ICE-Ausbau: Angst der Forchheimer Anwohner
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Montag, 17. Februar 2014
Die Familien Kropp und Diller haben nichts gegen die ICE-Ausbau, aber sie haben Befürchtungen.
Wer bei Brigitte und Stefan Kropp in der Jean-Paul-Straße 23 zu Gast ist, der muss auch schweigen können. Kurz nach 16 Uhr stellt die Frau des Hauses den frisch gebackenen Kuchen und den Kaffee auf den Tisch. Auch Nachbar Walter Diller aus der Jean-Paul-Straße 13 gesellt sich zur Kaffee-Runde. Um 16.16 Uhr, als das Gespräch über die Bahn und den ICE-Ausbau schon volle Fahrt aufgenommen hat, setzt das Rauschen vor dem Fenster bereits zum dritten Mal ein. Gute Gelegenheit, an der Tasse zu nippen, ein Stück Kuchen zu essen oder innezuhalten. Während des Kaffee-Kränzchens wird es zehn solcher Schweigeminuten geben.
Die Jean-Paul-Straße gehört zu jenen Streckenabschnitten, an denen es durch den ICE-Ausbau verdammt eng wird. Schon jetzt ist die Schallschutzwand nur von der Straße getrennt. Stefan Kropp deutet vom ersten Stock hinunter: Dort, auf der Mitte der Straße, wird die Wand nach dem Streckenausbau stehen.
Sobald der Zug durchgerauscht ist, beginnen Stefan Kropp und Walter Diller von der Eisenbahn zu schwärmen. Man könnte meinen, sie scherzen, aber sie meinen es ernst: "Ich bin schon immer von Zügen begeistert gewesen", sagt der 42-jährige Kropp. In seiner Kindheit seien sogar noch Dampflokomotiven durch Forchheim gefahren. Momentan ist Kropp damit beschäftigt, für seine drei Kinder die Zimmer im ersten Stock zu renovieren und eine Modelleisenbahn aufzubauen. Und auch der 58-jährige Diller hat noch die Märklin- Dampflok im Schrank, die ihn sein Vater als Kind geschenkt hatte.
Doch die Bewohner der Jean- Paul-Straße sind keine Nostalgiker, die den modernen Bahn-Betrieb ablehnen. Sie befürworten den Strecken-Ausbau. "Ich stelle mich nicht quer, nur weil ich 57 Quadratmeter hergeben muss", sagt Diller. Und Kropp ist bereit, 40 Quadratmeter Grund abzutreten, das Carport, eine Mauer und das Eingangspodest abzureißen und das Carport im Garten neu zu errichten. "Letztlich sind wir ja alle Kunden der Bahn", sagt Kropp.
Was die Bewohner neben der Bahnlinie aber umtreibt, ist "die Angst, nicht fair behandelt zu werden", wie Walter Diller sagt. Momentan sei der Lärm noch erträglich, findet Stefan Kropp. Doch die Schallschutzwand müsse "mindestens fünf Meter hoch geplant werden" - die aktuelle Planung sehe aber nur vier Meter vor. "Und worüber niemand spricht, das ist der Schall hinter dem Haus. Da ist es so laut wie vorne - und da gibt es kein Gutachten drüber", wundert sich der 42-Jährige.
Seitdem die Deutsche Bahn den ICE-Ausbau bei Forchheim vorantreibt, sind sich die Familien Kropp und Diller noch näher gekommen. Sie tauschen Erfahrungen aus - und auch die Einsprüche im Anhörungsverfahren haben sie gemeinsam formuliert und nach Bayreuth geschickt.
Es ist 16.39 Uhr, Zug Nummer sechs hat gerade die Kaffee-Runde durchquert. Brigitte Kropp erklärt die unterschiedlichen Zug-Typen: Die "kaum hörbaren" ICE- und die "klappernden Güter-Züge"; oder die "besonders klappernden Pritschen-Wägen ohne Ladung".
Vibrationen und Ängste
Die Vibrationen erinnern Walter Diller an seine "Ängste und Befürchtungen": Was, wenn sein Haus Risse bekomme? Was, wenn seine Tochter aus ihrer Wohnung ausziehe? "Wer wird dann einziehen?" Und Brigitte Kropp meint: "Wenn die Schienen nicht gut unterfüttert werden, ist unser Haus in wenigen Jahren im Eimer."
Daher haben die Anwohner Beweissicherungsverfahren für ihre Häuser beantragt. "Wir sind nicht gegen den Fortschritt", betont Walter Diller, "aber wir wollen nach dem Stand der Technik behandelt werden." Dazu gehöre eine Schienen-Besohlung in der ganzen Stadt; der passive Lärmschutz durch Schallschutzfenster - und eine mindestens fünf Meter hohe Schutzwand.
Ihre Position haben Kropp und Diller auch bei der Bürgerversammlung den DB-Planern vorgetragen. Als "sachlich und konstruktiv" erlebte Diller diese Begegnung. Doch die Befürchtung, dass nach dem Ausbau "die Lebensqualität eingeschränkt sein könnte, die bleibt", sagt Stefan Kropp: "Während der Planung wird ja gern viel versprochen", meint der 42-Jährige und schweigt. Es ist 17.10 Uhr. Ein Zug fährt durch.