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Kleine Kläranlagen oder eine für alle?


Autor: Josef Hofbauer

Wüstenstein, Donnerstag, 25. Juni 2015

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens in Wüstenstein brauchen mindestens 399 Ja-Stimmen.
Am Sonntag stimmen die Bürger im Markt Wiesenttal über die Wasserentsorgung in Wüstenstein ab.  Foto: Josef Hofbauer


Am Ortseingang von Wüstenstein, von Gößmannsberg kommend, und am Ortsausgang in Richtung Siegritzberg führen die Gegner des Bürgerbegehrens in Sachen Kanalisation den Wahlberechtigten die Alternativen in Bettlaken-Größe vor Augen. Ihr Fazit: "Nein" zum Bürgerentscheid, "Ja" zu einer zentralen Kläranlage. Nur sie werde bezuschusst, argumentiert auch Bürgermeister Helmut Taut (FW).

Zur Wahl aufgerufen sind 1991 Bürger des Marktes Wiesenttal. Sie müssen sich zwischen einer zentralen Kläranlage, wie sie die Gemeinde geplant hat und einer Reihe von Kleinkläranlagen entscheiden.
Damit der Bürgerentscheid erfolgreich ist, müssen sich mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten für Kleinkläranlagen entscheiden. "Die Initiatoren des Bürgerbegehrens brauchen mindestens 399 Ja-Stimmen, damit es erfolgreich ist", erklärt Geschäftsstellenleiter Wolfgang Borchert. Gehen mehr als 20 Prozent der Wiesent taler zur Wahl, entscheidet die einfache Mehrheit. Eine Stimme mehr als die Gegenseite reicht.

"Bekommen die Initiatoren des Bürgerentscheids mehr Ja- als Nein-Stimmen würde dies bedeuten, dass wir unsere Planung einstampfen können", erklärt Wolfgang Borchert. Dann müsse die Gemeinde den Kanal auf eigene Kosten bauen, denn seit vergangenem Jahr gebe es keine Fördermittel mehr für die Sanierung eines maroden Kanales. Auch für Kleinkläranlagen, wie sie von den Initiatoren des Bürgerentscheides favorisiert würden, gebe es keinerlei Zuschüsse.

Deshalb wettert Bürgermeister Helmut Taut: "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Zeitpunkt dieses Bürgerbegehrens den Mandatsträgern und der Ortsbevölkerung gegenüber nicht fair ist."
Der Hintergrund: Die Zeit drängt, weil die Gemeinde bis Ende 2017 das Bauvorhaben Kanalisation abgerechnet haben muss. Deshalb hofft Taut, dass sich eine Mehrheit für die zentrale Kläranlage ausspricht: "Wir dürfen keine Zeit verlieren." Scheitert der Bürgerentscheid, soll umgehend mit dem Bau der Kläranlage begonnen werden. JH


PRO

Relation stimmt nicht

In Wüstenstein ist bereits seit rund 20 Jahren klar, dass die Ortskanalisation marode ist. Schon damals haben die Wüstensteiner Bürger die Erneuerung des Kanals gefordert. Weil die Mehrheiten des Marktgemeinderates und der Bevölkerung für den Bau einer zentralen Kläranlage sind und weil die Kanäle unbedingt erneuert werden müssen, gibt es keine wirtschaftlich sinnvolle, und vor allem keine bezahlbare Alternative zu diesem Projekt. Der Markt hat im Spagat zwischen Behördenanforderungen und Bürgernähe die für alle günstigste Variante ausgearbeitet. Ein besonderer Dank gilt hier den beteiligten Behörden, die große Geduld bewiesen und den Markt Wiesenttal fachlich unterstützt haben. Die Beschlüsse wurden in den vergangenen zwei Wahlperioden von der Mehrzahl der Markträte mit jeweils einer Gegenstimme gefasst. Bislang sind bereits über 200 000 Euro an Planungskosten für die Kläranlage Wüstenstein aufgelaufen. Sollte der Bürgerentscheid zu Gunsten von Kleinkläranlagen ausgehen, sind diese Kosten vergeblich aufgewendet und müssen von allen Wiesenttaler Bürgern gemeinsam getragen werden.

Die in Wüstenstein geplante Kläranlage wird im gleichen Bautyp ausgeführt wie Kleinkläranlagen. Es soll ein sequentieller Batch Reaktor (SBR) gebaut werden, bei dem das Abwasser zwischen verschiedenen Kammern umgepumpt wird. Nur wird in den professionellen Anlagen nicht alles in einem Behälter gereinigt. Dafür werden drei Betonbehälter mit drei bis fünf Meter Durchmesser benötigt. Diese Behälter werden auf dem bestehenden Weg errichtet; nur ein kleiner Zipfel des umliegenden Geländes ragt in das Fauna Flora Habitat Gebiet (FFH). Im Überschwemmungsfall würden auf einer Länge von 300 Metern bis zum unteren Ortsteil ausgedehnte Wiesenflächen als Retentionsraum für die Aufseß zur Verfügung stehen. Der Hauptvorteil der Gemeinschaftsanlage liegt in einer sehr gleichmäßigen Beschickung, wodurch eine bessere Arbeitsqualität erzielt wird, wie bei einzelnen kleinen Anlagen. Der Stauraumkanal ist darüber hinaus so konzipiert, dass bei Starkregen keine Schmutzfracht in die Aufseß läuft. Nur bei gefülltem Kanal gelangt ankommendes relativ sauberes Oberflächenwasser in die Aufseß. Wird die Anlage bis Ende 2017 gebaut und abgerechnet, ist der Zuschuss von gut einer Million Euro gesichert. Davon kommen der Bevölkerung rund 800 000 Euro für den Bau des Kanalsystems zu Gute. Diese 800 000 Euro müssten die Wüstensteiner selbst bezahlen, zusätzlich zu den Kosten, die sie für die Kleinkläranlagen aufwenden müssen. Das wären 10 000 Euro Mehrkosten pro Haushalt.
Wenn im Schnitt für die Wartung der Kleinkläranlagen nur zwei Mal im Jahr 300 Euro bezahlt werden, so sind das für die 80 Wüstensteiner Anwesen 48 000 Euro pro Jahr. Dafür kann man fast zwei Gemeinschaftsanlagen betreiben. Daher ist es wichtig, dass möglichst viele Bürger am Sonntag ihre Stimme abgeben. Mit einem "Nein" zu diesem Bürgerentscheid helfen sie, ihre Heimat ein Stück nach vorne zu bringen.