Druckartikel: Forchheimer Zahnärzte fühlen sich in der Coronakrise allein gelassen

Forchheimer Zahnärzte fühlen sich in der Coronakrise allein gelassen


Autor: Ronald Heck

LKR Forchheim, Donnerstag, 16. April 2020

Ihr Infektionsrisiko ist hoch, gleichzeitig dürfen und sollen sie behandeln: Forchheimer Zahnärzte berichten von großen Herausforderungen und gestohlenen Schutzmasken. Eine Praxis rüstet sich mit Maleranzügen und Schwimmbrillen für den Corona-Notfall.
Sie werden bei der Versorgung mit Schutzausrüstung im Stich gelassen: Die Forchheimer Zahnärzte haben sich ihre Schutzvisiere über persönliche Kontakte selbst organisiert. Foto: Ronald Heck


Im Behandlungszimmer einer Zahnarztpraxis lauert die Gefahr, das Corona-Virus zu verbreiten, besonders. Nicht unbedingt für den Patienten auf dem Stuhl, aber für die Behandler. "Wir haben die volle Viruslast, die uns ins Gesicht bläst", verdeutlicht der Forchheimer Zahnarzt Florian Rathe die Gefährdung, falls ein Patient infiziert ist.

Der Gemeinschaftspraxis Schlee und Rathe geht es wie vielen Kollegen in der Region Forchheim: Die Epidemie überraschte die Zahnarztpraxen ohne Vorwarnung und stellt sie vor enorme Herausforderungen. Sowohl unter Praxismitarbeitern als auch Patienten herrscht Verunsicherung und die Angst vor einer Ansteckung geht um.

Trotzdem stuft das deutsche Corona-Gesetzespaket Zahnmediziner bei der Verteilung von Schutzausrüstung als "nachrangig zu beliefern" ein. "Keiner hat sich darum geschert, was das für uns Zahnärzte, die Mitarbeiter und deren Familien bedeutet", kritisiert Markus Schlee. "Wenn man von uns verlangt, dass wir weiter für die Patienten da sind, dann wäre es zumindest angemessen, dass wir FFP2-Masken bekommen." Obwohl sie Bedarf angemeldet haben, hat die Forchheimer Praxis noch keine einzige geliefert bekommen.

Die Zahnärzte sind auf sich allein gestellt, um sich und ihre Mitarbeiter besser zu schützen, erklären die beiden Forchheimer Zahnärzte. Die normalen Lieferwege funktionierten bereits unzureichend, jede Praxis muss sich bemühen, selbst an Schutzausrüstung wie Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel zu kommen. "Momentan ist unsere Versorgung gesichert, aber eben keine einzige FFP2-Masken", sagt Schlee.

Was das Corona-Virus in der Zahnmedizin besonders gefährlich macht, ist das Aerosol: Feiner Wasserspray-Nebel, der sich im ganzen Behandlungsraum verbreitet, wenn Ärzte oder Hygienikerinnen mit Ultraschall oder Turbinen im Mund arbeiten. Über persönliche Kontakte haben sich Schlee und Rathe Schutzvisiere organisiert. Deren Halterungen kommen aus dem 3D-Drucker, die Visiere sind Overheadprojektor-Folien. Die tragen sie nun zusätzlich über dem Mundschutz und der Haube.

"Wir versuchen alle Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko zu minimieren", sagt Schlee. Die fünf Mitarbeiterinnen in der Praxis, die vor allem Zahnreinigungen durchführen, verzichten nun auf die Ultraschallgeräte und reinigen die Zähne nun ausschließlich mit Handinstrumenten und Polierpasten. Das mache ihre Arbeit schwieriger, aber etwas sicherer.

"Wir haben Respekt aber keine Angst", betont Schlee. Die Forchheimer Zahnärzte bitten, Patienten mit Symptomen sich vorher telefonisch zu melden und nicht direkt in die Praxis zu kommen. Einen positiv getesteten Fall könnten sie aktuell nicht behandeln. "Wir wüssten nicht einmal, wo wir so einen Patienten hinschicken könnten", sagt Rathe. Aber auch für den größten Notfall hat die Praxis sich vorsorglich vorbereitet. Zahnarzt Schlee zeigt: "Wir haben uns sicherheitshalber Maleranzüge und Taucherbrille besorgt, für den Fall, dass ein Patient aufschlägt, der Probleme hat und wir ihm helfen können."

Neben der mangelnden Ausrüstung hat die Verunsicherung der Patienten konkrete Folgen: Die Hälfte der Patienten der Gemeinschaftspraxis sagt derzeit ihre Termine ab. Markus Schlee arbeitet seit 30 Jahren als Zahnarzt in Forchheim. "Plötzlich Zeit zu haben, das habe ich in meinem Berufsleben noch nie erlebt", sagt der gebürtige Ebermannstadter.

Die Forchheimer Praxis hat nun drei Wartezimmer eingerichtet, damit die Patienten auseinander sitzen können. Zahnarzt Florian Rathe ist sich sicher: "Wenn Praxen die Gefahr verantwortungsvoll handhaben und Aufwand für Hygiene betreiben, ist der Patient geschützt."

Die Angst vor dem Corona-Virus hat bei einem ihrer Patienten zu einer fragwürdigen Reaktion geführt: Während ein Patient allein im Behandlungszimmer war, habe er eine ganze Schublade an Schutzmasken ausgeräumt und mitgenommen. Seitdem sind die Masken zentral gelagert.

Noch gehe es der Gemeinschaftspraxis wirtschaftlich gut, da genug Patienten kommen. Weil Schlee und Rathe Spezialisten für Implantologie und Parodontologie sind, haben sie regelmäßig Kontakt zu anderen Praxen, die Patienten überweisen. Markus Schlee weiß aus erster Hand von den Nöten der Kollegen in der Region. Manche führen nur noch Notfallbehandlungen durch. Viele kleinere Zahnarztpraxen in Bayern haben wegen der Corona-Krise bereits endgültig geschlossen.

Das Praxis-Mannschaft von Schlee und Rathe trifft sich wegen der Pandemie nun wöchentlich zu Teamsitzungen und bespricht die aktuelle Entwicklung. Die Krise werden nun genutzt, um Überstunden abzubauen. Weil noch genügend Patienten kommen, haben die Mitarbeiterinnen sogar drei Monate Job- und Gehaltsgarantie bekommen. Auch wenn sich Zahnarzt Markus Schlee in der Krise bei der Schutzausrüstung-Versorgung allein gelassen fühlt, freut er sich über den Zusammenhalt im Team: "Wir in der Praxis ziehen alle an einem Strang."