Landrat Ulm und der Mutbürger Luther
Autor: Franz Galster
Kunreuth, Montag, 06. März 2017
Hermann Ulm hielt in Kunreuth die erste von sechs Kanzelreden zum Reformationsjubiläum.
Eine besondere Reihe mit sechs Kanzelreden hat die Pfarrei Kunreuth im Rahmen des Reformationsjubiläums vorgesehen. Dazu begrüßte Pfarrer Jochen Müller als ersten Redner in der gut besuchten Lukaskirche Landrat Hermann Ulm. "Evangelisch und Politik", lautete sein Thema.
Ulm beschäftigte sich mit der Reformation in seiner Entstehung in Wittenberg, der Politik, seinem ganz persönlichen Bekenntnis zum evangelischen Glauben und seinem damit verbundenen engen Bezug zu seiner Heimat.
"Luther, wie ein Mutbürger die Welt verändert", mit diesem Titelthema aus der Wissenschaftszeitung Geo ging der Landrat auf den Anschlag der bekannten 95 Thesen an der Wittenberger Schlosskirche ein. Womit Luther mit einer Revolution von unten die Kirche mehr veränderte, als es zunächst seine Absicht war und anstelle einer Universalreform der Protestantismus entstand. Er bot Kaiser, Papst und Kirche die Stirn und befreite, so Ulm, die Menschen von geistigen und geistlichen Zwängen sowie Denkverboten seiner Zeit.
Ausgiebig ging Ulm auf die historische und räumliche Entwicklung ein. Kunreuth wurde spätestens 1560 evangelisch als protestantische Insel im bambergisch-katholischen Umland. Weiter erklärte Ulm in seinem historischen Ausflug die Entstehung des Flickenteppichs und der damit verbundenen protestantischen Traditionen. Dies seien allerdings Strukturen, die sich durch Einflüsse wie Zuzug von Bevölkerung, Ansiedlung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen mittlerweile relativierten.
Ulm wandte sich dann seinem eigentlichen Thema zu. Er war als Landrat zu dieser Rede gebeten worden. Was bedeutet für ihn evangelischer Glaube im politischen Alltag? "Ich wage zu behaupten, ich wäre kein Landrat, wäre ich nicht eben im kirchlichen Gemeindeleben in Kunreuth mit Posaunenchor, Organistendienst und vielem mehr aufgewachsen", sagte Ulm. Genau dieses Gemeindeleben habe ihm die Bodenhaftung vor Ort gegeben. Es sei für ihn Ausgangspunkt der Identifikation, für Heimatgefühl, Wissen um die eigenen Wurzeln der Familie im Ort, für sein Dorf, die Landschaft und Natur.
"Bleib im Land und nähre dich redlich", zitiert er seine Großmutter Kuni Nickisch, Jahrgang 1914. Redlich, was im Psalm 37 auch bedeute, reg dich nicht auf, wenn andere durch manch gottlose Lumperei Erfolg haben. Vertrau auf Gott. Ulm vermittelte Einblick in seine Jugendzeit, von Zeugen des Glaubens wie einem Gesangbuch aus dem Jahr 1832 seines Ururgroßvaters Paulus Ulm. Der Märtlbauernhans hat es ihm geschenkt.
Evangelischsein sei mit vielen solchen Erlebnissen verbunden, sorge für Verwurzelung und Bodenhaftung. Die gute christliche Botschaft gebe ihm als Politiker Grundvertrauen gegenüber der Welt, seinen Mitmenschen und sich selbst. Er erklärte die Sinnhaftigkeit des Handelns, das Problem, es eben nicht allen recht machen zu können. "Wäre es das egoistische Motiv des Handelns eines Politikers, einfach wiedergewählt zu werden, dann wäre man bald eine verkrümmte, eine armselige Kreatur", wird Ulm sehr deutlich. Ohne Grundvertrauen in seine Mitmenschen könne er keine Politik machen. Schließlich sei es wichtig, mit gesundem Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Entscheidungen zu handeln. Ulm bedauert in der Politik das Spiel von Opposition. Es gebe Schauspieler, Rollenspieler und Aufsprecher. Er freue sich, davon bisher weitgehend im Kommunalen verschont geblieben zu sein. Er habe es sich seit früher Kindheit angewöhnt, vor schwierigen Entscheidungen und Herausforderungen ein Vaterunser zu beten. Dies sei wie ein festes Schuhwerk im Alltag.
Kritisch ging er mit der großen Politik um, mit den Parteivorgaben, Sachzwängen, Einflüssen von Lobbyisten. Bei allen Unübersichtlichkeiten gebe es biblisch-christliche Grundsymbole und Aussagen, wenn man es nur zulasse. Ein an Tragik kaum zu übertreffendes aktuelles Beispiel nannte er die viel zitierten drei Worte der evangelischen Pfarrerstochter Angela Merkel: "Wir schaffen das." Zunächst als Ausdruck der Willkommenskultur und seltener Moment der Nächstenliebe gefeiert, kehrte sich die Stimmung nach und nach um, pervertierte teilweise zu Spottzitaten.
Frei und unverkrümmt
Ulm wünschte sich eine politische Zunft, die sich häufiger deutlich vernehmbar von den Grundwerten des Glaubens leiten ließe und dies auch klar artikulieren würde. Frei und unverkrümmt, ganz im Sinne des Psalms 37. Nach vorne blickend, hält es der Landrat mit Martin Luther: "Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald auf." Der Mutbürger Luther habe Wunderbares geschenkt. Die Freiheit, im Handeln und Reden auf uns selbst und im Glauben auf Gott zu vertrauen. "Wenn jeder von uns ein kleiner Mutbürger wäre, könnte die Welt eine bessere sein", meint Ulm. So mancher Rattenfänger hätte kein leichtes Spiel. Dies alles sind nur ansatzweise Gedanken einer denkwürdigen Rede von Landrat Hermann Ulm. Aufmunternde Gedanken zum Reformationsjahr, die die Zuhörer zu Stolz, aber auch Nachdenklichkeit animierten. Die altehrwürdige Dürr'sche Kanzel, auf der Ulm in der Lukaskirche seine Rede hielt, stammt aus dem Jahr 1699. Sie ist eine Stiftung seiner Ahnen. Welch glücklicher Zufall.