Druckartikel: In Indien zählen die Pfarrer mehr als hier

In Indien zählen die Pfarrer mehr als hier


Autor: Dorothea Weiler

Baiersdorf, Samstag, 25. August 2012

Seit 25 Jahren bereichern indische Priester das Erzbistum Bamberg. An einige Aspekte des Gemeindelebens haben sie sich nur langsam gewöhnen können.
Die  indischen Pfarrer, die im Erzbistum Bamberg  arbeiten. Foto: Dorothea Weiler


Sie setzen ein leuchtendes Zeichen und zeigen, dass der Begriff der Weltkirche tatsächlich mit Leben gefüllt werden kann. 25 Jahre gibt es nun schon die Verbindung zwischen dem Erzbistum Bamberg und der Erzdiözese Changanacherry im indischen Bundesstaat Kerala. Indische Theologen und Schwestern arbeiten dabei im Erzbistum Bamberg. Im Gegenzug fördert das Bamberger Erzbistum die Mission in Indien.
Derzeit tragen zwölf Priester - in all den Jahren sind es 23 gewesen - aus der Erzdiözese Changanacherry und über 100 Ordensschwestern aus Indien zum aktiven Gemeindeleben in der Erzdiözese Bamberg ihren Teil bei.
Einer der engagierten Pfarrer ist Mathew Kiliroor. Um das 25. Jubiläum zu feiern, rief der Pfarrer von Baiersdorf Priester und Schwestern in der Kirche St. Josef zusammen, die im Erzbistum Bamberg tätig sind.
Der Gottesdienst wurde in dem von den indischen Thomaschristen praktizierten syro-malabarischen Ritus in deutscher Sprache gefeiert und von den indischsprachigen Gesängen der Priester und Schwestern begleitet. Kiliroor und sein Mitbruder James Karikampally, mit dem er einst gemeinsam an der theologischen Fakultät im belgischen Leuven studiert hatte, übernahmen vor 25 Jahren die ersten beiden festen Pfarrstellen im Erzbistum Bamberg. Zuvor hatten sie sich durch Sprachunterricht sowie Kranken- und Urlaubsvertretungen für Priester im Erzbistum Bamberg schon mehrere Jahre lang mit der deutschen Kultur und der Arbeit in den Gemeinden vertraut gemacht.
Mit 13 Vertretungen ist Kiliroor viel im Erzbistum herum gekommen: beginnend in Hochstall, bevor er sich zunächst in der Pfarrei St. Martin in Troschenreuth, später in St. Josef Baiersdorf als Gemeindepfarrer niedergelassen hat.

Mit viel Fingerspitzengefühl


Karikampally dagegen begann damals seinen Dienst in Willersdorf. "Wir sind Pioniere gewesen", sagt Kiliroor heute. Denn die Möglichkeit, indische Weltpriester in Deutschland einzustellen, habe es zuvor in keiner anderen deutschen Diözese gegeben. Nur Ordensgemeinschaften hätten bis dahin solche Kontakte hergestellt.
Seine Doktorarbeit an der theologischen Fakultät in Leuven hat ihm damals die nötige Flexibilität verschafft, um auf Abruf jederzeit Pfarrstellen vertretungsweise ausfüllen zu können. Daraus habe sich dann allmählich die Einstellung indischer Priester zur festen Institution im Erzbistum Bamberg entwickelt.
Natürlich habe es damals viel Fingerspitzengefühl gekostet, um die Verbindung zwischen Oberfranken und Indien in die richtigen Bahnen zu lenken. Da habe erst einmal geklärt werden müssen, von wem überhaupt der erste Schritt ausgehen sollte. Das jeweilige Eingeständnis, auf der einen Seite Hilfe im priesterlichen Dienst, auf der anderen finanzielle Unterstützung für die Mission zu benötigen, sei beiden Seiten nicht leicht gefallen.
Von einem Professor der Universität Bayreuth ist Kiliroor damals gefragt worden: "Wie kannst Du Dir Dein Leben so versauen?" Für den stellt sich diese Frage so aber gar nicht: Aus dem starken Bedürfnis heraus, die Mission seiner Heimatdiözese zu unterstützen, hat er sogar das für einen indischen Absolventen damals noch einzigartige Angebot, eine Assistentenstelle an der theologischen Fakultät der Universität in Leuven anzutreten, ausgeschlagen.
Sogar ein Drittel ihres eigenen Gehalts sind Kiliroor und seine Mitbrüder bereit, für die Missionsarbeit in Changanacherry zu geben. Schließlich, so begründet Kiliroor diese Selbsteinschränkung, müsse er sich täglich auch vor sich selbst rechtfertigen können: "Warum tust Du das?"
Aus einer zunächst auf ein Jahr befristeten Pfarrstelle in Deutschland ist inzwischen eine dauerhafte seelsorgerische Funktion geworden. Nicht nur für die Gemeinde, sondern auch für die Priester und Schwestern aus Changanacherry im ganzen Erzbistum Bamberg.
Alle indischen Priester aus Changanacherry, die in das Erzbistum Bamberg kommen, durchlaufen zunächst eine bis zu fünfmonatige Schulungsphase in der Pfarrei von Kiliroor. Dabei geht es nicht nur um eine Einführung in organisatorische und lebenspraktische Themen, sondern auch darum, mit einem Kultur- und nicht selten sogar Glaubensschock fertig zu werden. Denn in Deutschland ist das Priesterbild ein anderes als in Indien. Bekommt der Priester laut Kiliroor in Indien auf Grund seiner Weihe einen Autoritäts- und Vertrauensvorschuss durch die Gemeinde, so müsse er sich das Vertrauen in Deutschland erst erarbeiten und bei Null anfangen, vergleicht Kiliroor.

"Ein anderes Gefühl"


Auch damit, dass der Priester nicht automatisch wie in Indien den Pfarrgemeinderatsvorsitz inne hat oder dass im Ordinariat viele Leitungsfunktionen von Laien eingenommen würden, müssen die indischen Priester akzeptieren. "Der Gottesdienst ist immer das Opfer Christi, aber menschlich gesehen ist es ein anderes Gefühl", erläutert Kiliroor.
Auch darauf, für seine eigene Verwandtschaft bei Hochzeiten oder in Sterbefällen als Priester zu fungieren, was in Indien dazu gehöre, müsse der in Deutschland tätige indische Priester verzichten.