Gefährlicher Kult um Hexen
Autor: Petra Malbrich
Forchheim, Freitag, 28. April 2017
Das Mystische und Geheimnisvolle, das Hexen umgibt, fasziniert immer wieder auch Jugendliche im Raum Forchheim.
"Pass auf, sie hat wieder ihre schwarze Phase," das braucht die Mutter heute zu Sarahs Freund nur zu sagen. Er weiß dann Bescheid, dass Sarah wieder von jener niederdrückenden Stimmung beherrscht wird, die sich irgendwann nach dem Treffen mit anderen "Hexen" eingestellt hatte.
Angefangen hat das Sarahs Interesse für Hexen ganz harmlos. Das Mystische und Geheimnisvolle, das sich hinter dem Wort "Hexen" verbirgt, fand sie zunächst attraktiv. Es ging ihr um Wissen, um Magie und Hellsehen, ein wenig auch um Liebespendeln. Im Internet tauchte sie immer tiefer in die Materie hinab, lernte auch andere "Hexen" kennen und traf sich schließlich mit ihnen in der Walpurgisnacht, in der Nacht vom 30. April auf 1. Mai.
"Schwarze Zirkel"
"Viele Menschen fühlen sich von dem neuen Hexenkult, von dieser Spiritualität angezogen", sagt Hans Markus Horst. Er ist Weltanschauungsberater der Beratungsstelle für Weltanschauungen in der Erzdiözese Bamberg. Pfarrer Enno Weidt aus Forchheim erinnert sich, dass er vor Jahren einmal ein Mädchen beerdigen musste, das in solchen "schwarzen Zirkeln" aktiv war und sich das Leben nahm. Für Pfarrer und Mitarbeiter in den Pfarreien sind solche Tendenzen in den meisten Fällen nicht zu erkennen: "Wer solche Tendenzen hat, tauscht sich nicht unbedingt mit dem Pfarrer aus", erklärt Weidt. Das Bild der Hexe hat sich seit Ende des 20. Jahrhunderts gewandelt. Die Hexe gilt nun als selbstbewusst, spirituell fortgeschritten und durchsetzungsstark. "Der Markt hält für dieses Gefühl viel bereit: Hexenbücher, Ritualratgeber, Kristallkugeln, Pendel, Harze, Steine und Kräuter und viele Anleitungsbücher sowie Praxishilfen", informiert Horst.
Geheime Praktiken
Im Gegensatz zu den USA und Großbritannien, wo die Hexen - Wicca genannt - eine anerkannte Religion sind, gibt es auch in Deutschland Hexen und Anhänger, die auf mehrere Zehntausend geschätzt werden. Wie viel genau, lässt sich nicht sagen, "weil Hexen in Deutschland eher versteckt und an geheimen Orten praktizieren", sagt Horst. Offizielle Daten und Erhebungen gibt es nicht, deshalb können keine genauen Angaben über Franken genannt werden. In der Beratungsarbeit gebe es kaum Anfragen dazu. Auch dem Schulamt sind keine Fälle des Hexenkults bekannt. Zumindest sei von den Schulpsychologen an den Mittel- und Realschulen nichts darüber berichtet worden. Seit zehn Jahren aber wird neben dem Okkultismus und dem Satanskult auch der "neuen Hexenkult" als Unterrichtsmodul in den Handreichungen für evangelische Religionsbücher für achte Klassen an bayerischen Gymnasien angeboten. Einfach von schwarzer Kleidung auf einen Faszination für Hexen schließen, kann man natürlich nicht. Das könne auch ein Zeichen der Individualität sein, findet Emge. Gleichwohl lässt sich eine Kommerzialisierung des neuen Hexenkults nicht übersehen. "Die alljährlich mit Walpurgisnacht und neuerdings mit Halloween einhergehenden Hexen-Events sind ebenfalls ein Teil des neuen kommerzialisierten Trends", sagt Horst. Da sind die Mittelaltermärkte mit Buden und Ständen mit Hexen, die Astrologie, Tarotkarten legen, Lebenshilfe und Handlesekunst anbieten. Neben diesem "öffentlichen Hexenzauber" gebe es durch das Internet aber auch gefährlichere Gruppen, die mit Ernst ihre magischen Kreise ziehen.
"Meist sind es Einzelpersonen, die sich ,frei fliegende Hexen' nennen oder kleinere Zirkel, Ritual- und Arbeitsgruppen. Darin geht es um mehr als bloßen Hexenspaß", informiert Horst. Diese Anhänger legen Wert auf Energie- und Ritualarbeiten.
Virtuelle Gemeinschaft
Auch hier existieren manche Kreise nur im Verborgenen, andere knüpfen über örtliche "Heidenstammtische" Kontakt und wieder andere gehen gezielt an die Öffentlichkeit, durch Internetangebote. "Diskussionsforen und Kontaktmöglichkeiten dienen dem gegenseitigem Austausch und vermitteln intern das Gefühl einer virtuellen Hexengemeinschaft", erklärt Horst. Für Außenstehende sei es schwer zu entscheiden, ob es sich um ernst gemeinte Angebote oder um kindlich-spielerischen Hexenschabernack handele. Wie sollen Eltern mit dem Interesse an Hexen und magischen Praktiken umgehen? "Für Eltern ist es notwendig, sich zu informieren, sich eine Meinung zu bilden, gesprächsbereit zu sein und gemeinsam Ursachen zu beseitigen, die den Nährboden für die Flucht ins Okkulte bereiten", erklärt Horst.