Forchheimerin unterhält sich mit der ganzen Welt
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Freitag, 03. Januar 2014
Seit zwei Jahrzehnten pflegt Evi Geist Kontakte mit Menschen in aller Welt. Schon vor 100 Jahren wurde in Forchheim Esperanto gesprochen - ein Grund zu feiern.
Wer kennt schon Delmondo oder Babm? Oder Ido und Glosa? Weltweit soll es rund 6000 solcher Plansprachen geben. Durchgesetzt hat sich keine einzige. Außer Esperanto. Und auch diese Sprache werde "viel zu wenig gesprochen", bedauert Evi Geist. "Esperanto fehlt einfach die Lobby der Politiker. Die müssten dann ja selbst Esperanto lernen - und dazu haben sie keine Lust", sagt die 63-Jährige, die seit 20 Jahren Esperanto lernt, spricht - und lehrt.
Welche Möglichkeiten Esperanto eröffnen kann, das zeigt die Biografie von Evi Geist. Sie stammt aus Österreich, ist in St. Veit in Kärnten geboren, und in der Hauptschule ihrer Jugendzeit war es nicht üblich, eine Fremdsprache zu lernen. Als junge Frau kam Evi Geist vor 40 Jahren nach Forchheim und arbeitete in der Praxis eines Kinderarztes.
Keiner gab Auskunft
Evi Geist ging durch Forchheim und fragte alle möglichen Menschen, ob sie Esperanto kennen? Wo denn die Sprache unterrichtet werde? Sogar im Rathaus und im Landratsamt fragte sie nach. "Keiner konnte mir Auskunft geben. Da habe ich mich erst recht in die Sache rein gefuchst", erinnert sich die 63-Jährige.
In einem Zeitungsartikel über Franz Och, den europabegeisterten Ex-Bürgermeister aus Pretzfeld, tauchte plötzlich der Begriff Esperanto auf. Evi Geist wandte sich an Franz Och und der empfahl ihr einen Esperanto-Lehrer in Pegnitz. Ein Jahr lang fuhr Evi Geist mit drei Freundinnen dann wöchentlich nach Pegnitz - und lernte. Für die junge Frau war das der Einstieg in ein neues Leben: Die Plansprache, die sie seit 1993 auch selbst lehrt, war für Evi Geist ein Türöffner in die Welt; und auch Anreiz, andere Sprachen wie Italienisch und Englisch zu lernen. Die jährlichen Esperanto-Kongresse haben der Forchheimerin Kontakte und Reisemöglichkeiten eröffnet. Heute hat sie Freunde in Malta, Polen, Island oder Japan. "In Esperanto-Kreisen herrscht eine Gastfreundschaft, die kann man sich nicht vorstellen. Manchmal glaubt man, das sind andere, herzlichere Menschen." Es sei ein großartiges Gefühl, sich in aller Welt Informationen "aus erster Hand" zu holen, sagt Evi Geist. "Ich kann ja keine zehn Sprachen lernen." Dank Esperanto konnte sie sich etwa nach Fukushima sehr persönlich über die Folgen der Katastrophe informieren.
Evi Geist hat in einer Ausgabe des Forchheimer Tagblattes einen Beleg gefunden, dass Esperanto in Forchheim schon vor 100 Jahren gepflegt wurde. In dem Artikel vom 17. März 1914 bietet der oberfränkische Esperanto-Verband einen Kurs in dieser "Welthilfssprache" an. Evi Geist erzählt, dass Esperanto Anfang des 20. Jahrhunderts in der Arbeiterbewegung einen mächtigen Boom erlebte. Ein Weltkongress war 1914 in Paris geplant. Dann kam der Weltkrieg; und dann Hitler und Stalin, die Esperanto verteufelten. In Deutschland landeten nicht wenige Esperantisten im KZ.
Obwohl diese Plansprache zum Frieden in der Welt beitragen könnte, "wird Esperanto wohl nie eine Weltsprache werden", meint Evi Geist. "Zumindest nicht, solange die Europa-Politiker die Sprache in Brüssel nicht absegnen." Dass es nicht immer ganz leicht ist, Menschen für Esperanto zu motivieren, hat Evi Geist in ihrer eigenen Familie erfahren. Ihre Tochter wollte mit zum Weltkongress nach Tokio. Ja, sagte die Mutter, du kannst mitkommen, wenn Du Esperanto lernst. Die Tochter lernte sechs Wochen fleißig und flog mit nach Japan. "Wie die Sache nach der Rückkehr ausging", sagt Evi Geist, "das können Sie sich denken."