Franken und Anatolier durch die Augen zweier Fotografen
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Sonntag, 08. November 2015
Wandelnde zwischen den Kulturen sind die Fotografen Cella Seven und Jochen Menzel. Ihre Fotos aus Anatolien und Franken berühren durch ihre "Austauschbarkeit". Zu sehen sind die Bider in den Forchheimer Rathaushallen.
"Farbfotos sind geschwätzig", hatte Fotograf Cella Seven zu seinem Beitrag zur Ausstellung "Bilderwelten - mein Franken, mein Anatolien" in den Rathaushallen erklärt, weshalb er seine Porträts von Franken alle schwarz-weiß gehalten habe. Dennoch war es eins der Farbbilder von Jochen Menzel, das Devrim Seven - eine Verwandte des "anatolischen Oberfranken" - in Erstaunen versetzte.
Menzel nahm es 2009 bei einer Reise nach Ostanatolien auf. Es zeigt einen alten Friedhof in der Provinz Corum. "Das ist das Grab des Schwiegervaters meiner Tante", ist sich die junge Frau wegen des seltenen Familiennamens auf einem Grabstein sicher.
"Landschaft ist nicht nur ein geografischer Begriff. Sie bildet Lebenswelten ab", hatte Dieter George, der scheidende Kulturbeauftragte der Stadt Forchheim, als verbindenden Gedanken aller gezeigten Fotografien zusammengefasst. Viele alte Männer sind unter Sevens Porträtierten.
Mehrmals sprechen Besucher Seven darauf an, und er versichert jedem: "Das ist der Burgers Kaschper aus Geiselwind." Entstanden ist das Porträt, als Seven für einen Geburtstag als Fotograf engagiert war, und Kaspar Burger unter den Gästen weilte.
"Der Burgers Kaschper oder Cellaleddin Rumi", fasst ein Betrachter seine Gedanken mit einer Anspielung auf Sevens vollständigen Vornamen zusammen.
Sein Gedanke liegt ganz auf der Linie, die Laudator Zafer Titiz als Ausgangspunkt nahm: "Zwei Menschen verschiedener Herkunft haben Menschen fotografiert, ohne ihre Herkunft hervorzuheben." Das im Hinterkopf ergeben sich plötzlich ganz neue Querverbindungen zwischen den Fotografien.
Die Ähnlichkeit der Strickmuster der wärmenden Jacken einer fränkischen Bäuerin und einer anatolischen Sennerin fallen auf. Der gelassene Blick, das In-sich-ruhen, bei Franken wie Türken am Ende eines arbeitsreichen Lebens.
Ein eklatanter Widerspruch liegt dagegen zwischen zwei Aufnahmen von Menzel: Das eine zeigt eine Kinoreklame mit übermäßig geschminkten Frauen; eine junge Frau, die bepackt mit ihren Habseligkeiten zur Sommeralm aufbricht, das andere.
George fand als Oberbegriff für alle Bilder das Wort Heimat - im Sinne von Sich-wiederfinden. Gerade im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert seien viele Heimatbindungen gewaltsam oder freiwillig unterbrochen worden. Gleichwohl habe der Mensch immer das ihm Vertraute in der Fremde gesucht oder die Erfahrungen in der Fremde, die fremden Eindrücke in den alten Lebensraum integriert. Georges Schlussfolgerung: "Die beiden Fotografen zeigen Nähe mit Augen, die auch Fremdes gesehen haben."
Für die gute Zusammenarbeit dankte Gülseren Suzan Menzel George. Sadik Kirici und Ahmed Sitti brachten mit Saz und Handtrommeln den Klang der Weite in die Rathaushallen.