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Igensdorfer durchschwimmt den Ärmelkanal


Autor: Petra Malbrich

Igensdorf, Donnerstag, 11. Sept. 2014

Vier Anläufe brauchte Peter Hücker. Dann schaffte es der Igensdorfer erstmals den Ärmelkanal von England nach Frankreich zu durchschwimmen. Er hatte mit einigen Tücken der See zu kämpfen.
Peter Hücker (am Bildrand unten) hatte bei seiner Kanal-Durchquerung manche Begegnung mit Fährschiffen. Doch nach rund 88 000 Schwimmzügen konnte der Igensdorfer in England an Land gehen.  Foto: privat


"Habe gerade die SMS von Neil bekommen, Treffen an Bord um 5:15, das ist 6:15 MEZ" sendet Peter Hücker mit einem Link am Freitag seinen Freunden und Bekannten zu. "Aber richtig realisieren, dass ich jetzt auch einer bin, das beginnt erst noch", sagt Peter Hücker heute. Dazwischen liegen fünf Tage, drei Länder und der Ärmelkanal, den Peter Hücker im vierten Versuch erstmals geschafft hat. Er ist ein sogenannter Channel-Schwimmer, wie er nun aus Schottland meldet.

"Das mit der SMS war richtig spannend. Die Tide hatte für Neils Boot vier Schwimmer für die sechs Tage zwischen dem 1. und dem 6. September ermöglicht. Ich hatte Rang 4, das heißt vor mir mussten drei andere geschwommen sein", erinnert sich Hücker an das Warten vor dem Start. Natürlich verfolgte er die anderen Schwimmer genau und als aufgrund schlechten Wetters der dritte Schwimmer zwei Tage nicht an den Start gehen konnte, schwand die Hoffnung.

Eine schicksalhafte SMS

Umso gespannter verfolgte Hücker und sein eingespieltes Team, Ehefrau Monika und das Ehepaar Helene und Peter Drewicke, als dann doch der dritte Schwimmer, ein Holländer, an den Start ging. Noch bevor dieser Frankreich erreicht hatte, erhielt Peter Hücker die schicksalhafte SMS. Erleichterung bei allen im Team: Es geht also los. Stockfinster war es noch, als sie am Samstagmorgen um 5 Uhr die Angelvorrichtung am Boot befestigten und den Proviant auf dem Boot unterbrachten. Für Hücker nur Flüssignahrung, die seine Ehefrau in Flaschen gemischt hatte. Auch die bestimmte Menge Wasser zum Trinken musste eine bestimmte Temperatur haben, weiß Helene Drewicke. Sie filmte das Schwimmen, notierte die Wasser- (18 Grad) und die Tagestemperatur (22 Grad) und maß Peter Hückers Schwimmzüge. "Damit er nicht unter die Frequenz fällt", erklärt sie. Zwischen 62 und 64 Schwimmzüge pro Minute waren das normale Maß. Gleich nach dem Start waren es mehr.

Die Aufregung, erklärt sie. Aber es hatte alles gepasst. Das Wetter und das Wasser. Flach, keine Wellen. Mental hatte sich der Igensdorfer noch vorbereitet, hörte fünf Mal das Stück Titans von Vangelis, das ihn an den Sieg der Challenge Roth sieben Wochen vor dem Ärmelkanalschwimmen erinnerte.

Mit Licht an der Schwimmbrille und an der Badehose befestigt, verabschiedete er sich von seiner Frau und dem Team. "Ich wusste, dass es nun all meine Kraft kosten würde, Frankreich zu erreichen", erinnert sich Hücker. Einfach nur ins Wasser springen und losschwimmen - das tat Peter Hücker, als die Sirene das Startkommando heulte.

Lichter wird er nicht vergessen

Dennoch gab es einige Schwierigkeiten zu überwinden: Lockerungsbewegungen und Magnesium, als die Arme und Beine krampften, dann als der Körper die Energieversorgung von Kohlehydrate auf Fettstoffwechsel umstellte und Quallen, durch die er einfach durchschwimmen musste. Obwohl das Team nach Quallen Ausschau hielt, haben ihn zwei oder drei erwischt und ihm das bekannte Brenngefühl verabreicht. Ab und zu einige Lichter in der Ferne. "Meine einzige Überlebensgarantie war das Boot, dessen Besatzung und mein Team", sagt Hücker. Eines der vielen Lichter wird er nicht vergessen: "Eine markante Lichtkonstellation, das sich immer gleichweit entfernt zeigte", erinnert sich Hücker, der zu dem Zeitpunkt schon jegliches Zeitgefühl verloren hatte.

Kurz vor Frankreich ist eine bekannte tückische Strömung. Peter Hücker kam mit den Schwimmzügen runter, auf 57, geriet sozusagen ins Straucheln, erinnert sich Helene Drewicke. "Er bekam einen Powerdrink und wir feuerten ihn an, damit er durchhält. Er musste sehr viel kämpfen", erinnert sie sich an diese Schreckensmomente. Peter Hücker war da völlig k.o. "Auch für uns war es kritisch. Wir mussten ihn da rüberbringen", sagt Drewicke. Denn das Team wusste die Gefahr, wenn jemand völlig erschöpft ist. Das war kurz vor Frankreich, noch zwei oder drei Meilen zu schwimmen. Aber man darf ihm nicht sagen, dass es nicht mehr lange dauert.

Der Kapitän veränderte dann an dieser tückischen Stelle ein wenig den Kurs, damit er aus der starken Strömung heraus ist. Dann würde es für Peter Hücker etwas einfacher. Peter Hücker erinnert sich hier nur an die Aufforderung der Observerin Kate, nun alles zu geben, sonst würde es schwer werden, in Frankreich anzukommen.

"2000 perfekte Armzüge"

Die Schulter schmerzte schon. "Ich entschloss mich, die besten und schnellsten Schwimmbewegungen meines Lebens zu machen. 2000 perfekte Armzüge", sagt Hücker, der einen Energiedrink von seinem Team erhielt, eine besonders konzentrierte Mischung. Dann weitere 2000 perfekte Armzüge. "Ich merkte nichts mehr. Den inneren Schweinehund habe ich bei Todesstrafe absolute Ruhe befohlen", sagt Hücker. Dann blieb das Boot stehen, das Beiboot wurde rausgelassen. "Das waren die letzten 150 Meter", sagt Drewicke. Hücker war zu dem Zeitpunkt ziemlich erschöpft, schwamm einfach neben dem Schlauchboot.

"Ich wusste nicht, wie weit es noch sein würde, schwamm einfach einer dunklen Wand entgegen und schwamm. Dann stachen meine Finger in Sand. Das musste französischer Sand sein", erzählt Hücker. Langsam stand er auf, lief die letzten Meter zum Ufer. "Ich wusste, ich hatte es geschafft, nahm die Arme nach oben und wartete. Dann erklang die Sirene vom Boot. In meinem Kopf war absolute Leere. Keine Freude, keine Emotionen, nur Erschöpfung", sagt Hücker. "Wir sind herumgesprungen und haben uns umarmt", erinnert sich Helene Drewicke an die Minuten nach dem Sirenengeheul.

23 Stunden und fünf Minuten

In der Zeit schwamm Peter Hücker zum Boot zurück und wärmte sich auf. "Ich wusste nicht, wie es mir je wieder gelingen sollte, aufzustehen", erinnert er sich an die Momente nach dem Erfolg. Als Channel-Schwimmer trug er sich im White Horse, einer Kneipe, in Dover am Nachmittag ein. Als Peter Hücker das erzählt, ist er in Schottland unterwegs, um einige Tage Urlaub mit seiner Frau zu verbringen.

Peter Hücker: "Meine nächsten schwimmerischen Ziele sind es, die internationale Eismeile zu schwimmen und nächstes Jahr der älteste Mensch zu werden, der Loch Ness durchschwommen hat." Hücker startete Samstag, um 6.35 Uhr und erreichte Frankreich am Sonntag um 5.40 Uhr. 23 Stunden und fünf Minuten brauchte er, um durch den Ärmelkanal zu schwimmen. 88 000 Schwimmzüge ist Hücker geschwommen.