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Leidenschaft im Maßstab 1:87


Autor: Leo Hühnlein

Obertrubach, Donnerstag, 29. Juni 2017

Für Sammler von Wiking-Modellautos ist die Gemeinde Obertrubach ein ganz besonderer Ort.
Obertrubachs Bürgermeister Markus Grüner (links) zeigt sich beeindruckt von dem Detailreichtum der ausgestellten Modellbauszenarien, die Organisator Hans Werner Gottschalk erklärt.  Fotos: Leo Hühnlein


Für drei Tage war die Gemeinde Obertrubach jetzt das Mekka für die Freunde von Wiking-Modellautos. Zwei Dutzend ambitionierter Sammelenthusiasten kamen aus ganz Deutschland - von Flensburg bis Bernau am Chiemsee - ins Trubachtal und nahmen dafür bis zu sieben Stunden Anreise inkauf. Denn immerhin feiert die Modellautomarke 2017 ihren 85. Geburtstag.

Das vom Obertrubacher Hans-Werner Gottschalk nach 2013 und 2015 bereits zum dritten Mal organisierte Treffen entwickelt sich mehr und mehr zu einer Raritäten-Oase, wie er sagt: "Die Besucher schätzen die Beschaulichkeit unseres fränkischen Dörfchens. Das freundschaftliche Miteinander während des Treffens im Gasthof Alte Post wird von allen Teilnehmern als durchweg einmalig empfunden."


Detailliertes Fachwissen

Im Verlauf der drei Veranstaltungen in Obertrubach ist es dem Organisator gelungen, diese sehr persönliche Atmosphäre zu schaffen. Gottschalk, ein gebürtiger Gelsenkirchener, begann selbst vor etwa 26 Jahren mit seiner Leidenschaft für die im Maßstab 1:87 gefertigten Modelle.

Längst hat er sich nicht nur als modellbauerischer Ästhet, sondern auch als Buchautor mit detailliertem Fachwissen einen Namen in der Sammlerszene gemacht: "Es gab bislang keine Nachschlagewerke oder Kataloge. Und auch wenn es mich 500 bis 600 Stunden bisher gekostet hat, mache ich es gerne. So gehen diese gesammelten Informationen zumindest nicht verloren, wenn wir als Sammler eines Tages nicht mehr da sind," sinniert der 59-jährige, der zudem als Pionier einer immer stärker werdenden Stilrichtung der Modellbauer gilt.


200 Stunden Arbeit

Mit innovativen Dioramen ganzer Straßenzüge und Ensembles wurde er zum Vorreiter und präsentierte als Höhepunkt des diesjährigen Meetings eine 87-fach miniaturisierte Zirkus-Szenerie ganz im Stil der ersten Nachkriegsjahrzehnte. Alles mit Esprit und Eleganz handwerklich in über 200 Arbeitsstunden zusammengestellt.

Nach der Begrüßung im Beisein von Bürgermeister Markus Grüner begannen die Besucher mit der Präsentation der eigenen Modelle: "Das macht das Miteinander aus, wenn alle Gäste zu Beginn des Treffens ihre Preziosen hervorholen und diese unter staunenden und ebenso neugierigen Blicken der anderen Teilnehmer aufbauen," sagt Gottschalk über das Prozedere: "Das Besondere dieser Gemeinschaft ist aber die Präsentation der Verkehrsmodelle, die alle Sammler aus ihrem ganz persönlichen Fundus mitgebracht hatten."

Beim Rundgang zeigte sich Bürgermeister Markus Grüner (CSU) überrascht von der Vielfalt der Autominiaturen, die 1948 nach der Währungsreform in den Handel kamen. Bereits 1932 hatte Wiking-Gründer Friedrich Peltzer mit dem Bau von Schiffsmodellen im Maßstab 1:1250 angefangen, wechselte nach dem Krieg zunächst auf 1:100 für Automodelle, um diese später der Modellbahngröße H0 anzupassen.

Details innerhalb der präsentierten Szenerien, die die Herzen der Kenner höher schlagen lassen, bleiben dem Laien häufig verborgen. So etwa wurden Mitte des vorigen Jahrhunderts die passenden unter zwei Zentimeter großen Figuren, die viele der ausgestellten Dioramen erst zum Leben erwecken, noch handgefertigt und aus Holz gesägt und bemalt. Der materielle Wert vieler Einzelstücke ergibt sich zudem aus der noch am freien Markt befindlichen Anzahl dieser Liebhaberteile, manche Modellbausammler horten wahre Schätze und geben diese den Augen anderer Menschen nur bei Ausstellungen frei.


Eine besondere Aura

Dies gilt für frühe Produktionsreihen der Modellfahrzeuge ebenso, resümiert Gottschalk: "Viele haben sich diesmal auf die Wiking-Anfangsjahre der Fünfziger fokussiert. Der Reiz des damaligen Minimalismus versprüht gerade heute seine ganz besondere Aura."
Authentische Dioramen, als Wiking noch schlichte, unverglaste Karosserien produzierte und die Räder auf heiß ins Fahrgestell eingeschmolzene Achsen aufgesteckt und an den vier Enden abgeknipst wurden, waren zu sehen: "Die sogenannten Wiking-Drahtachser der 1950er, die nur knappe vier Jahre gebaut wurden, gelten heute als Raritäten." Ein zusätzliches Event für die Sammler war die gleichzeitig ablaufende Wiking-Auktion von Christian Wrede in Nürnberg, fasst Gottschalk die drei Tage zusammen: "Insgesamt eine schöne Kombination, um unserer Leidenschaft weitere neue Impulse zu geben."