In Forchheim: Erschütterndes über den Dreißigjährigen Krieg aus Tagebüchern
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Donnerstag, 08. November 2018
Über den Dreißigjährigen Krieg berichtete Christian Pantle bei den Literaturtagen in Forchheim. Die wenigsten Soldaten fielen in den Schlachten.
"Die Apokalypse von unten" zu zeigen, war das Anliegen von Christian Pantle, als er zeitgenössische Tagebücher zum schrecklichsten Krieg in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg auswertete und zu einem Buch mit dem Untertitel "Als Deutschland in Flammen stand" kompilierte. In der schwedischen Übersetzung, so ließ er gleich zu Beginn wissen, ist noch angefügt "... und als Schweden eine Großmacht wurde." Einen Abriss daraus mit vielen Originaltextpassagen trug er beim Forchheimer Literaturfestival "Blätterwald" im Keller der Pfalz vor. Der Historiker und Journalist leitet die Redaktion der populärwissenschaftlichen Monatszeitung G/Geschichte.
Perspektive der Leidenden
Die Perspektive der den Krieg Erleidenden konnte Pantle dank der beträchtlichen Zahl von Aufzeichnungen belegen, die von Bürgern, Bauern, Pfarrern und auch Söldnern auf uns gekommen sind. Seine erste Quelle war das Tagebuch des Peter Hagendorf(f). Der Mann aus der Gegend von Zerbst in Sachsen-Anhalt zog nach Italien, zuerst in venezianische Kriegsdienste; mit dem Jahr 1625 beginnen seine Aufzeichnungen vom Söldnerleben.
Er hat offenbar 1649/50 in Memmingen eine Reinschrift seiner Notizen von unterwegs angefertigt, die er selbst grob zu einem Buch band. Dieses Tagebuch mit 176 erhaltenen Blättern gelangte im 19. Jahrhundert in die Preußische Staatsbibliothek und wurde um 1980 dort vom Historiker Jan Peters entdeckt. Erst in diesem Sommer - nach der jüngsten Neuauflage von Pantles Buch - identifizierte eine Hobbyforscherin vor allem nach Kirchenbucheinträgen den Bürgermeister und Richter von Görzke, einem Städtchen im brandenburgischen Fläming, als den Tagebuch schreibenden Söldner. 77 Jahre alt verstarb er dort.
Als Fußsoldat durch Europa
22.000 Kilometer ist der Fußsoldat durch halb Europa gezogen. Meist im Regiment des Grafen Heinrich von Pappenheim, der in bayerisch-katholischen Diensten stand, kämpfte der Protestant Hagendorf bei vielen großen Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs mit. Er war verheiratet - eine Ehefrau Anna Maria Stadlerin erwähnte Pantle - und hatte zehn Kinder, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichten. 23 Jahre Söldner-Dasein überlebt zu haben, ist ungewöhnlich. Pantle schätzt die durchschnittliche Söldnerzeit nur auf drei Jahre, wobei die wenigsten Soldaten in den Schlachten fielen; die Mehrzahl starb an den Folgen von Verletzungen und vor allem in der kalten Jahreszeit an Infektionen durch Kälte und mangelnde Hygiene.
Mönch und Abt
Die zweite zeitgenössische Quelle, auf die sich Pantle stützt, ist ebenfalls ein Tagebuch, das des Maurus Friesenegger, eines Mönchs und späteren Abts des Klosters Andechs in Oberbayern. Anschaulich schildert der Verfasser die Schrecknisse der Wochen, als 1633 spanisch-katholische Truppen zu Füßen des Klosters Winterquartier bezogen. Sowohl die ins Kloster evakuierten Bauern der Dörfer in der Umgebung als auch die Soldaten litten Hunger und Not. Sie verbrannten alles aus Holz, was sie im Ort Erling vorfanden. Sie wie die Menschen in der Enge des Klosters erkrankten an diversen Infektionskrankheiten, nicht wenige starben. "... und das alles machte uns den Tod fürchten oder erhoffen", zitierte Pantle aus dem Tagebuch.
Hexenwahn
1631 marschierten die schwedischen Truppen unter König Gustav Adolf nach dem Sieg bei Breitenfeld (Leipzig) Richtung Süddeutschland. Das Fürstbistum Würzburg kapitulierte und damit fand eine der übelsten Wellen des Hexenwahns ihr Ende. Allein in den späten 20ern des 17. Jahrhunderts mussten dort 900 Personen, darunter viele Kinder, ihr Leben lassen, weil man ihnen einen Bund mit dem Satan andichtete. Allein in Gerolzhofen wurden 261 Menschen verbrannt; nicht mehr auf dem Scheiterhaufen, sondern in einem eigens erbauten Verbrennungsofen, wie Pantle vortrug.
Kirchliche "Anstifter" lässt er als Auslöser nicht so gelten. Die spanische Inquisition, die gegen Ketzer und Andersgläubige wütete, verdammte nämlich den "Hexenhammer", eine Legitimationsschrift zur Hexenverfolgung von 1486. Pantle nannte das Phänomen insgesamt "irrationale Abläufe, die eine Eigendynamik entwickelten".