Druckartikel: Jedes Haus in Forchheim birgt seine Schicksale

Jedes Haus in Forchheim birgt seine Schicksale


Autor: Elisabeth Görner

Forchheim, Dienstag, 26. Mai 2015

Bei der vorerst letzten Ausgabe der "Forchheimer Hausgeschichten" geht es weniger um architektonische Besonderheiten als um die Bewohner. Einer ihrer Nachfahren bereicherte den Abend mit seiner Anwesenheit.
So sah das Forchheimer Fachwerkbau Krottental 3 in den 1890ern aus.   Repros: Reinhold Glas


Die "Altstadtfreunde" hatten zum letzten Frühjahrsvortrag in der Reihe "Forchheimer Hausgeschichten" wieder in den Gewölbekeller der Kaiserpfalz geladen.

Zum ersten Mal standen gleich zwei Objekte auf dem Plan: der Fachwerkbau Krottental 3 und das Bürger- und Handwerkerhaus Wiesentstraße 19. Ingrid Winklmann beschrieb die Ergebnisse ihrer Arbeit als Bauforscherin - auch und gerade mit den Augen einer Kunsthistorikerin und Restauratorin. Der Häuserforscher Reinhold Glas erläuterte die sowohl im Forchheimer Stadt- wie im Pfarrarchiv belegte Geschichte der Gebäude, speziell ihre Funktion und wann wessen Eigentum diese Gebäude waren.

Auffällig schön

Für das Haus im Krottental zog Reinhold Glas auch die Schriftgutsammlung von Adam Friedrich Ditterich heran, die dessen Erben 1950 an den historischen Verein Bamberg verkauft haben und die nun im Stadtarchiv Bamberg einsehbar ist.

A.F. Ditterich war wohl berühmteste Bewohner und Eigentümer. Der auch als Maler und Leiter der städtischen Zeichenschule bekannte Magistratsrat ist 1794 im Krottental Nr. 3 geboren worden. Er hat das Haus 1830 von seinem Vater geerbt und lebte bis zu seinem Tod 1881 in dem auch heute noch auffällig schönen Fachwerkbau.
Ingrid Winklmann betonte die Gleichmäßigkeit des Fachwerks genauso wie die der Wohnraum-Aufteilung im Inneren. Dies spreche dafür, dass das Haus schon seit 1709 wahrscheinlich ein Mietshaus war.

Ein gewisser Georg Unrein, der aus einem kleinen Ort bei Lichtenfels stammte, hatte eine Forchheimerin geheiratet. Er wurde ein cleverer Steuerschreiber der Stadt und ab 1711 einer der damals vier Bürgermeister von Forchheim. Er kaufte 1687 das Vorgängerhaus, das ein Lehen des Gotteshauses St. Martin gewesen war.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ließ Unrein dann an derselben Stelle ein neues bauen, obwohl er in der Sattlertorstraße schon ein großes Haus besaß. Dass er also mit dem zusätzlichen Gebäude Mieten einziehen wollte, erscheint logisch.

Fassade aus Sandstein

Die fünf nebeneinander angeordneten Fenster im oberen Stock der Frontseite des Krottental-Hauses und die vier unten mit der Eingangstür in der Mitte scheinen ebenfalls Beleg für Mietwohnungen zu sein: Die Fachleute sprechen in solchen Fällen von Fünfachsigkeit eines Gebäudes.

Zwischen 1747 und 1787 war der Schneidermeister Hans Wolfgang Rädlein Eigentümer des Hauses; er hat ein wertvolles Büchlein hinterlassen, in dem er von seiner Wanderschaft und von vielen Details der damaligen Zeit erzählt. Die Tochter dieses Schneiders hat einen Buckenhofener Brauer geheiratet, was zumindest indirekt schon auf das andere Haus überleitet, das von den Referenten an diesem Abend unter die Lupe genommen worden ist: heute Wiesentstraße 19, ein Bürger- und Handwerkerhaus, seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit Sandsteinfassade.

Errichtet wurde das von der Straße sichtbare Vorderhaus schon 1545, ein dazu gehörendes Rückgebäude stammt von 1704. Ingrid Winklmann wies auf das "spannendere" Obergeschoss hin und auf eine beheizbare Stube mit einer aufwändig gearbeiteten Balken-Bohlen-Decke und mit einer ungewöhnlichen Türkonstruktion.
Der größere Raum zur Straße hin war damals normalerweise die Stube, der dahinter liegende kleinere die so genannte Kammer; hier waren die Verhältnisse - wenn auch aus bisher ungeklärten Gründen - offenbar umgekehrt.

Die sechste Generation

Die heutige Wiesentstraße zwischen Spitalbrücke und Hundsbrücke war nach einem Dekret des Bamberger Bischofs die "Judengasse", da sich nach dem 30-jährigen Krieg einige Juden dort niedergelassen hatten.
1556 übernahm der Rotgerbermeister Pankraz Hoffmann das Haus, und noch fünf weitere Generationen arbeiteten hier als Gerber, die mit einer Lohe aus Fichte und Eiche Häute von großen Tieren zu Leder machten.
Brauer lösten später als Eigentümer des Hauses die Rotgerber ab: 1764 heiratete Franz Heben-danz die Tochter eines Hoffmann der sechsten Generation. Er richtete eine Schankstätte ein und obwohl er selbst gar nicht Jude war, hieß das Wirtshaus wegen seiner Lage in der Judengasse: "Zum Judenwirt".

Häute und Felle

Erst 1874 wurde tatsächlich ein jüdischer Kaufmann namens Josef Prager Eigentümer des besagten Anwesens, der es jedoch bald wegen Insolvenz wieder an den Sohn des letzten Hebendanz für kurze Zeit abtreten musste. 1918 erwarb erneut ein Jude das Haus, um dort mit Häuten und Fellen zu handeln: Es war Josef Anker, der seine Firma und das Haus später an seinen Neffen Jakob Krieg - katholisch, aber Sohn einer geborenen Jüdin - weitergab.

Langjährige Forchheimer haben das Bürger- und Handwerkerhaus aus dem 16. Jahrhundert auch noch als Fahrrad-Laden der Firma Fees gekannt, nachdem die Erben Krieg es 1962 verkauft hatten. Als Mieter nutzten es später eine Zeitlang auch ein Antiquitätenhändler.

Es war interessant und auch bewegend, dass der 1950 noch in der Wiesentstraße Nr. 19 geborene Wolfgang Schmidt anwesend war. Der Mädchenname seiner Mutter war Krieg und auf dem jüdischen Friedhof in Baiersdorf besucht Schmidt auch immer wieder einmal die Grabstätten von Josef, Jette und Moses Anker.

So sagte denn auch einer der Altstadtfreunde, Georg Brütting, zum Abschluss selber überrascht: "Wir alle konnten nicht nur wie sonst viel über Holz und Steine erfahren. Es ging dieses Mal auch die Bewohner mit ihren zum Teil tragischen Lebensgeschichten. "