Vereinbarung unter Tel. 09199/ 1220 für Besucher offen.