Jugendamt entmündigt Mutter
Autor: Josef Hofbauer
Igensdorf, Mittwoch, 20. März 2019
Die Mitarbeiter der Behörde sind überzeugt, dass die Mutter mit der Erziehung ihres Kindes überfordert ist. Die 41-Jährige wehrt sich bislang vergeblich.
Jeden Tag quält Doris D. die gleiche Sorge. Vertreter des Jugendamtes, der Polizei und ein Arzt tauchen auf und nehmen ihren Sohn mit. Gegen den Willen von Mutter und Kind. "Wahrscheinlich wird sich Leo auf den Boden werfen, schreien und um sich schlagen. Dann wird er womöglich mit einer Spritze ruhig gestellt", schildert Doris das Horror-Szenario, das sie befürchtet und das jederzeit Wirklichkeit werden könnte.
Das Amtsgericht Forchheim hat nämlich am 8. Januar die Unterbringung und Begutachtung des Elfjährigen im Bezirkskrankenhaus Bayreuth angeordnet und gleichzeitig der Mutter (41) das Erziehungsrecht entzogen. Die Begründung: Gefährdung des Kindeswohles. Ohne Maßnahmen des Familiengerichtes sei eine erhebliche Schädigung des Kindes vorauszusehen. Die Mutter sei nach Überzeugung des Gerichtes nicht in der Lage, die bestehende Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden.
Atteste werden ignoriert
"Quatsch", findet Doris, die es heute als großen Fehler bezeichnet, dass sie sich 2017 um Hilfe an das Jugendamt gewandt hatte. "Ich hatte auf Unterstützung gehofft, doch stattdessen wird mir vom Jugendamt ein Münchhausen-Syndrom unterstellt. Ich sei die Ursache am auffälligen Verhalten des Kindes", klagt die Mutter.
Belege, etwa eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. Christoph Meixner, Facharzt für Kinder und Jugendpsychiatrie in Fürth, die ein Asperger-Syndrom, Zwangshandlungen, eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung sowie eine emotionale Störung mit Trennungsangst bei Leo belegt, würden vom Jugendamt schlichtweg ignoriert.
Ebenso wenig Bedeutung messen Jugendamt und Gericht einem fachärztlichen Attest von Dr. Ute Krieter von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Gilching bei. Darin heißt es, es zeigten sich bei Leo "deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung im Sinne einer Autismus-Spektrum-Störung". Für das empfohlene wochenlange vollstationäre Setting, das zur Abklärung der Diagnose notwendig sei, mahnt Krieter die Begleitung einer Bezugsperson (Mutter) an: "Kinder mit Autismus-Störungen benötigen regelmäßig Moderation durch vertraute Bezugspersonen. Für sie sind räumliche und personenbezogene Veränderungen stark verunsichernd, so dass eine angstvoll abgelehnte stationäre Aufnahme des Jungen prognostisch ungünstig eingeschätzt werden muss", heißt es in dem Gutachten vom 7. Februar dieses Jahres.
Nur in einem Punkt stimmt Doris mit den Mitarbeitern des Forchheimer Jugendamtes überein: Leo braucht eine weitere Diagnostik und eine anschließende Behandlung! Aber nur in Begleitung. Deshalb hatte sich Doris umgetan und für 13. März einen Aufnahmetermin bei Professor Voigt am Kinderzentrum München vereinbart, eine Einrichtung, die spezialisiert ist auf die Diagnostik und Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen. "Obwohl es sich bei dieser Einrichtung um eines der führenden Zentren zur Feststellung von Autismus-Spektrum Störungen handelt, wurde uns vom Jugendamt ein Aufenthalt dort verweigert", klagt die Mutter des Kindes. Auch in dem Schreiben dieser Einrichtung wird darauf verwiesen, dass für Personen mit Verdacht auf Autismus-Störungen die Hauptbezugsperson unerlässlich sei.
Für das Amtsgericht Forchheim und das Oberlandesgericht Bamberg, das über eine Beschwerde der Mutter zu befinden hatte, ist der Aufenthalt in dieser Einrichtung "nicht zielführend". Stattdessen wird Doris D. Klinik-Hopping unterstellt. Außerdem hat das Amtsgericht ein psychiatrisches Gutachten, die Kindesmutter betreffend, in Auftrag gegeben. Doris hatte sich nämlich der Entziehung der elterlichen Sorge durch das Jugendamt widersetzt, wollte die Entmündigung nicht einfach so hinnehmen.