Hans Barthelme ist ab 2.30 Uhr unterwegs
Autor: Peter Groscurth
Burk, Sonntag, 28. Dezember 2014
Der Zeitungszusteller Hans Barthelme aus Burk freut sich auf den Zusatzverdienst ab 1. Januar. Verlässlichkeit ist ihm am wichtigsten. Und das Schönste kommt zum Schluss der täglichen, sieben Kilometer langen Tour.
Um 2.30 Uhr ist für Hans Barthelme aus dem Forchheimer Stadtteil Burk die Nacht vorbei. Dann steht der gelernte Betriebselektriker auf, zieht seine warme, gelb reflektierende Jacke über und beginnt seinen Nebenjob Zeitungszusteller.
Seit 2009 ist er unterwegs, steckt sechs Tage die Woche pro Tour über 200 Ausgaben des Fränkischen Tags in die Zeitungsrollen und Briefkästen der Abonnenten. "Aller Anfang war auch hier schwer", erinnert sich der 62-Jährige zurück, "ich mache diese Beschäftigung zusammen mit meiner Frau und wir mussten uns gemeinsam unsere Routen optimal einteilen, damit wir nicht manche Wege doppelt gingen."
Sieben Kilometer lang
Zwischen 6,5 und sieben Kilometer lang ist der Weg, den Barthelme gehen muss. "Ich mag die Bewegung. Früher habe ich lange Fußball gespielt, doch dann bekam ich Probleme mit den Knien. Jetzt bin ich froh, dass ich durch das Austragen von Zeitungen viel zu Fuß unterwegs bin. Denn so muss ich aufstehen und mich bewegen. So habe ich keine Ausreden, dass ich liegen bleibe und mich im Bett noch einmal umdrehe", ergänzt er lächelnd.
Ab Mai kommenden Jahres ist er Rentner: "Dann kann ich den Zusatzverdienst gut gebrauchen!" Und was bringt ihm der Mindestlohn? "Na ja, ich hoffe einmal, dass ich etwas mehr Geld bekomme. Ich bin gespannt, wie sich diese Regelung für mich auswirkt", antwortet er. Ab Januar bekommt er einen Stundenlohn von 8,50 Euro - eine große Herausforderung für den Verlag Mediengruppe Oberfranken.
Seit mehr als einem halben Jahr wird in der für die Mediengruppe tätigen Zustellfirma Z+S Zustell- und Service GmbH die Einführung des Mindestlohns geplant: Für über 1350 Zusteller (!) wurden aufwendig die Wegzeiten jedes Zustellbezirks sowie die Rüst- und Steckzeiten jedes Zustellobjektes (Zeitung, Prospekte, Briefe) ermittelt. Da bisher nach Stück vergütet wurde, erhofft sich die Zustellfirma durch die Zeitfestlegung je Zusteller, auch die gesetzliche Vorgabe für den Mindestlohn einzuhalten, was insbesondere bei der bisherigen Stückvergütung wegen den Mengenschwankungen ein Problem dargestellt hat.
Zusteller nicht außen vor
Trotz "erheblicher Mehrkosten" sieht Christian Martin, als Regionalleiter zuständig für die Zusteller in den südlichen Landkreisen des Fränkischen Tags, die Mindestlohneinführung auch positiv: "Es wäre fatal gewesen, wenn Zeitungszusteller außen vor geblieben wären."
Außerdem hofft er, dass durch die Lohnsteigerung von bisher durchschnittlich 7,05 auf 8,50 Euro die Arbeit als Zusteller attraktiver wird. Darum sei auch von der stufenweisen Übergangslösung für die Zusteller kein Gebrauch gemacht worden.
Lob gibt es vom Forchheim-Bamberger Bundestagsabgeordneten Andreas Schwarz (SPD): "Der Mindestlohn macht viele Beschäftigte unabhängig von ergänzenden Sozialleistungen und setzt Lohndumping ein Ende."
Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro wird nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Steuerzahler deutlich entlasten. "Wir werden schätzungsweise 60 000 Aufstocker weniger in der Grundsicherung haben, die als Singles dann so viel verdienen, dass sie nicht mehr zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind", meint Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der BA.
Befürchtungen "übertrieben"
Alt sieht der Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 gelassen entgegen. Befürchtungen von Ökonomen, es könnten deswegen vom kommenden Jahr an Hunderttausende arbeitslos werden, hält er für "übertrieben". Solche Ängste macht sich Hans Barthelme nicht. Der Mindestlohn ist für den Zeitungszusteller nicht so wichtig. "Der Job macht mir vor allem Spaß. Auch wenn oft das Wetter zu wünschen übrig lässt", bemerkt er.
Barthelme findet es schön, den Menschen die neuesten Nachrichten aus der Region und der Welt nach Hause zu bringen. Er achtet darauf, dass er seine Zeitungen sorgfältig und vor allem trocken bei den Kunden abliefert. "Darauf sollen sie sich verlassen können, schließlich zahlen sie auch Geld dafür", sagt Barthelme.
Und was ist das Schönste für den Zusteller, wenn er seine Tour beendet hat? Da fällt die Zeit zum Überlegen kurz aus: "Ein frische Tasse Kaffee und natürlich die Lektüre meines Fränkischen Tages!"
Serie: Der Mindestlohn
Gesetz: Zum 1. Januar 2015 tritt das von der Bundesregierung beschlossene Tarifautonomiestärkungsgesetz ("Mindestlohn"-Gesetz) in Kraft. Laut repräsentativen Umfragen befürworten fast 80 Prozent der Bevölkerung einen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wurde nun mit 8,50 Euro festgelegt.
Branchen: Das "Mindestlohn"-Gesetz wirkt sich auf verschiedene Branchen und Bereiche aus. Betroffen ist zum Beispiel die Zustellung der Zeitung, die Fahrt mit dem Taxi, der Besuch beim Friseur oder die Gastronomie. Wir informieren Sie in einer kurzen Serie.
Zeitungszustellung: Im Verbreitungsgebiet der Mediengruppe Oberfranken mit den Zeitungstiteln "Fränkischer Tag", "Bayerische Rundschau", "Coburger Tageblatt", "Saale-Zeitung" und "Die Kitzinger" stellen täglich rund 2000 Frauen und Männer mehr als 100 000 Zeitungen zu. Die Zusteller erbringen ihre Dienstleistung an mehr als 300 Erscheinungstagen pro Jahr. Je nach Verbreitungsgebiet und Größe des Zustellbezirks beginnen sie ihren Dienst mitten in der Nacht, um eine pünktliche Zustellung zu gewährleisten.
Vergütung: Bisher erhielten die Zusteller einen Stücklohn. Sie wurden pro zugestellter Zeitungsausgabe entlohnt. Künftig wird die Arbeit der Zusteller nach den Vorgaben des "Mindestlohn"-Gesetzes nach Stunden entlohnt.
Kosten: Durch das "Mindestlohn"-Gesetz verteuert sich die Zustellung der Zeitung pro Erscheinungstag um etwa acht bis zehn Cent.
Nächster Serienteil: Im zweiten Teil unserer Mindestlohn-Serie geht es darum, was sich für Wirte ab Januar ändern wird und warum das Seidla Bier in Forchheim um mindestens 20 Cent teurer wird.