Jedes Kreuz am Straßenrand steht für ein Schicksal
Autor: Andreas Oswald
Forchheim, Donnerstag, 14. August 2014
Im Landkreis Forchheim stehen sie zahlreich an den Straßen: Die Kreuze, die an bei Verkehrsunfällen Verstorbene erinnern sollen. Als stumme Mahnmale am Straßenrand sollen sie Verkehrsteilnehmer zur Vorsicht hinterm Steuer anhalten.
"Ein lebensgefährlich Verletzter, ein Schwerverletzter, drei Leichtverletzte und 10.000 Euro Sachschaden sind die Bilanz eines schweren Verkehrsunfalles am frühen Samstagmorgen auf der Staatsstraße zwischen Pretzfeld und Ebermannstadt". Hinter diesen Zeilen aus der Pressemeldung vom "Kirschbaum-Unfall", der sich im Juli 2005 ereignete, stecken fünf Einzelschicksale von jungen Leuten zwischen 15 und 27 Jahren.
Mit den ganzen schockierenden Einzelheiten dieses Unfalls versucht die Polizeiinspektion Ebermannstadt, unter Federführung von Hauptkommissar Werner Götz, beim Aktionstag "Disco-Fieber" Jugendliche für die Gefahren des Straßenverkehrs zu sensibilisieren. Dabei lenkt Schulamts-Fachberater Holger Lehnard den Blick auf "die stillen Zeugen": Die Kreuze am Straßenrand.
Leid, Verzweiflung, Hilflosigkeit
Wenn der Asphalt gereinigt ist, von Scherben, Blech und Blut - was bleibt danach am Unfallort? Jedes Kreuz symbolisiere: "Du fehlst", ruft Holger Lehnard ins Bewusstsein - so auch der Titel eines Präventionsfilms. Er macht deutlich, was hinter jedem Kreuz steht - das Leid, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit.
Wenn Holger Lehnard von dem stillen Zeugen jenes Unfalles berichtet, der sich vor 16 Jahren auf der B 470 zwischen Reuth und Weilersbach ereignete, dann weiß er wovon er spricht. "Manuel, geboren 1973, gestorben 1998", erzählt das Kreuz am Straßenrand. Holger Lehnard kann mehr erzählen: "Den Manu, den kannte ich noch als Baby - ich war mit den Eltern sehr gut befreundet". Manuel habe die Eltern noch angerufen, er werde vom Studium mit dem Motorrad nach Hause fahren. "Doch angekommen ist er nie - dort wo jetzt das Kreuz steht, ist er mit seiner Maschine frontal gegen ein Auto geprallt - tot!" Die Angehörigen pflegen das Kreuz bis heute. Unweit davon steht ein anderes. Zwei von vielen stummen Zeugnissen am Straßenrand im Landkreis.
Notfallseelsorge steht parat
Mit dem Leid, das hinter solchen Kreuzen steht, wird Ulrike Werner immer wieder konfrontiert. Als evangelische Pfarrerin in Streitberg gehört sie zu einem Team von rund 15 Notfallseelsorgern im Landkreis. Vor zwölf Jahren hatte sie die Ausbildung dazu absolviert, denn: "Es gibt immer wieder Schicksalsschläge, die einer akuten Seelsorge bedürfen", erklärt sie.
So wie im Mai vor einigen Jahren, als zwei junge Männer mit dem Motorrad in den erwachenden Frühling starteten und jäh durch einen Sturz umkamen. Beim Überbringen der Todesnachricht durch die Polizei ist sie dabei: "Aufgabe der Seelsorge ist es, die Betroffenen aufzufangen", erklärt sie. Ein ganz emotional-persönlicher Augenblick. "Ich gebe den Menschen meine ganze Nähe, ohne selbst den Halt zu verlieren . Ich muss ein Stück weit Fels in der Brandung sein", sagt die Notfallseelsorgerin. "Weiche Knie hab' ich meistens erst, wenn ich nach Hause komme. Dann merkt man, dass man ausgebrannt ist - leer!"