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Im Netz lauert das Verbrechen


Autor: Christoph Hägele

Forchheim, Freitag, 26. Oktober 2012

Dieser Tage hat ein Jugendlicher aus der Region einer Bekannten im Internet mit dem Tod gedroht. Den Straftaten im Netz begegnet die Forchheimer Polizei mit viel Prävention - auch mangels Experten.
Symbolbild


Die Träume von der großen Liebe waren zerbrochen, und in dem jungen Mann brodelte der Hass. Das Mädchen werde dafür büßen, und wenn er nicht dazu komme, dann solle doch bitte ein Anderer Rache nehmen. Mit dieser Nachricht wandte sich der junge Mann aus dem östlichen Landkreis an seine Freunde im sozialen Netzwerk Facebook. Dort bekam auch das Mädchen davon Wind und ging zur Forchheimer Polizei. Sie glaubte ihr Leben bedroht.

Es sind Fälle wie dieser, die Rainer Schmeußer ahnen lassen, dass sich die Realität polizeilicher Ermittlungsarbeit auszudehnen beginnt. "Straftaten im Internet beschäftigen uns regelmäßig", sagt der Leiter der Forchheimer Polizeiinspektion.

Die bloßen Zahlen spiegeln diese Entwicklung auf den ersten Blick nur unzureichend. Die 74 Straftaten im Internet machten im vergangenen Jahr gerade einmal drei Prozent aller Delikte aus, mit denen sich die Forchheimer Polizei beschäftigten musste. Diebstähle kamen im Vergleich dazu auf 28 Prozent, Sachbeschädigungen auf 15 Prozent und Betrugsfälle auf zehn Prozent. Auch für das laufende Jahr erwartet Schmeußer keinen statistischen Anstieg der Internet-Kriminalität.

Zum Problem werden diese Fälle für Schmeußer und seine Kollegen vor allem aber deshalb, weil es im Internet keine Bagatell-Delikte gibt. Das digitale Äquivalent zum Lackschaden beim Ausparken existiert nicht. Im Netz geht es um Verletzungen des Urheberrechts. Um Kreditenkartenbetrug und Wirtschaftskriminalität. Um die Verbreitung von Pornographie.

Und um Nötigungen und Bedrohungen, wie im Falle des jungen Manns aus dem Landkreis. Da hatten die Polizeibeamte vergleichsweise leichtes Spiel. Das Mädchen wusste ja genau, wer sich hinter den Drohungen verbirgt. Noch am selben Abend räumte der junge Mann seine Tat vor den Polizisten ein. Der Rest ist die Sache des Staatsanwalts. Er ermittelt nun wegen der Bedrohung, Beleidigung und des öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat. Dermaßen glatt laufen die Ermittlungen nicht immer, im Gegenteil. Die Aufklärungsquote von Straftaten im Internet liegt im Bereich der Forchheimer Polizei bei rund 50 Prozent. Das ist auffallend gering vor dem Hintergrund, dass die Forchheimer Polizei ansonsten über 70 Prozent der Delikte aufklärt.

Diese Diskrepanz ist der Grund, weshalb Schmeußer und seine Kollegen seit einiger Zeit die Schulbank drücken in Sachen Trojaner, soziale Netzwerke und gefälschten Mails. "Es geht darum, dass wir solche Fälle verstehen und einordnen können", sagt Schmeußer. Noch tiefer in die Materie einzudringen sei illusorisch.

Immerhin, wenn er und seine Forchheimer Kollegen in einem Fall nicht weiterkommen, können sie sich an Männer wie Jürgen Schlund wenden. Schlund sitzt mit drei Kollegen in der Arbeitsgemeinschaft "Cyber Crime" bei der Kriminalpolizei in Bamberg. "Die Fallzahlen steigen konstant", sagt Schlund. Im vergangenen Jahr seien es rund 400 Fälle von Internet-Kriminalität gewesen, in denen die AG "Cyber Crime" aktiv werden musste. Den Löwenanteil machten Fälle von Kreditkartenbetrug aus. "Früher haben die Verbrecher eine Bank überfallen. Heute gehen sie ins Internet", lacht Schlund und rechnet auch für die kommenden Jahr "mit einem Anstieg von Internet-Delikten".

Umso stärker leidet Schlund unter dem Gefühl, dass der Gesetzgeber den Ermittlungsbehörden zu enge Fesseln anlegt und das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung höher bewertet als die Durchgriffsrechte der Polizei.

Schaden für den Rechtsstaat


Schlund würde sich vor allem wünschen, dass die Telekommunikationsanbieter Verbindungsdaten wie die IP-Adressen ihrer Kunden speichern und im Zweifelsfall den Ermittlungsbehörden aushändigen müssen. "Eine Speicherung von sechs Monaten würde uns ja schon reichen", sagt Schlund. Im März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung allerdings als verfassungswidrig verworfen.
Seitdem können Ermittler wie Jürgen Schlund bei den Telekommunikationsanbietern nicht mehr auf die IP-Adressen von Verdächtigen zugreifen. Die Daten werden dort schlichtweg nicht mehr gespeichert. Schlund fürchtet, dass diese Praxis den Rechtsstaat einiges Vertrauen kosten könnte. "Ich schaue immer wieder in die fassungslosen Gesichter von Geschädigten, wenn ich ihnen die Rechtslage darlege", sagt Schlund.

Ob er sich in diesem Zusammenhang von der Politik im Stich gelassen fühle, will Schlund nicht sagen. "Es ist eine herausfordernde Situation", weicht er etwas aus. Immerhin scheint das bayerische Innenministerium die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und schafft bei den Polizeibehörden zusätzliche Stellen für Computer- und Informatikexperten. Bayernweit haben heuer 54 Mitarbeiter ihren Dienst angetreten, die die Ermittler bei ihrer Arbeit unterstützen. Selbst in Bayreuth und Hof gibt es inzwischen sogenannte Cyber-Cops, die größere Falle an sich ziehen und die Kriminalpolizisten unterstützen.

Bei den Cyber-Cops handelt es sich um studierte Informatiker, die in den Polizeidienst übernommen worden sind. "Die Taten begehen Profis. Denen müssen wir auf Augenhöhe begegnen", sagt Hauptkommissar Jürgen Sigl vom Landeskriminalamt (LKA).

Beim LKA selbst ist die Cyber-Einheit derart gut besetzt, dass die Mitarbeiter auch ohne konkreten Anlass und Verdacht im Netz recherchieren können. Dabei geht es ihnen vor allem um Kinderpornographie, Wirtschaftskriminalität und Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund. Diese Delikte eint, dass sie meist in geschlossenen Foren verabredet und begangen werden.

Von den Recherchemöglichkeiten des LKA kann Rainer Schmeußer in Forchheim nicht einmal träumen. Eine umso größere Bedeutung messen die Forchheimer deshalb der Präventionsarbeit bei. Regelmäßig gehen die Polizisten in Schulen, um dort den Jugendlichen die Gefahren des Internets auseinander zu setzen. Sie adressieren die Schüler dabei sowohl als potenzielle Opfer als auch als Täter. "Es fehlt oft völlig am Bewusstsein für die Gefahren. Aber auch für das Unrecht, das man begehen kann", klagt Schmeußer. So sei auch dem jungen Mann aus dem Landkreis nicht klar gewesen, dass er mit seinen Drohungen und Beleidigungen die soziale Existenz des jungen Mädchens schwer beschädigen könnte.

Denn das Internet vergisst nichts - das klingt so banal wie es wahr ist. Schmeußer und sein Stellvertreter Robert Schaffranietz sind guter Dinge, dass ihre Aufklärungsarbeit inzwischen Früchte trägt. So sei man beispielsweise dem Problem mit den Facebook-Partys inzwischen Herr geworden.

Im vergangenen Jahr hatte ein Jugendlicher via Facebook zu einer Feier in den Stadtpark eingeladen. Nachdem sich mehrere hundert Gäste angekündigt hatten, fürchtete die Polizei um die öffentliche Ordnung. Sie machte dem Veranstalter die möglichen rechtlichen Konsequenzen seiner Party deutlich und konnten ihn schließlich dazu bringen, seine Party abzusagen. "Aus diesem Fall haben die Jugendlichen gelernt", freut sich Schmeußer.

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