Gartenstadt und große Familie - die Forchheimer Kleingartenanlage "Hugo Post"
Autor: Andreas Schmitt
Forchheim, Sonntag, 21. Mai 2017
Die Kleingarten-Anlage "Hugo Post" ist eine der größten in Bayern. Gemüsebeete, Eine gemütliche Freizeitwelt, die aber auch feste Regeln hat.
Die "Ein-Drittel-Regel" ist Forchheimern gut bekannt. Die Öffnungszeiten der Bierkeller im Kellerwald werden grob mit dieser Faustformel angegeben: Je ein Drittel öffnet ganzjährig, eines im Sommer und das letzte zum Annafest.
Doch eine "Ein-Drittel-Regel" gibt es in Forchheim nicht nur im Kellerwald. Auch einige hundert Meter weiter in der Kleingartenanlage "Hugo Post", die so groß ist wie zehn Fußballfelder, ist sie geläufig.
Historie als Nutzgarten
"Die Tradition des Schrebergartens als Nutzgarten, der die Familie ernährt, soll erhalten bleiben", erklärt Siegfried Seyfried, der seit 1979 Mitglied bei "Hugo Post" ist und über die Historie des Vereins Buch führt. Deshalb soll die Fläche, auf der Obst und Gemüse angebaut wird, auch heute noch etwa ein Drittel der meist 200 bis 300 Quadratmeter großen Parzellen betragen. Das zweite Drittel ist für eine Garten-Laube inklusive Vorbau vorgesehen. Das dritte Drittel ist die Grünfläche, die jeder Besitzer individuell gestalten kann.
Grillplatz und Swimming-Pool
Die Vorlieben der Besitzer sind vielfältig: Während bei vielen der meist stationäre Grillplatz fest dazugehört, stellen sich andere ein Trampolin oder einen Swimming-Pool in die Gartenparzelle. Doch nicht nur auf den Freizeit-, sondern auch auf den Anbauflächen der über 320 Gärten nahe der Karnbaumweiher gibt es fast nichts, was es nicht gibt. Das Spektrum reicht von klassischen Sommerpflanzen wie Tomaten oder Gurken über ausgefeilte Kartoffelsorten und Beerensträucher bis hin zu Aprikosen und Blumenzüchtungen. Erlaubt ist alles, was schmeckt. Mit einer Ausnahme: "Ein Anbau zum Verkauf ist nicht gestattet", sagt Siegfried Seyfried. Grundlage ist das Bundeskleingartengesetz von 1983, das seitdem zum Beispiel auch die Kleintierhaltung verbietet.
Schrebergarten als Stück Freiheit
Doch genug der Vorschriften: "Ein paar Regeln müssen sein, aber wir messen nicht mit dem Maßband", sagt Siegfried Seyfried. Denn die Hugo-Post-Kolonie, eine der größten in ganz Bayern und die älteste Forchheims, ist trotz ihrer Grundregeln für die Parzellen-Besitzer vor allem eines: Ein Stück Freiheit und der Ausgleich für die fehlende Natur am Wohnort. Siegfried Seyfried: "Gerade in Forchheim-Nord ist der Geldbeutel oft nicht groß. Da ist der Schrebergarten die Freizeit."Wichtig ist den Forchheimer Kleingärtnern, dass die Vereinsmitglieder die Zeit in der autofreien Kolonie als etwas kontinuierliches ansehen. "Deshalb haben wir auch eine Grenze eingeführt und nehmen nur Mitglieder auf, die maximal acht Kilometer von Forchheim entfernt wohnen", berichtet Richard Götz, seit 2012 Vorsitzender des Vereins. "Wir hatten schon viele Interessenten aus Erlangen und auch Nürnberg. Oft haben die wegen der Fahrerei aber nach einem Vierteljahr die Lust verloren.Und das hat man auch am Anbau gesehen."
"Eine große Familie"
Sehr wichtig ist den Kleingärtnern von "Hugo Post" auch der Zusammenhalt. Die Vereinsgaststätte und der Kinderspielplatz sind beliebte Treffpunkte. Viele Gartennachbarn kennen sich schon lange, gießen die Parzelle des Nachbarn schon mal mit. "Wir sind eine große Familie", sagt Richard Götz. Und wer sich umschaut in der gepflegten Gartenstadt und sich dazu den Duft von Grillfleisch vorstellt, der im Sommer dutzendfach über das Areal weht - der ahnt, welches gemütliche Gefühl er damit meint.
Splitter aus der Sprechstunde der Kleingärtner im Vereinsheim
Parzellen-Belegung: Momentan, so berichtet Vorsitzender Richard Götz in der Sprechstunde des Kleingarten-Vorstands, sind neun Parzellen unbelegt. Die früheren Besitzer sind gestorben oder mussten aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Sorgen bereitet das nicht, neue Interessenten gibt es immer wieder. Aber: Der Ansturm war schon mal größer. "Jahrelang hatten wir eine Warteliste", sagt der 54-Jährige, der seit 2003 im Verein ist.
Arbeitsdienst-Alltag: Ein anderes Thema: der sieben Mal pro Jahr stattfindende Arbeitsdienst.Jedes Mitglied ist etwa alle zwei Jahre mal dran. Ausnahme: Schwerbehinderte sowie Frauen ab 65 und Männer ab 75. Diesmal wird an der Vereinshalle gemauert. Zwei Entschuldigungen sind möglich, sonst kostet es 60 Euro. Eigentlich alles klar geregelt. Doch ein Brief kam zurück. Götz: "Ein Mitglied vergisst immer, seine Adressänderung mitzuteilen."
Kartoffel-Experten: Nebenan wird gefachsimpelt: "Ich baue Bamberger Kartoffeln an", sagt ein Vereinsmitglied. "Die sind sehr gut." Doch alle Kartoffel-Experten kann er damit nicht überzeugen. Horst Lucius etwa vertraut seiner eigenen Erfahrung. Er wechselt jährlich die Kultur. Diesmal ist die Sieglinde dran, eine alte Sorte, die hervorragend sei für Kartoffelsalat. Sein Erfolgsrezept: "Mein eigener Kompost ist für mich wie schwarzes Gold."
Schnaps-Runde: Und dann wird noch gefeiert. Eine neue Parzellen-Besitzerin hat ihren Vertrag unterschrieben und gibt eine Runde Schnaps aus. Beim Zuprosten ertönt der Wunsch: "Auf ein gutes Gartenjahr." asch
Der Dauerkleingarten-Verein "Hugo Post"
Gründung 1920 durch Hugo Post, den ersten Leiter der Forchheimer Stadtgärtnerei. Er ließ eine Humus-Schicht auf die Lehmböden auftragen.
Beweggründe Um die Hungersnot nach dem 1. Weltkrieg zu bekämpfen, sollte eine Fläche entstehen, auf der Kleintiere gehalten und zusätzliche Nahrung angebaut werden konnte.
Mitglieder Am 1. Januar 2017 hatte der Verein insgesamt 350 Mitglieder - 313 davon waren aktiv und 37 passiv. Diese verteilen sich auf gut 320 Gartenparzellen. Elf Mitglieder besitzen gleich zwei Kleingärten, oft nebeneinander.
Gedenkstein Am Sonntag, 28. Juni 1970, wurde der Stein mit Inschrift zur 50-Jahrfeier des Kleingarten-Vereins enthüllt.