Gräfenberger feiern mitn ihren ungarischen Freunden
Autor: Petra Malbrich
Gräfenberg, Donnerstag, 09. Mai 2013
In politisch unruhigen Zeiten kommen Besucher aus Tiszaföldvár, um mit den Gräfenberger ihre zehnjährige Städtepartnerschaft zu feiern. Der umstrittene Premier Viktor Orbán soll an diesem Wochenende trotzdem keine Rolle spielen.
           
Eigentlich ist Janosch Swsziczek Schnapsbrenner. Aber in seiner Heimat Tiszaföldvár in Ungarn pflanzte er auch einige Reihen Weinstöcke an. Den abgefüllten Wein, der sich aus zwei Reihen ergibt, liefert er immer nach Gräfenberg. Gräfenberg, das ist die deutsche Partnerstadt von Tiszaföldvár. 
Seit zehn Jahren besteht nun diese Freundschaft und wird an den Tagen von Freitag, 10. Mai, bis Montag, 13. Mai, in Gräfenberg mit einem offiziellen und einem nicht minder abwechslungsreichen inoffiziellen Programm gefeiert. 
Zum Jubiläum wurde eine Jubiläumszeitschrift aufgelegt. Auch eine Schifffahrt mit anschließendem Besuch bei einem Winzer ist vorgesehen. Weniger der Wein als die Musik und der Tanz waren bei einer Veranstaltung vor vielen Jahren die Basis für diese Partnerschaft. Die Chöre beider Länder trafen sich und schlossen nach und nach Freundschaft. 
Vorangetrieben durch engagierte Bürger wie Janosch Swsziczek auf der einen und Hans Pickelmann, Gertrud Löhner oder Agnes Meinhardt auf der anderen Seite wurde der Partnerschaftsverein ins Leben gerufen. Wenn so viel Freundschaft bestehe, sollte man dies auch offiziell besiegeln, meinte der Bürgermeister Attila Borza aus Tiszaföldvár. Am 1. Mai 2003 unterschrieben er und Bürgermeister Werner Wolf (FW) die Urkunde und besiegelten die Städtepartnerschaft. 
Tiszaföldvár liegt am linken Theißufer und ist ein für deutsche Verhältnisse armer Ort mit etwa 12 000 Einwohnern. "Viele leben von der Landwirtschaft, bauen selbst an", sagt Gabor Kapocsanyi. Er war seit Vereinsgründung Zweiter Vorstand und hat erst vor einem Monat den Vorsitz übernommen. 
  
  Viele Ungarn wandern aus 
 Mit Kapocsanyi, der selbst aus Ungarn kommt, holten sich die Vereinsmitglieder einen Mann ins Boot, der ins Leben beider Nationen tiefen Einblick hat. 
Er weiß, wie schwer das Leben für viele Leute in Ungarn derzeit ist. "Die Bevölkerung geht. Alleine in den vergangenen zwei Jahren haben 500 000 Ungarn ihr Land verlassen", sagt er. Die Leute fänden in ihrer Heimat keine Jobs und das Leben sei so ähnlich teuer wie hier in Deutschland. Nur Brot und Brötchen seien billiger. Eine ungarische Eigentümlichkeit ist, dass dort nur wenige Menschen zur Miete wohnen. 
Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es dort sehr viele Hausbesitzer. Oder besser gesagt: es hat sie gegeben. Denn "die Leute sind hoch verschuldet, können ihre Zinsen nicht mehr bezahlen und haben ihre Ersparnisse verloren. Überall an den Häusern steht ,Zu verkaufen'", klagt Kapocsanyi. 
  
  Probleme für Mercedes 
 Auch viele Facharbeiter verlassen seinem Eindruck nach das Land, was inzwischen auch Mercedes zu spüren bekomme. Der Autobauer hat in Kecskemet, das etwa 40 Kilometer von Tiszaföldvár entfernt liegt, ein Werk errichtet. Mittlerweile hat Mercedes Probleme, ausreichend viele Fachleute zu bekommen. "Fachleute verdienen oft nur 400 Euro. Hautärzte nur 600 Euro", verdeutlicht Kapo csanyi das Problem.
Allerdings ist es den Ärzten seinem Wissen nach erlaubt, ein "Danke Geld" anzunehmen. In Deutschland würde man dazu wohl etwas weniger vornehm "Schmiergeld" sagen. Ohne das aber in Ungarn viele Patienten überhaupt nicht mehr behandelt werden würden. 
Für Kapocsanyi sind an den oft deprimierenden sozialen Zuständen in Ungarn aber nicht nur die geringen Verdienstmöglichkeiten schuld. Auch die Einkommenssteuer schade vor allem den unteren und mittleren Schichten: "Jeder bezahlt 17 Prozent Einkommenssteuer. Egal, wie viel man verdient." 
Auf der anderen Seite haben die Ungarn Premier Viktor Orbán mit einer Zweidrittel-Mehrheit ins Amt gewählt. "Die Leute glauben an ihn", sagt Kapocsanyi. 
Der Gräfenberger mit ungarischen Wurzeln ist kein Anhänger Orbáns. Dieser sein ein Täuscher und Blender, der im Ausland etwas anderes erzähle als seinen Landsleuten. Zudem hetze er die Parteien und Anhänger unterschiedlicher politischer Richungen aufeinander. 
Sicher, auch die vor Orbán regierenden Sozialisten hätten "Mist gebaut" und das Land verkauft. Orbán will nun die Wasserwerke und Gasspeicher zurückkaufen, was auch richtig sei. Wenn man Kapocsanyi so zuhört, kann es einem ein wenig bange um Ungarn und die Menschen dort werden. 
  
  Politik steht in der zweiten Reihe 
 Aber an diesem Wochenende soll das alles eher im Hintergrund stehen. Der Partnerschaftsverein versteht sich nicht als ein politischer Verein. Er feiert und vertieft stattdessen die Freundschaft, die sich zwischen den Menschen in beiden Ländern gebildet hat. 
 Das schließt Hilfen mit ein, wie die Spenden an eine Behindertenschule in Tiszaföldvár zeigt. Sicher kommt auch bei dem anstehenden Treffen zwischen den ungarischen und deutschen Freunden das Gespräch auf dieses Projekt. Solange sich die Menschen gegenseitig helfen, lassen sich vielleicht auch umstrittene Regierungen besser ertragen.