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Notfallseelsorger aus Weißenohe erinnert sich an Schiffsunglück bei Erlangen


Autor: Petra Malbrich

Weißenohe, Donnerstag, 06. Oktober 2016

Andreas Hornung aus Weißenohe ist nicht nur Pfarrer, sondern auch Notfallseelsorger. Er war beim Schiffsunglück in Erlangen im Einsatz.
Zwei Menschen starben in der Nacht zum 11. September an Bord des bei Erlangen verunglückten Kreuzfahrtschiffes.  Foto: Nicolas Armer,dpa


Gegen drei Uhr in der Nacht klingelte in der Nacht zum 11. September bei Pfarrer Andreas Hornung das Telefon. Am anderen Ende der Leitung war die Rettungsleitstelle: Ein Kreuzfahrtschiff sei in Erlangen mit einer Brücke kollidiert, er und weitere fünf Notfallseelsorger würden sofort gebraucht.

Dem Weißenoher Pfarrer gelang es, umgehend mit Pfarrer Helmut Hetzel aus Herzogenaurach Kontakt aufzunehmen, der seinerseits die anderen Notfallseelsorger informierte. Als Hornung am Unglücksort ankam, waren bereits zahlreiche Hilfsorganisationen vor Ort. "Die Passagiere warteten einigermaßen ruhig im Schiff. Dass zwei Mitglieder der Crew beim Aufprall an den Brückenpfeiler umgekommen waren, wussten sie nicht", erinnert sich Hornung an die Unfallnacht.


Acht geben auf die Toten

Viel zu tun hatte Hornung in dieser Nacht deshalb nicht. Am nächsten Morgen gegen 7.20 Uhr fuhr Hornung nach Hause, um den Sonntagsgottesdienst zu halten. Die anderen Seelsorger kümmerten sich weiter um die Passagiere. Aber auch bei den beiden Toten war mit Diakon Siegfried Gottanka aus Nürnberg ein Notfallseelsorger. "Für die Bestatter und Feuerwehrleute ist es wichtig zu wissen, dass jemand auf die Toten achtet", erklärt Gottanka. Er ist die "übergeordnete Instanz", organisiert die ökumenisch aufgestellte Notfallseelsorge für das gesamte Erzbistum Bamberg und leitet zusammen mit dem evangelischen Kollegen die Fortbildung.

Für die Dekanatsbezirke Forchheim, Muggendorf, Gräfenberg und für den Landkreis Forchheim ist Pfarrer Axel Berthold aus Neunkirchen am Brand der Beauftragte der Notfallseelsorge. Eine Zusatzausbildung ist nicht verpflichtend. "Jeder Seelsorger kann mit Menschen umgehen", betont Gottanka. Schwieriger sei ein außerhäuslicher Unfall. "Man muss sich im Rahmen bewegen können, wissen, wie die Hilfsorganisationen arbeiten", erklärt Gottanka.

Doch die wenigsten Einsätze der Seelsorger sind dramatische Katastropheneinsätze. Eher gefordert sind bei plötzlichen Todesfällen. Wenn der Partner plötzlich stirbt zum Beispiel. Viele dieser Einsätze gehen den Unfallseelsorger tief unter die Haut. "Wenn man einen Suizid mitteilen muss. Oder auch wenn ein junger Motorradfahrer stirbt. Das hätte dann ja auch das eigene Kind sein können", sagt Berthold.


Dröhnende Stille

Manchmal seien es aber auch die Reaktionen der Menschen, denen man in der schweren Stunde helfen möchte, welche die Notfallseelsorger schockieren. "Jemand ruft dann aus nackter Verzweiflung Sachen wie: ,Du kannst mir nicht helfen, dein Gott macht meinen Sohn auch nicht wieder lebendig", berichtet Berthold von dieser Verzweiflung.

Gedanklich bereiten sich die Seelsorger auf alle möglichen Reaktionen vor. Die meisten Menschen brechen zusammen, bleiben in der Wohnung. Dann kommt es darauf an, ob der Betroffenen reden will. "Sie haben ihren Angehörigen in der Regel sehr lieb gehabt. Das könnte ein Einstieg für ein Gespräch sein", sagt Berthold. Manchmal werden Gebete gesprochen.

Manchmal fragen die Hinterbliebenen, wie es weitergeht oder wollen Antwort auf die Frage, warum das gerade ihnen passiert. Antworten, die auch ein Notfallseelsorger nicht geben kann. Manchmal wird auch überhaupt kein Wort gesprochen. "Auch die Stille muss man aushalten können. Zehn Minuten Schweigen können sich ziehen", erklärt Diakon Gottanka.

Der Versuchung, doch zu reden und die Stille zu füllen, müssen die Notfallseelsorger unbedingt widerstehen. Sie sollen stattdessen ein Fels in der Brandung sein. Ruhig und in sich ruhend.