Früher gab es 120 Schulen im Landkreis Forchheim
Autor: Petra Malbrich
Forchheim, Montag, 09. Sept. 2013
120 Schulen hat es im Landkreis Forchheim einst gegeben. Viele Schüler mussten dennoch Tag für Tag strapaziöse Schulwege auf sich nehmen. Auch im Unterricht selbst ging es aus heutiger Sicht recht unkonventionell zu.
Die Grundschulen möglichst wohnortnah zu belassen, haben sich im bayerischen Landtagswahlkampf im Grunde sämtliche Parteien auf die Fahnen geschrieben. Selbst dann, wenn dafür verschiedene Jahrgänge zusammengelegt werden müssten.
Etwa 120 Schulen dürfte es im Landkreis Forchheim einmal gegeben haben. Mehr als 100 hat Michael Bauer fotografiert. Das seit Jahren stetige Schulsterben war Grund für ihn, diese Schulentwicklung nachzuzeichnen. Übrig geblieben sind heute noch 41 Schulen. Weitere Schließungen werden folgen. Der Grund sind schlicht und ergreifend die sinkenden Schülerzahlen.
Nach Konfession getrennt
Michael Bauer ist heute Rektor der Grundschule in Unterleinleiter und kennt als Lehrersohn die Schulen und die Veränderungen des Schullebens von Kindesbeinen an.
Da seine Eltern Lehrer waren, wohnte Michael Bauer im Schulhaus in Morschreuth. Einen Kindergarten gab es nicht, also nahm ihn der Vater mit drei Jahren mit in den Unterrichtsraum.
Dort waren die Kinder von der ersten bis zur achten Klasse in einem einzigen Raum zum Unterricht versammelt. Vorn saßen die Grundschüler, hinten die Hauptschüler, in der Mitte stand ein Klavier und hinten der Ofen. Lernten die Kleinen am Pult des Lehrers das Addieren und Subtrahieren, mussten sich die Großen derweil still beschäftigen. "Wir waren 52 Kinder in der Klasse", erinnert sich Gertrud Knorr.
Aber es habe am Ende doch funktioniert. "Vielleicht haben wir noch besser gefolgt. Wir haben vor der Lehrerin Respekt gehabt", sagte die Serlbacherin. In der siebten und achten Klasse unterrichtete damals die Rektorin das Fach Rechnen. Sie musste nur ein lautes Wort sprechen, dann kehrte Ruhe ein, erinnerte sich Knorr.
Und wer in den Schulen partout nicht folgte, bekam eine Watsch`n. Die Kinder wurden selbst aufgefordert, eine Rute mitzubringen, erinnert sich Gertrud Knorr an die Erzählungen ihres Ehemanns Franz.
Die Sache mit der Watsch'n bestätigt auch Georg Heid aus Wohlmannsgesees. "Sie waren auch manchmal launisch", sagt er im Rückblick über die Lehrer. Doch das Lernen mit verschiedenen Jahrgängen in einem gemeinsamen Klassenzimmer und nur einem Lehrer habe unterm Strich doch erstaunlich gut geklappt.
Ein Lob der Kameradschaft
"Wenn die einen vorne ums Pult herumstanden, erledigten die anderen Stillarbeit", erinnert sich Heid. Für Georg Heid war es schön, in der Realschule in Forchheim neue Schüler kennenzulernen, aber ebenso vorteilhaft fand er den Unterricht mit den Kleinen: "Man kennt sich und die Kameradschaft ist gut."
Eine Kameradschaft, die gerade für die Kinder, die keine eigene Schule im Ort hatten, wichtig war. Immerhin mussten sie ja gemeinsam den Schulweg bewältigen. Tag für Tag, egal bei welchem Wetter.
In Unterleinleiter befand sich die evangelische Schule im ersten Stock des Hauses, die katholischen Schüler wurden im Erdgeschoss unterrichtet. Der Egloffsteiner Raum beispielsweise war evangelisch, Seidmar katholisch, Hundshaupten war evangelisch und die Kinder aus Hundsboden mussten nach Seidmar zur Schule gehen.
Geschwand, Bärnfels und Obertrubach wiederum waren katholisch. In Dietenhofen war die linke Hälfte des Schulhauses evangelisch und rechts die Katholiken und selbst in der Zentralschule, der jetzigen Ritter-von-Traitteur Schule war mitten durch den Pausenhof ein Holzzaun, um die beiden Konfessionen zu trennen.
Die ersten evangelischen Kinder hat Heid in Reuth kennen gelernt. Das war 1964. Da zog die Familie nach Reuth, wo er nach "drei Jahren Besuch der ersten Klasse" dann eingeschult wurde. Nicht wegen der Konfession, sondern weil der Ort zu klein für eine Schule war, hatte Gertrud Knorr aus Serlbach einen langen Schulweg.
Der kleine Ort gehört zu Forchheim und nach Forchheim mussten die Kinder von dort zur Schule laufen. 45 Minuten Schulweg hin, 45 Minuten wieder zurück. Auch im Winter. "Wenn es geschneit hatte, konnten wir den Berg mit dem Schlitten runterfahren und stellten ihn in der Siedlung ab", erinnert sich die 76-jährige.
"Im Winter kamen wir oft patschnass in der Schule an. Doch wir durften die Schuhe ausziehen und an den Ofen stellen. Die Strümpfe wurden mit der Zeit in den Hausschuhen trocken", erinnert sich die Serlbacherin.
Patschnass in der Schule
Der Schulweg von Georg Heid führte von Wohlmannsgesees nach Muggendorf. Auch er und die sechs oder sieben anderen Schüler kamen nach dem zwei Kilometer langen Schulweg oft völlig durchnässt im Klassenzimmer an und wärmten sich am Kachelofen auf.
"Aber wir waren trotz der Anstrengung, bei einem Viertel Meter Neuschnee zu laufen, fit. Wir sind den Weg in 20 Minuten gelaufen und waren selten krank, da wir abgehärtet waren", erinnert sich der 60-jährige.
Dennoch: Es kam schon vor, dass es den Kindern auf ihrem Schulweg mulmig zumute gewesen ist. Dann waren sie froh, wenn es ihnen bekannte Menschen waren, die ihnen da entgegenkamen.
Einer Mitschülerin aus der Kuchenmühle, einem Einsiedlerhof, ging es nicht so gut. "Sie musste vier Kilometer marschieren und immer alleine. Sie hatte schon Angst", erinnert sich Heid mit leisem Schaudern. Der Zusammenhalt sei auch aufgrund dieser Beschwernisse sehr gut gewesen. Man wartete aufeinander, um den Schulweg gemeinsam bestreiten zu können.
Auch Gertrud Knorr und die anderen Kinder vereinbarten einen Treffpunkt. "Man hat sich beeilt, weiterzukommen, wenn es im Gebüsch raschelte und klapperte." Ganz schlimm waren aber die Sirenen im zweiten Weltkrieg. Wie alle Kinder versteckte sich die damalige Zweitklässlerin Knorr im Wald.
Für Georg Heid und seine Kumpels brachte die enge Freundschaft mit den fast gleichaltrigen Dorfbewohnern andere Erinnerungen: "Wir haben ein wildes Gewächs am Waldrand zerrieben, in Zeitung gewickelt und auf dem Heimweg geraucht. Als wir zu Hause ankamen, war uns hundeelend", sagt er lachend.
In einem Bus wäre das nicht möglich gewesen. Allerdings begrüßen es Heid und Gertrud Knorr auf der anderen Seite auch, dass den Kinder heute vergleichbare Strapazen erspart bleiben.
Mit einem Bus ist Georg Heid, der 1969 aus der Schule entlassen wurde, nie gefahren. Erst im September 1969 wurde der erste Schulbus eingesetzt.