"Girls-und-Boys-Day" will Schluss machen mit den Rollenklischees im Job
Autor: Andreas Schmitt
Forchheim, Mittwoch, 26. April 2017
Der "Girls-und-Boys-Day", über dessen Erfolg diskutiert wird, wirbt für eine Aufweichung der Rollenklischees im Job. Über 40 Firmen sind im Kreis dabei.
"Es ist schade, wenn ich nur aufgrund meines Geschlechts die Hälfte der möglichen Berufe ausklammere", sagt Alexandra Grosch von der Arbeitsagentur Forchheim. "Die individuellen Talente des Einzelnen", so die Teamleiterin Berufsberatung, "sind nicht ans Geschlecht gebunden."
Eine Aussage, die auch aus einem Imagefilm des "Girls-und-Boys-Day", der am Donnerstag, 27. April, stattfindet, stammen könnte. Denn der Aktionstag, an dem sich im Landkreis über 40 Firmen, Schulen und karitative Einrichtungen beteiligen, will Schluss machen mit Stereotypen und traditionellen Denkweisen. Mädchen sollen sich, so der Ansatz, genauso für handwerkliche und technische Berufe begeistern wie Jungs für die Pflege oder die Erziehung.
Jungs erziehen, Mädchen bauen
"Bei uns blicken vier Jungs hinter die Kulissen", sagt Sandra Amon, Leiterin der Forchheimer Kindertagesstätte Sattlertor. Die Einrichtung ist zwar gar nicht offiziell Teil des bundesweiten Aktionstages, macht inoffiziell aber trotzdem seit einigen Jahren mit. Sandra Amon begrüßt Jungen im Alter von elf bis dreizehn Jahren, die dafür von ihrer Schule "freigestellt" sind. "Natürlich werden sie im Garten auch ein wenig spielen, aber vor allem lernen sie unseren Tagesablauf kennen." Das Ziel der Aktion: Den Jungen zeigen, dass auch typische Frauenberufe für sie interessant sein könnten. Bislang gab es zwar noch keinen jungen Mann, der sich am Sattlertor wegen des "Boys- Days" beworben hat. Die Hoffnung, dass sich das ändert und ihr derzeit aus 21 Frauen bestehendes Team einen männlichen Farbklecks erhält, gibt Sandra Amon aber nicht auf. "Der Boys-Day ist eine gute Situation, um den Betrieb kennen zu lernen. Die Jungs wissen dann, um was es bei uns geht."
Ein Satz, den Ralf Meisner fast wortgleich unterschreiben kann. Einzig den Artikel verwendet der Geschäftsführer der Forchheimer Sonderfahrzeug-Baufirma "Compoint" anders. Er sucht nicht einen, sondern eine. "Der Fachkräftemangel in der Branche macht auch vor uns nicht Halt. Deshalb halten wir nach neuen Arbeitskräfte-Gruppen Ausschau", sagt Meisner. Und genau hier kommen junge Frauen ins Spiel.
Gegen den Fachkräftemangel
"Bislang haben wir nur vier Frauen und über 20 Männer", sagt Meisner, der in vielen Betrieben ein - teilweise notgedrungenes - Aufweichen alter Rollenklischees beobachtet. " In Zeiten des Fachkräftemangels wirbt man um die Frauen."Deshalb hat "Compoint" heute auch drei junge Mädchen zu Gast in seiner Werkstatt, die die Geheimnisse des Baus von Feuerwehr-, Polizei- und Rettungsfahrzeugen kennen lernen. "Bislang hatte der Girls-Day bei uns leider noch keinen Effekt", gibt Ralf Meisner offen zu. Für eine ausgeschriebene Ausbildungsstelle als Kfz-Mechatroniker habe sich keine Frau, für einen Platz im Büro kein Mann beworben. "Aber wir sehen den Girls-Day auch nicht als einmalige Aktion, sondern als Teil einer Gesamtstrategie. Wir sind immer offen, wenn Mädchen - egal ob als Klassenausflug oder in Form eines Praktikums - bei uns hereinschnuppern wollen."
Statistisch wenig Einfluss
Ralf Meisner spricht eine Tatsache an, die auch Matthias Klar, Pressesprecher des Arbeitsagentur-Bezirks Bamberg-Coburg, nicht beschönigen will. "Statistisch schlägt sich der Aktionstag kaum nieder." Die Top 10 der Ausbildungsberufe von Männern und Frauen sind seit einigen Jahren fast unverändert. Auf den Positionen dahinter und in einzelnen Branchen, zum Beispiel dem Handwerk oder in Metallberufen, gebe es allerdings den Trend zu mehr Weiblichkeit. "Deshalb hat der Girls-Day seine Berechtigung", sagt Klar, der der Meinung ist, dass man bezüglich des Aktionstages keine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen dürfe. "Es geht um jeden einzelnen Menschen und dessen berufliches Leben." Eine Ansicht, die auch die Industrie- und Handelskammer und die Vereinigung der Metall- und Elektro-Arbeitgeber teilen. "Der Girls-und-Boys-Day ist ein wichtiges Element der beruflichen Orientierung für junge Menschen", sagt Michael Waasner, Vorsitzender des Forchheimer IHK-Gremiums. "Die IHK unterstützt den Aktionstag nachhaltig, obwohl die Teilnehmerzahlen rückläufig sind. Unserer Erfahrung nach klappt das an vielen Schulen sehr gut, nur an den Gymnasien muss noch an dieser Form der Berufsorientierung gearbeitet werden."
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber (bayme vbm) erklärt: "Um die Frauenquoten weiter zu erhöhen, müssen wir die Technikbegeisterung bei Mädchen bereits in jungen Jahren noch intensiver wecken." Und dafür sei seiner Meinung nach der Aktionstag "Girls-Day" ein geeignetes Mittel.
"Girls-und-Boys-Day" im Kreis Forchheim: Beteiligte Unternehmen und Schulen
Girls-Day
Siemens Healthcare, Auto-Teile-Unger, Globus Handelshof, Naturstrom AG, Kreisjugendring, Infiana Germany, Stadtwerke, Klinikum, Polizeiinspektion, Compoint, Simon Hegele (alle Forchheim), Lidl (Eggolsheim), Geiger Fertigungstechnologie (Pretzfeld), Bayerische Milchindustrie, Kennametal, Hannes Lange Schreinerei, Polizeiinspektion (alle Ebermannstadt), Schmetterling Reise- und Verkehrs-Logistik (Obertrubach), Elektron Komponenten/Systeme (Weißenohe), Minderleinsmühle (Neunkirchen am Brand), Obstinformationszentrum Fränkische Schweiz Hiltpoltstein (Organisation: Landratsamt), Ritter-Wirnt-Realschule (Gräfenberg)
Boys-Day
Kreisjugendring, Kinderkrippe Rabbel Zabbel, Caritas Alten- und Pflegeheim St. Elisabeth, KITA Sattlertor (inoffiziell), Toni Dress, Naturstrom AG, Seniorenzentren Jörg Creutzer und Johann Hinrich Wichern, Klinikum, Hörnlein Rechtsanwälte, Globus Handelshof, Der Beck (alle Forchheim), KITAs Kunreuth, Weilersbach, Weißenohe, Lohe (Hausen) und St. Nikolaus (Ebermannstadt), Grundschule Effeltrich, Waldkindergarten und Luther-Seniorenzentrum (beide Wiesenttal), Kath. Kindergarten Hetzles, Evang. und Kath. Kindergarten Neunkirchen, St. Martin-Kindergarten Eggolsheim. asch