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Landratsamt Forchheim warnt vor rasantem Verlust von Streuobstwiesen


Autor: Redaktion

LKR Forchheim, Freitag, 03. Mai 2019

Das Fällen von Bäumen in Streuobstwiesen in der Fränkischen Schweiz ruft nun auch das Landratsamt Forchheim auf den Plan. Es verweist auf gesetzliche Lage.
Abgesägte Kirschbäume im Landkreis Forchheim Foto: privat


Im Zuge der aktuellen Thematik rund um das Volksbegehren "Rettet die Bienen" zur Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern und die damit einhergehende vorgesehene Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes - hier insbesondere die gesetzliche Unterschutzstellung von Streuobstwiesen - wurden in verschiedenen Bereichen des Landkreises Forchheim Streuobstbestände unterschiedlichster Größenordnung beseitigt.

Aus diesem Grund möchte das Landratsamt Forchheim über die geltenden gesetzlichen Regelungen informieren: Die Rechtslage lässt ein Fällen der Obstbäume nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Aufgrund des Artenreichtums eines Streuobstbestandes wird darauf hingewiesen, dass es verboten ist, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen, zu verletzen, zu töten, ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, diese zu beschädigen oder zu zerstören. Außerdem ist es verboten, wild lebende Tiere und europäische Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht- oder Mauserzeiten erheblich zu stören. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von wild lebenden Tieren dürfen ebenfalls nicht aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört werden.

Sorgfältige Ortseinsicht

Dies bedeutet laut Pressemitteilung des Landratsamtes, dass unmittelbar vor einem eventuellen Fällen eines Obstbaumes eine sorgfältige Ortseinsicht durchzuführen ist. Sollten beispielsweise aktiv genutzte oder besetzte Baumhöhlen, Vogelnester oder gar Brutaktivitäten selbst festgestellt werden, so ist das Fällen nicht zulässig.

Verstöße werden geahndet

Die Behörde weist außerdem darauf hin, dass Verstöße gegen diese Vorschriften Ordnungswidrigkeiten darstellen, welche mit Bußgeld geahndet werden können beziehungsweise bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen als Straftat geahndet werden müssen.

Kulturlandschaft

Streuobstbestände gehören seit Jahrhunderten zum typischen Bild der fränkischen Kulturlandschaft. Hochstämmige Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgenbäume umgaben früher als breite Gürtel die Ortschaften und prägten als Obstwiesen, Alleen oder prächtige Einzelbäume die Landschaft. Streuobstbestände sind vom Menschen geschaffene Lebensräume. Sie zeichnen sich wegen der einzigartigen Kombination der Ökosysteme Baum und Wiese durch einen besonders hohen Reichtum an Arten und Individuen der Tier- und Pflanzenwelt aus. Zusammengenommen kommen laut Landratsamt circa 5000 Tier- und Pflanzenarten im Streuobst vor. Viele davon sind gesetzlich geschützt und stehen außerdem auf der Roten Liste, das heißt, sie sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Heute stellen Streuobstbestände wichtige Ersatzlebens- und Rückzugsräume für früher verbreitete Arten der offenen Kulturlandschaft dar. Extensiv genutzte Bestände mit großwüchsigen Obstbäumen und Wiesen, Weiden, Acker oder Sonderkulturen im Unterwuchs ergeben ein halboffenes Landschaftselement, das sowohl von Arten des Offenlands als auch von Arten der lichten Wälder besiedelt wird.

Reiches Blütenabgebot

Streuobstbestände bieten ein reiches Blütenangebot für Bienen, Astbereiche und Höhlen zum Brüten für Vögel, Stammbereiche zum Aufwärmen und Jagen für Insekten, Unterschlupf und Verstecke unter der Rinde (zum Beispiel für Fledermäuse) oder Totholz und Mulmhöhlen für holzbewohnende Käfer, Ansitzwarten für Greifvögel oder aber Sonne und Schatten im Unterwuchs.

Für die hohe Vielfalt an Pflanzen und Tieren ist demnach die ursprüngliche extensive Bewirtschaftung mit einem hohen Anteil an Blütenpflanzen vom Frühjahr bis in den Herbst ausschlaggebend.

Befürchtungen

Viele Landwirte jedoch befürchten Einschränkungen bei der Nutzung der Streuobstbäume. Der Trägerkreis des Volksbegehrens dagegen sieht dies anders. "Zwar stellt der Gesetzentwurf Streuobstwiesen ab einer Größe von 2500 Quadratmetern unter den Schutz des bayerischen Naturschutzgesetzes. Davon ausgenommen sind aber Bäume, die weniger als 50 Meter vom nächstgelegenen Wohn- oder Hofgebäude entfernt sind", erklärt Agnes Becker, die Beauftragte des Volksbegehrens und stellvertretende Vorsitzende der ÖDP Bayern. "Der noch nicht rechtskräftige Gesetzentwurf des Volksbegehrens dient dazu, den rasanten und anhaltenden Verlust von unzähligen Streuobstwiesen endlich aufzuhalten", so Becker weiter. Laut Erhebungen der Landesanstalt für Landwirtschaft sind im Freistaat von 1965 bis 2012 rund 70 Prozent der Streuobstbäume verschwunden (von rund 20 auf sechs Millionen).

In den vergangenen Jahrzehnten ist auch in Bayern der größte Teil der Streuobstwiesen verloren gegangen. Meist sind sie Wohn- und Gewerbegebieten zum Opfer gefallen oder in eine intensivere Nutzung wie Acker überführt worden. "Damit war für uns dringender Handlungsbedarf gegeben, um die Überreste unserer bayerischen Streuobstwiesen für die Zukunft zu erhalten. Ein ,Weiter so' beim Rückgang kann es auch hier nicht geben", meint der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz, Norbert Schäffer. "Viele Streuobstwiesenbesitzer sehen ihre Flächen als generationenübergreifenden Schatz. Wer jetzt aber aufgrund von Desinformation oder unlauteren Motiven Obstbäume in Streuobstwiesen fällt, begeht Naturfrevel", stellt Schäffer klar.

Ein vom Trägerkreis in Auftrag gegebenes Gutachten hatte klargestellt, dass eine übliche Nutzung der Streuobstwiesen durch die Unterschutzstellung nicht behindert wird. "Das Gutachten bescheinigt, dass die Entnahme von alten oder überalterten Bäumen weiterhin möglich ist. Ebenso kann die Zusammensetzung der Obstbaumarten geändert werden", erklärt Norbert Schäffer. Ist eine Streuobstwiese mit staatlicher Förderung entstanden, kann sie innerhalb von 15 Jahren nach Beendigung der Förderung auch einer anderen landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. "Wer jetzt seine Streuobstwiese rodet, nur um unter 2500 Quadratmeter zu kommen, handelt eindeutig verwerflich. Ob derartige Rodungen von Höhlenbäumen zur Vogelbrutzeit ohnehin rechtlich überhaupt erlaubt sind, zweifeln wir an und werden dies überprüfen lassen", so Schäffer.

"Unser Gesetzentwurf stellt eindeutig klar, dass die Nutzung und Pflege der Streuobstwiesen ausdrücklich gewünscht wird und weiterhin zulässig ist", wird Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag, in der Pressemitteilung zitiert. Dabei sei der Rahmen für die Nutzung klar definiert worden: 1. Für betriebswirtschaftlich veranlasste Veränderungen und Erweiterungen der Hofstelle können Obstbäume gerodet werden. Dafür ist an anderer Stelle ein Ausgleich zu schaffen. 2. Im Streuobst übliche Pflege- und Erneuerungsmaßnahmen unterliegen keiner Beschränkung. 3. Für besondere Schadenssituationen kann auf der Grundlage einer zu erlassenden Ausführungsverordnung auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfolgen.

Der Trägerkreis des Volksbegehrens sieht den Bayerischen Bauernverband (BBV) hier in der Pflicht. "Wenn es dem BBV Ernst um den Erhalt der Artenvielfalt ist, muss er alles daransetzen, weitere Fällungen von Obstbäumen durch Landwirte zu verhindern", fordert Ludwig Hartmann.

Über das Volksbegehren Artenvielfalt

Vom 31. Januar bis zum 13. Februar haben sich über 1,7 Millionen Wahlberechtigte in den Rathäusern in Listen eingetragen. Am 3. April hat die Bayerische Staatsregierung angekündigt, den Gesetzentwurf anzunehmen. Zum Trägerkreis des Volksbegehrens Artenvielfalt - Rettet die Bienen! gehören die Ökologisch-Demokratische Partei Bayern (ÖDP), der LBV, Bündnis 90/Die Grünen Bayern und die Gregor-Louisoder-Umweltstiftung. Über 200 Organisationen, Unternehmen, Verbände und Parteien unterstützen diese Initiative für ein neues Naturschutzgesetz in Bayern.