Humankapital für das Medizin-Tal in Forchheim
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Dienstag, 11. Dezember 2018
Mit der jüngsten Siemens-Expansion stößt Forchheim an die Grenzen der Flächenpolitik. Wirtschaftsförderer und Stadträte denken um.
Die Zahlen, die das Wachstum Forchheims belegen, klingen beeindruckend: In zehn Jahren sind 4000 neue Arbeitsplätze entstanden, aktuell sind es über 16 000. Zugleich sind die Gewerbesteuer-Einnahmen von rund 9 auf 15,6 Millionen Euro gestiegen, das sind 71 Prozent in einer Dekade.
Doch immer mehr warnende Stimmen in der Lokalpolitik weisen auf die Grenzen des Forchheimer Wachstums hin. Zuletzt im November, als Siemens seine Expansionspläne für den Stadt-Süden präsentierte. Um 40 000 Quadratmeter will der Konzern wachsen.
Schluss mit Logistik
"Das mit Siemens ist toll, aber wir müssen die Gesamtentwicklung im Blick haben", sagt Viktor Naumann, der städtische Wirtschaftsförderer. Der Umgang mit den Flächen habe sich bereits verändert. Im Zuge der "Bevorratungspolitik" von Alt-OB Franz Stumpf (CSU/WUO) waren sehr viele Gewerbeflächen auf dem Markt, "das war eine sehr proaktive Wirtschaftsförderung", erinnert Naumann. "Seit 2013 können wir die Nachfrage nicht mehr decken." Regelmäßig gebe es Anfragen von Logistikern. "Das lehnen wir ab", sagt Naumann.
Stattdessen wirbt der Wirtschaftsförderer mit einem Fünf-Stufen-Plan. Am Ende soll direkt neben dem Medical Valley Center ein medizinisch-technischer Campus stehen. Naumann schwebt eine völlig neue Wertschöpfungskette vor. "Siemens als Krone, von vielen kleineren Unternehmen wie funkelnde Perlen umgeben." Im Sog von Siemens und einer Forschungsgesellschaft würden "Kreative Start-ups aufmerksam auf Forchheim" werden, ist Naumann überzeugt.
Die Campus-Idee sei "der zielführende Weg" und die "logische Fortführung eines qualitativen Wachstums", sagen Manfred Hümmer und Annette Prechtel. Der FW-Stadtrat und die FGL-Stadträtin waren es auch, die zuletzt am eindringlichsten gewarnt hatten: Man dürfe Siemens nicht nur Flächen zur Verfügung zu stellen; der Global Player müsse auch in die soziale Verantwortung genommen werden.
"Sich auf einen großen Arbeitgeber ausrichten, das kann schief gehen, gerade in der Medizintechnik, wo die internationale Konkurrenz groß ist", sagt Hümmer. Daher müsse der Oberbürgermeister offensiv mit Siemens verhandeln und die Forchheimer Interessen einfordern. "Es liegt auf der Hand", verdeutlicht Annette Prechtel, "dass sehr viele Flächen verbraucht wurden. Es kann nicht so weiter gehen, wir stoßen an die Grenzen." Daher müsse in das für Kleinbetriebe und Handwerker geplante Gewerbegebiet im Stadt-Norden "mehr Manpower" gesteckt werden. Die Grünen haben aktuell bei OB Kirschstein den Sachstand eingefordert. "Die Entwicklung im Norden wird noch zu schwach betont", sagt die FGL-Rätin.
Forderungen an Siemens
Aus Sicht von CSU-Stadtrat Udo Schönfelder "muss eine bodenständige Wirtschaft und die Förderung des Mittelstandes oberste Priorität haben". Der medizinisch-technische Campus sei ein Leuchtturmprojekt. "Doch es ist zu wenig, nur diese Karte zu spielen, denn die Stadt muss das ja auch mitfinanzieren und dann fehlt uns das Geld an anderer Stelle", stellt Schönfelder klar: "Die klassische Wirtschaft darf nicht schlechter gestellt werden, sie ist das Rückgrat." Daher fordert er bei den Verhandlungen über die Siemens-Expansion ganz konkret: "Da muss noch was kommen, ein hoher sechsstelliger oder gar ein siebenstelliger Betrag."