In Gräfenberg klopfen Geologen Steine
Autor: Petra Malbrich
Gräfenberg, Montag, 26. Mai 2014
Einmal im Jahr reisen Geologen aus ganz Europa nach Gräfenberg. Im dortigen Steinbruch suchen sie nach versteinerten Schätzen.
Hammer und Meißel hat Daniel Knillmann in seinem Handwagen liegen. Oben am Steinbruch angekommen, hat er einen Blick auf das gesamte Gelände. Imposant wirkt der Steinbruch schon wegen der Felswand, die senkrecht in die Höhe ragt, in breiten Stufen abgesetzt. Überall auf dem Gelände liegt Steinschutt.
Ein gleichmäßiges leises Klopfen durchdringt die Stille an diesem Nachmittag. Etwa 100 Menschen graben in den losen Steinbergen, betrachten die Steinbrocken, legen sie beiseite oder setzen ihr Werkzeug an, um die Steine zu teilen. Manche Männer und Frauen sitzen am Boden, einen Regenschirm als Sonnenschutz aufgestellt.
Früher eine Lagune
Fast könnte man meinen, es handele sich hier um Goldsucher. Aber die Menschen in Gräfenberg sind in Wahrheit Steinklopfer. Wobei: Steine suchen sie im Gräfenberger Steinbruch Endreß nicht.
"Es war hier früher eine Lagune und ist deshalb wie ein Friedhof für Ammoniten. Innerhalb einer Viertelstunde findet man Ammoniten in ungewöhnlicher Dichte", sagte der Steinbruchbesitzer Wolfgang Endreß. Er weiß auch, dass Geologen oder Hobbysammler großes Interesse an diesem Ammonitenfriedhof haben.
Auch um einen ungezügelten Tourismus zu vermeiden, gibt Endreß allen Interessenten die Möglichkeit, an zwei Tagen im Jahr zu graben und zu suchen. An diesen "Steinklopfertagen" sind vor dem Steinbruch kaum mehr freie Parkplätze zu ergattern.
Aus den Niederlanden, der Schweiz und Österreich sind Enthusiasten angereist. Andere Hobbygeologen und Sammler kommen aus Kiel oder Düsseldorf. Bezahlen müssen sie nichts dafür, sich im Steinbruch auf die Suche machen zu dürfen.
Seit zehn Jahren gibt es inzwischen die "Steinklopfertage". Die Resonanz ist ungebrochen gut. "Hier gibt es die besten Ammoniten von ganz Deutschland", sagt Knillmann. Er lässt seinen Blick über das Gelände über den Steinbruch schweifen. Er muss sich entscheiden, wo er suchen will. "Die Ammoniten sind 140 Millionen Jahre alt, aus der Jurazeit. Das Glaukonit färbt das Gestein grün. Das gibt es nur hier, deshalb sind auch so viele Leute da", sagt Knillmann.
Dunkle Stellen
Er ist schon zwei Mal aus Paderborn nach Gräfenberg gekommen. Der Ammoniten wegen.
Er zieht mit seinem Wagen den Berg hinab und steuert den kleinen Steinhügel auf der linken Seite an. Kleinere dunkle Steine liegen da, aber auch große flache Steinbrocken. Er hebt einen auf, zeigt auf eine dunklere Stelle. Umrisse, die wie ein Schneckengehäuse aussehen, sind auf dem Stein erkennbar. "Da könnte eins drunter sein", sagt Knillmann. Er wickelt sein Werkzeug aus und klopft vorsichtig gegen den Stein, um zu sehen, ob er einen guten Fund gemacht hat.
Beim Steinklopfen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder man gräbt und schält mit der Hand, was weniger Kraftaufwand bedeutet. Oder man haut die dickeren Felsen mit Hammer und Meißel entzwei. Jeder hofft auf den richtig großen Fund. Knillmanns größter Ammonit hatten den Durchmesser einer Hand.
Etliche grüngefärbte Gehäuse hat er schon entdeckt, vorsichtig vom Stein abgeklopft und betrachtet sie in seiner Hand. Bis zu 400 Euro wird teils für diese freigelegten Versteinerungen bezahlt. Eine eigene kleine Ausstellung mit gefundenen Ammoniten haben die beiden Ansbacher Herbert Bayer und Daniel Belstner auf die Beine gestellt.
"Das war Wahnsinn"
Sie suchten auch in anderen Gegenden, was ihre Ausstellung interessant macht. "Andere Gegenden, andere Färbungen", sagen die beiden. Auf das Hobby sind sie durch ihren Bekannten gekommen, der ein Profi in Sachen Ammoniten ist. Während sie sich ausruhen, hört man von weiter weg einen Bagger fahren: Ein Mitarbeiter arbeitet im normalen Steinbruchbereich. Er achtet darauf, dass der Ofen brennt. Dass heute "Steinklopfertag" ist, hat er vor Kurzem erfahren. Sein eigenes Interesse für die Ammoniten habe ein halbes Jahr gehalten. Es ist eben etwas anderes, wenn man jeden Tag mit Steinen arbeite. "Man muss ein Auge dafür haben", sagt er und berichtet von einem Professor, der regelmäßig hier sucht.
Einmal habe der hier in Gräfenberg eine ungewöhnliche Hörnerschnecke gefunden. "Von der präparierten Schnecke hat er mir ein Bild gezeigt. Das war Wahnsinn", erinnert sich der Mitarbeiter.
Eine wahre Goldgrube
Auch Kinder klopfen hier. Dazwischen schnüffeln immer wieder Hunde zwischen den Steinen herum. Ob die Hunde wohl auch auf der Suche nach Ammoniten sind?
So wie Thomas Billert, der mit seiner Familie das Wochenende hier verbringt. Er, um Cephalopoden zu suchen. Seine Frau und die beiden Kinder, um sich in der Fränkischen Schweiz eine schöne Zeit zu machen.
Zum zweiten Mal ist Billert jetzt im Gräfenberger Steinbruch. Mit einer Druckluftstichel arbeitet er daheim in Jena unter dem Mikroskop das Gestein rundherum weg. "Das dauert einige Stunden, geht aber wunderbar", sagt er.
Auch in anderen Steinbrüchen sucht auch Daniel Knillmann. In Sollnhofen findet er beispielsweise regelmäßig Fische. Für die beste Adresse hält aber auch er den Gräfenberger Steinbruch. Allein schon wegen des "einmaligen Alters der Ammoniten in der ehemaligen Lagune" und der Möglichkeit, immer wieder in dieser Goldgrube suchen zu können.