Im Zug von Behringersmühle zum Baikalsee
Autor: Klaus Oelzner
Ebermannstadt, Sonntag, 30. August 2015
Auf die 7500 Kilometer lange Reise nach Sibirien machen sich 21 Eisenbahnfantiker. Sie sind in Behringersmühle gestartet, und der Sonderwaggon soll in 16 Tagen am Ziel sein.
"Man muss schon ganz schön eisenbahnverrückt sein, wenn man sich für ein solches Projekt interessiert. Oder gar noch mitfährt", meinte ein Zaungast auf dem Ebermannstadter Bahnsteig. Das "Projekt" ist eine 16-tägige Erlebnisreise über 7500 Schienenkilometer durch sechs Zeitzonen, die in der Fränkischen Schweiz begann und über Moskau bis ans Ufer des sibirischen Beikalsees führt.
Oder wie es Gößweinsteins stellvertretender Bürgermeister Georg Bauernschmidt während der Abfahrtszeremonie auf dem Gelände des DFS-Museumsbahnhofs Behringersmühle formulierte: "Von B (wie Behringers-mühle) nach B (wie Baikalsee): Als werbender Botschafter aus dem Herzen der Fränkischen Schweiz bis zum mit 1640 Meter tiefsten See der Erde, der 1996 zum Weltkulturerbe wurde."
Auf engstem Raum
Die Abenteuer- und Erlebnisreise im beengten
Motto und gleichzeitig Ziel für die bahnbegeisterten Organisatoren war von Anfang an, aus einem kleinen bayerischen Bahnhof auf der Schiene durch die weite Welt zu einem außergwöhnlichen Ziel zu reisen. Die Planungen reichen mehr als zwei Jahre zurück und wurden vor Jahresfrist durch nicht ausreichende Anmeldungen durchkreuzt.
Ein reisebeschreibender Filmbeitrag in der regelmäßigen Sendung Eisenbahnromantik des Südwestfunks (SWR) brachte schließlich den Durchbruch. Anmeldungen aus der Bundesrepublik, aus Österreich und den Niederlanden überstiegen schnell die 21-Plätze-Kapazität des RZD-Sonderschlafwagens. Die Idee einen zweiten Wagens anzuhängen, musste aus organisatorischen Gründen schnell wieder in der Schublade verschwinden ...
Planungsmarathon
Organisationstalent und Dienstreisen gepaart mit stattlicher persönlicher Initiative bestimmten in der Folge die mehrmonatigen Vorbereitungen samt Überzeugungsarbeit, Überwindung politischer Hürden und Grenzformalitäten. Auf aufwändige Vorbereitungen und persönliche Einsatzbereitschaft verwies Mit-Reiseleiter Matthias Meeh. An deren Ende stand jetzt der Startschuss respektive eisenbahntechnisch das Abfahrtssignal.Mitorganisator Anton Tarasov erläuterte am Bahnsteig im besten Deutsch Vorgeschichte und Regularien für die mit 2600 Euro Teilnehmerbeitrag nicht gerade billige Reise. "Es wird ein Abenteuer und Erlebnis zugleich. Jeder wird auf seine Kosten kommen", versprach er.
Besonders neugierige Zaungäste hatten unterdessen die Möglichkeit, das Innenleben des 1974 in der volkseigenen DDR-Wagenschmiede gebauten und inzwischen technisch nachgerüsteten, grau lackierten Vierachsers kennenzulernen. Er war am Vorabend aus St. Petersburg nach Franken überführt worden.
Mit Ofenheizung
Während zwei "Kabinen" dem russischen Zugbegleitern Anatol und Natalia vorbehalten sind, müssen sich bis zu drei Mitreisende und das mehrköpfige SWR-Kamerateam während der Reise die nur rund drei Quadratmeter schmalen Abteile teilen. Tagsüber bestückt mit Sitzbank, nachts auf ausklappbaren Liegeflächen. Bei Bedarf sorgen ein Kohleofen oder elektrische Energie fürs Wohlfühlklima. Bei in die Reiseroute eingearbeiteten längeren Aufenthalten in Moskau und Irkutsk ist selbstverständlich auch Hotelkomfort angesagt.
"Die Fahrt kann beginnen. Alle einsteigen" ließ die Reiseleitung genau um 16.53 Uhr wissen. Knapp eine Stunde später als geplant kündigt die vorgespannte Diesellokomotive V 36 123 des Vereins Dampfbahn Fränkische Schweiz schließlich bei aufsteigendem Nebel mit einem lange durchs Wiesenttal nachhallenden, grellen Pfiff die Abfahrt bei Streckenkilometer 30,6 an.
Als Sonderfahrt geht es über Forchheim und Schwandorf zum Grenzübergang Ceska Kubice. Weiter rollt der Waggon angehängt an planmäßige Eurocitys und Schnellzüge mit Aufenthalten unterwegs nach Prag und Moskau, schließlich über die bis an den Pazifik reichende BAM (Baikal-Amur-Magistrale) bis zum Endbahnhof, dem Port Baikal.