Junge Knackis der JVA Ebrach schreiben über ihr Leben
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Freitag, 05. Dezember 2014
Junge Strafgefangene können sich in der JVA Ebrach jene Freiheit und Selbständigkeit erschreiben, die ihnen der Gefängnisalltag vorenthält. In Forchheim wurden ihre Texte jetzt vorgetragen.
Der Autor schreibt über seine Augen, die rot vor Müdigkeit sind vor der Intensität, mit der er sein Leben führt. Vorgelesen wird der Text von Hanne Mausfeld in der Forchheimer Stadtbücherei. Der Autor selbst ist um die 20 Jahre alt und muss eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßen.
Hanne Mausfeld arbeitet ihrerseits seit 2006 in der Schreibwerkstatt der Justizvollzugsanstalt Ebrach. Seit dreieinhalb Jahren hat sie den Gefängnisseelsorger Hans Lyer und den Autor Rolf-Bernd Essig als Mitstreiter zur Seite und kann zudem auf einige studentische Helfer zurückgreifen.
Ein Traum von Freiheit
Essig, Lyer und Mausfeld haben bislang drei Bücher mit Texten junger Strafgefangener initiiert und daraus in öffentlichen Lesungen vor. "Ein Traum von Freiheit" heißt der dritte Band.
Von den Gefängnisinsassen kommt keiner mit zu den Lesungen.
Er kennt seine Pappenheimer. Darum weiß er auch, was er am nächsten Tag gefragt werden wird. "Für die Jungs ist es wichtig zu erfahren: Wie denken die da draußen über uns?", erklärt er den Zuhörern.
Hohe Qualität
Das Publikum ist in der Regel erstaunt sind über die Qualität der Texte. Lyer nennt das Beispiel eines Insassen, der im Knast das Abitur gemacht hat, und eines anderen, der einen philosophischen Roman über Nietzsche schreiben will.
"Das ist keine Betroffenheitsveranstaltung", warnt Essig. Und auch die veröffentlichten Texte behandeln keineswegs nur die Gefängnissituation, die eigenen Lebensperspektiven oder die Frage nach Schuld und Vergebung. Poetische Märchen sind dabei und ganz heitere Geschichten. Wie die von einem Gulasch-Verkäufer auf einem Markt in Bangkok. Sie ist so lebhaft und amüsant geschrieben, dass Essig und Mausfeld sie im Dialog vortragen.
Strenge Vorgaben
Der Text ist als Reizwort-Geschichte entstanden. Jeder in der Schreibwerkstatt gab ein Wort vor, das im Text vorkommen musste. Etwa 40 Minuten haben die derzeit neun gefangenen Teilnehmer anschließend Zeit, ihre Ideen niederzuschreiben.
Ob mit solchen strengen Vorgaben oder mit anderen Impulsen oder ganz frei, das entscheidet die Gruppe selbst. In der Zelle schreibt kaum jemand weiter, weiß Lyer. Denn dort kann jederzeit ein Aufseher das Geschriebene lesen. Keine schöne Vorstellung. Im Gefängnis ist alles reglementiert. "Das ist auch eine Art Entmündigung. Es fehlt der Raum, dass jemand etwas für sich auf die Reihe bekommen kann", beschreibt Lyer die Situation im Gefängnis. Umso mehr versteht er die Schreibwerkstatt als einen Ort, "Freiheit zu erfahren". Einer der Besucher ist bei der Lesung auch Forchheims Jugendrichter Philipp Förtsch.
Auch für ihn enthielt die Lesung viele neue Aspekte. Er räumt dem Schreibprozess einen hohen Stellwert zu bei der Resozialisierung. Und dies gilt mithin als das Hauptziel der Jugendstrafen. "Karl May ist dafür ein gutes Beispiel", sagt Essig. Der große Abenteuer-Schriftsteller May unterm Strich acht Jahre lang im Gefängnis wegen Diebstählen und Hochstapelei.
"Erst das Schreiben gab ihm eine Möglichkeit, seine Fantasien auszuleben und so ein straffreies Leben zu führen", sagt Essig.