Kreis Forchheim: digitaler Bürgermeister und virtueller Pionier
Autor: Petra Malbrich
Neunkirchen am Brand, Dienstag, 24. November 2020
Seine selbstgedrehten Videos über die Kommunalpolitik sind gefragt. Nun wird der Bürgermeister von Neunkirchen am Brand corona-bedingt digital zum Pionier und hält die erste vollvirtuelle Bürgerversammlung im Landkreis Forchheim ab.
Die Videos von Martin Walz haben phänomenal eingeschlagen. Nicht nur "100 Tage im Amt" oder seine Zusammenfassung über die Gemeinderatssitzung wurden angeschaut, sondern auch vor allem das Video, in dem sich der CSU-Bürgermeister aufgrund der hohen Zahl der Infizierten in seiner Gemeinde Neunkirchen am Brand sachlich und ermutigend an die Bürger wendet, erreichte mit fast 6000 Aufrufen enorm viele Menschen.
Als er dann selbst von Bürgern aus anderen Gemeinden auf seine Videos angesprochen wurde, wusste Walz, das ist der richtige Weg. "Die Informationen kommen an und erreichen auch eine ganz andere Zielgruppe", sagt Walz. Denn das Video, in dem er einen Sachstandsbericht über die Gemeinderatssitzung im Juli zusammenfasste, hätten sich auch viele junge Bürger angesehen. Nun wird Martin Walz mit einer virtuellen Bürgerversammlung am 2. Dezember die Premiere im Landkreis feiern. Ab 19 Uhr wird live aus dem Rathaus in Neunkirchen gesendet und ebenso live mit den Bürgern diskutiert. Die Zahl der Beteiligten vor Ort ist auf drei begrenzt. Anwesend sind nur der Bürgermeister und Mitarbeiter aus dem Rathaus. Die Bürger können sich per E-Mail, Telefon oder über YouTube beteiligen.
Wie eine Podiumsdiskussion
Wie eine Podiumsdiskussion im Fernsehen soll das dann aussehen. "Es geht darum, es richtig zu machen. Es ist auch etwas Neues für uns", sagt Martin Walz. Er ist damit Pionier im Landkreis. "Wir haben keine Agentur", erklärt Walz. Für die Technik und das Funktionieren sind Martin Walz und einige Mitarbeiter am Tüfteln und Ausprobieren. Walz besitzt privat eine Ausstattung auf hohem Niveau. "Der Test ist gelaufen, die Technik ist fertig, das erste Livestreaming ist getestet", informiert Walz, der damit sehr zufrieden war. Nun muss es nur noch im Rathaus funktionieren. Denn das Livestreaming fand bei ihm zu Hause in seinem Arbeitszimmer statt.
Seit 2005 im "Web-Team"
Von dort aus kümmert er sich schon seit 2005 um den Internetauftritt der Gemeinde als Ehrenamtlicher im "Web-Team". Martin Walz war für die Technik zuständig, programmierte, wo welche Links zu den Vereinen und Veranstaltungen führten, und über welche Aktionen und Aktuelles berichtet wurde. Die Berichte waren ebenfalls von ihm und den fünf weiteren Ehrenamtlichen im Team. Das Team wurde von Walz und Gemeinderat Robert Landwehr (CSU) gegründet. 2011 kamen dann die Fotos dazu. Martin Walz, der auch in dieser Hinsicht bestens ausgestattet ist, fotografierte an den Veranstaltungen und bereicherte die Internetauftritte mit Fotos. "Mit Videos hatte ich mich zurückgehalten", sagt Walz. Doch diese Art der Informationsübertragung nutzte er dann im Wahlkampf und nach seinem Einzug als Bürgermeister ins Rathaus. So entstanden seine drei Videos, die er auf seinem privaten Kanal ausstrahlte. Bei der Zeitplanung sämtlicher Termine entstand dann die Idee der teilvirtuellen Bürgerversammlung. Doch wegen der Corona-Infektionen wurden die Bürgerversammlungen abgesagt. Martin Walz wird nun in die vollvirtuelle Bürgerversammlung einsteigen. Der Link dazu wird auf die Homepage gestellt. Dann ist man schon fast live dabei.
Die zweite Welle
Weil die zweite Welle eigentlich zu erwarten war, hat Ebermannstadts Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE) ihre Bürgerversammlungen bereits im Oktober gehalten. Forchheims Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) will sie im Frühjahr nachholen. Künftig auch live aus dem Gemeinderat zu senden, lehnt Martin Walz hingegen ab. Abgesehen davon, dass Bürgermeister und Gemeinderäte vor Ort anwesend sein müssen, ist das Thema Datenschutz eine große Hürde. "Nicht jeder will im Video zu sehen sein", erklärt Walz. Auch in Ebermannstadt sind keine Liveübetragungen aus den Sitzungen geplant. Schon jetzt koste eine Stadtratssitzung unter Corona-Bedingungen 1000 Euro. "Wir brauchen Mikrofontechnik", erklärt Meyer, denn die Sitzungen finden in großen Sälen statt.
Virtuelle Sprechstunden
Allerdings hält Christiane Meyer auch virtuelle Bürgersprechstunden ab, auf der Plattform Zoom, wenn möglich, um den Bürger zu sehen. "Diese Gespräche werden mehr", betont die Ebermannstadter Bürgermeisterin. Einmal hatte sich Landrat Hermann Ulm (CSU) live an die Bürger gewendet. Doch die wenigsten Themen beträfen die Bürger direkt, erklärt Pressesprecher Holger Strehl. "Es ist noch Zukunftsmusik, aber in Bearbeitung", sagt Britta Kurth, die Pressesprecherin der Stadt Forchheim. Denn für eine Liveübertragung müssten auch die Richtlinien geändert werden. Das werde Thema im Stadtrat sein. Wenn dann Richtlinien, Raum und Technik passen, könne aus der Sitzung übertragen werden. Wer ins Bild möchte, spricht von einem Rednerpult aus. Nur virtuelle Gemeinderatssitzungen zu halten, ist gesetzlich nicht möglich. "Da wäre der Gesetzgeber gefragt", sagt Kurth.