Interview von 1995 - Anthony Quinn drehte damals auf Schloss Thurn
Autor: Michael Schulbert
Thurn, Samstag, 18. April 2015
Im Sommer 1995 drehte Oscarpreisträger Anthony Quinn, damals 80 Jahre alt, auf Schloss Thurn im Landkreis Forchheim den Film "Seven Servants". Redakteur Michael Schulbert traf den Weltstar damals zum Interview.
Mister Quinn, Sie werden als bester Charakterdarsteller des Jahrhunderts bezeichnet. Gibt es noch irgendeine Rolle, die Sie herausfordern würde?
Anthony Quinn: Oh ja. Don Quichotte - ihn zu spielen wäre eine große Herausforderung. Picasso wäre ein wundervoller Charakter, den ich spielen möchte, bevor ich sterbe. Und Tostoj, der große russische Schriftsteller. Ich habe ein Skript über ihn, das ich als nächstes realisieren möchte.
Könnten Sie sich vorstellen, in einem Film über die deutsche Geschichte die Rolle von Bundeskanzler Helmut Kohl zu übernehmen?
Ich denke, Kanzler Kohl ist nicht ganz der Typ, der mir entspricht. Doch ich würde gern einen Mann wie ihn spielen - einen großen Staatsmann. Ich liebe Deutschland und es wäre ein guter Grund für mich, hier zu drehen.
Stört es Sie eigentlich, dass Sie hier in Europa immer als Alexis Sorbas oder "Der große Grieche" betrachtet werden?
Ich glaube nicht, dass man das tut. Ich bin überzeugt, die meisten Europäer haben "La Strada" gesehen, ebenso wie "In den Schuhen des Fischers", "Viva Zapata", "Ein Leben voller Leidenschaft" - einige meiner besten Filme. Es ist ein Klischee, dass man ständig denkt, ich würde nur als Alexis Sorbas anerkannt.
Und in welcher Rolle möchten Sie persönlich am liebsten gesehen werden?
Vielleicht als Bildhauer. Ich mache dies, seit ich zwölf Jahre alt war. Ich habe mein erstes Geld als Maler übrigens mit 70 verdient. Ich möchte ein gewisses Level als Maler erreichen und ich möchte gern als Bildhauer anerkannt werden. Ich glaube, als Bildhauer ist man unsterblicher als als Schauspieler.
Kommen wir zum Thema Erziehung. Ihre älteste Tochter ist 54, die jüngste drei Jahre alt. Was ist heute an der Erziehung anders als damals?
Ich finde, in der ganzen Welt ist die Erziehung sehr schlecht. Kindern wird nicht erlaubt, ihr eigenes Leben zu leben. Sie müssen sich nach den Vorstellungen der anderen richten. Das finde ich nicht richtig. Zum Beispiel: Meine Kleine hat das wunderbare Talent zu malen. Ich würde sie aber nie auf eine Schule für Malerei schicken. Dort würde man ihr nur beibringen, in Klischees zu malen. Und ich möchte, dass sich meine Tochter frei und ohne Klischees ausdrücken kann. Nicht das, was andere denken, soll ihr Leben bestimmen.
Haben Sie je daran gedacht, sich in den Ruhestand zurückzuziehen?
Denken, essen, arbeiten - das alles sind wundervolle Erfahrungen. Ich habe lange gelebt, ich sehe das Leben mit anderen Augen. Ich lebe, um zu arbeiten. Ich liebe zu arbeiten. Ich male, bildhauere, schreibe - arbeiten heißt für mich leben.
Welche menschliche Eigenschaft mögen Sie nicht?
Überheblichkeit - nur weil jemand mich getroffen hat oder mich kennt. Dabei kennen sie nur eine Seite von mir, sehen nicht tiefer. Ich möchte mein Leben nicht rechtfertigen vor anderen. Nur vor mir selbst. Durch das Buch, das ich geschrieben habe (Anmerkung der Redaktion: Die Biografie "One Man Tango"), habe ich mich befreit von den Dingen, die mich ärgern. Nein, ich mag keine Überheblichkeit.
Was haben Sie mit Ihren beiden Oscars gemacht?
Ich habe viele Preise bekommen: den Cecil B. DeMille-Award, den Life Achievment Award in Großbritannien, Preise von Festivals in Los Angeles, New York, San Sebastian - sie sind alle gleich. Der Oscar ist nicht wichtiger als der Rudolph-Valentino-Preis. Ich glaube sogar, der Valentino-Preis ist wichtiger, weil er aus echtem Gold gemacht ist. Den hätten einige bestimmt viel lieber als den Oscar. Ich bin nicht dafür, dass ein Schauspieler den Preis als Bester des Jahres erhält. Jeder der fünf Nominierten sollte einen Preis gewinnen. Ich halte nichts davon, einen einzelnen auszuwählen. Ich war nominiert für "Alexis Sorbas", der 950 000 Dollar kostete. Gewonnen hat der, dessen Film 15 Millionen Dollar kostete.