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In 13 Etappen nach Kersbach


Autor: Ekkehard Roepert

Forchheim, Donnerstag, 04. Juni 2020

Wozu nach Amerika fahren, wenn man von Dortmund nach Forchheim wandern kann: Bettina Pollkläsener und Christian Kotz-Pollkläsener haben sich auf einen ungewöhnlichen Weg gemacht.
Das Wander-Paar Christian Kotz-Pollkläsener und Bettina Pollkläsener (links) auf der Ziellinie: In Kersbach wurden die Wanderer aus Dortmund von Gabriele Kotz, Karl-Heinz Greiß und deren Sohn Jonas empfangen. Fotos: Ekkehard Roepert


Vor 30 Jahren ist Christian Kotz-Pollkläsener (48) aus Kersbach "ausgewandert" - nach Dortmund. Jetzt hat er mit seiner Frau Bettina Pollkläsener (53) ausprobiert, wie es ist, zurückzuwandern.

Die Dortmunderin und der Kersbacher, seit 23 Jahren ein Ehepaar, machten sich am 22. Mai auf den Weg. Ließen ihre Alpakas, ihre Hühner und die beiden Kinder am Stadtrand von Dortmund zurück: "Die sind für so was nicht zu bewegen", sagt der 48-jährige Familienvater.

385 Kilometer Fußweg lagen vor dem Paar. 13 Etappen. Von einer Wander-App geführt, waren die beiden täglich neun Stunden auf den Beinen.

Am Mittwoch dann der Empfang bei der Verwandtschaft in der Pfandlohe in Kersbach. Gabriele Kotz, Karl-Heinz Greiß und Sohn Jonas hatten ein Willkommensplakat gebastelt; Marschmusik erklang, Bettina Pollkläsener durfte das Zielband durchschneiden.

Entstanden war diese Wanderidee - beim Wandern: Vor einem Jahr auf dem Höhenflug im Sauerland fanden Bettina Pollkläsener und ihr Mann Christian Geschmack an dieser Form des Reisens. Obwohl sie nicht das reine Vergnügen ist. Die ersten Tage kam Christian Kotz-Pollkläsener nur mit Schmerzmitteln voran, weil der Zwölf-Kilo-Rucksack die Schultern verspannte. Bettina Pollkläsener lief sich Blasen.

Die häufigste Frage der vielen freundlichen Menschen am Wegrand: Von wo aus sind Sie losgelaufen?Von Dortmund! Erstaunte Blicke.

Mit dem Rucksack zu Fuß durch das Sauerland, durch Fulda, durch die Rhön, nach Bamberg... - "ein bissl bekloppt muss man schon sein, um sich auf diese Strecke zu machen", sagt der Ingenieur und Wahl-Dortmunder. "Am Ende weiß man, wo der Schuh drückt," scherzt seine Frau. Außerdem sei viel Zeit, sich Gedanken zu machen: Über die vertrockneten Wälder; über die Frage, warum so viel Müll rumliegt; darüber, wie es den vielen Menschen ergehen muss, die zu Fuß ohne Hightech und oft nur in Sandalen aus ihren Ländern fliehen...

"Das war unser persönlicher Jakobsweg", meint der 48-Jährige. Erleuchtet worden sei er zwar nicht, aber: "Ich würde es jedem empfehlen, einmal auf diesem Weg das eigene Land anzuschauen."

Wozu nach Spanien?

"Wie sonst lernt man mal Alsfeld kennen", schwärmt Bettina Pollkläsner. "Oder Bad Königshofen, da kommt man doch sonst nie hin." Der schönste Abschnitt sei die Rhön rund um den Kreuzberg gewesen.

Das Wandererlebnis hat Christian Kotz-Pollkläsener umdenken lassen: Zwar sei er auch schon mit seinem Sohn in Amerika oder mit seiner Frau in Schottland gewesen. Aber jetzt fragt er sich: Wozu bei 40 Grad ins heiße Spanien? Warum nicht stattdessen ein deutsches Mittelgebirge erkunden? Was kann es bessres geben, als ein Flow-Erlebnis auf einem kerzengeraden Wald-Weg in den Haßbergen!

Ob das Ehepaar noch einmal so lange gehen würde? "Eher nicht", sind sich die beiden einig: Fürs nächste mal sei eine Radtour geplant.