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Krimilesung von Tessa Korber: Leichen mit Ochsenbäckchen


Autor: Pauline Lindner

Dormitz, Donnerstag, 15. November 2018

Die aus Forchheim stammende Krimiautorin Tessa Korber las vor und nach den Mahlzeiten aus ihrem Krimi "Schweig wie ein Grab".
Tessa Korber gilt als eine der Mitbegründerinnen des fränkischen Lokalkrimis. Foto: Pauline Lindner


Wie er versicherte, geht er nicht über Leichen. Dennoch hat Dormitz Bürgermeister Holger Bezold einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass es im Gasthof Grüner Baum einen "Leichenschmaus" mit über 100 Gästen gab. Er hat das Blätterwald-Organisationsteam gebeten, mit der herbstlichen Literaturreihe auch einmal in seiner Heimatgemeinde Station zu machen. Mit großem Erfolg, wie der Zuspruch beweist.

Auch wenn Ochsenbäckchen und Kartoffelbrei der zentrale Punkt der Veranstaltung waren, bildete die Literatur den anlockenden Rahmen: Tessa Korber las vor und nach der Mahlzeit aus ihrem Krimi "Schweig wie ein Grab". Zum dritten Mal tritt die Bestatterfamilie Anders als Ermittler in dubiosen Todesfällen in Aktion.

Die Historikerin begann ihr schriftstellerisches Schaffen auf ihrem Kerngebiet. Ihre Romane wie "Die Karawanenkönigin" oder "Der Medicus der Kaiserin" sind in der byzantinischen Epoche angesiedelt und entführten die Leser in eine ferne orientalische Welt. Doch schon damals setzte sie einen Kontrapunkt mit Krimis um die Ermittlerin Jeanette Dürer. 2010 wurde Korber der Forchheimer Triton verliehen.

Viele Leichen sind garantiert

Ihr eingeräumter Hang zum Morbiden ließ die Idee entstehen, Menschen, die tagein, tagaus mit Leichen zu tun haben, in den Fokus zu rücken. Leichen waren also garantiert, ist es nun einmal die Aufgabe eines Bestatters, für einen würdigen Abschied zu sorgen und dabei die oft schrulligen Wünsche der Hinterbliebenen zu respektieren.

Eigenwillig sind auch die Anforderungen eines Karthäuserinnenklosters in der hintersten Fränkischen Schweiz. Schweigend und nahezu unsichtbar muss der Bestatter dort seinen Dienst verrichten, wenn eine der Nonnen das Zeitliche gesegnet hat. Viktor Anders und sein autistischer Cousin Tobias kommen mitten in der Nacht dorthin und finden eine noch warme männliche Leiche.

Doch nicht genug der schwarzen Gedanken. Die Familienverhältnisse der Anders sind nicht so wie man gemeinhin erwartet. Viktor Anders ist nicht der Neffe des derzeitigen Geschäftsinhabers Wolfgang, sondern dessen Sohn. Das Wissen darum quält die Ehefrau Hedwig seit langem.

Korber hat die Thematik des Umgangs mit autistischen Menschen ganz bewusst gewählt, leidet doch einer ihrer Söhne unter diesem Syndrom. Das nicht leichte Miteinander hat sie autobiografisch unter dem Titel "Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können" verarbeitet.

Existenzielle Gedanken anstoßen

Korber gilt als eine der Mitbegründerinnen des fränkischen Lokalkrimis, ein leichtes Genre, unzweifelhaft. Aber sie nutzt den Spielraum, um auch existenziellere Gedanken anzustoßen. Etliche Szenen im vorgetragenen Text machen die Gefühlssituation einer Mutter eines Menschen mit Handicap plastisch. Am markantesten sind dabei die, in denen Hedwig die aufbrechende Sexualität ihres Sohnes nicht wahrhaben will, obwohl der junge Mann ganz offensichtlich von den Brüsten seiner weiblichen Gegenüber fasziniert ist.

Die Lesung mit "Leichenschmaus" war die zweite Veranstaltung in der diesjährigen Blätterwald-Reihe, die wie die Whisky-Kostprobe in Pretzfeld kulinarische Genüsse mit Literarischem verknüpft.

Die Resonanz auf ähnlich strukturierte Abende in den vergangenen Jahren deutet daraufhin, dass so eine neue Zielgruppe angesprochen wird: Menschen, denen eine klassische Lesung wortwörtlich zu trocken ist.