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Forchheimer St.-Martinskirche wurde Stück für Stück erbaut


Autor: Elisabeth Görner

Forchheim, Dienstag, 14. Mai 2019

Die Forchheimer Stdatpfarrkirche enthüllt Expertenaugen ihre Geheimnisse.
An ihren Steinen kann man die Geschichte der St.-Martinskirche in Forchheim ablesen. Die Forchheimer Stadtpfarrkirche hat viele Geheimnisse, die kundige Augen entdecken.Archiv


Die Altstadtfreunde hatten zu einem Vortrag im Rahmen der Forchheimer Hausgeschichten eingeladen mit dem spannend klingenden Titel "Vom Tatort Martinskirche - was uns die Spurensicherung von 2010 über die Baugeschichte verrät".

Auch wer die St.-Martinskirche in Forchheim einigermaßen zu kennen glaubt und an Kunst- und Baugeschichte interessiert ist, konnte sich bei dem Vortrag Sonja Voglers (Innenarchitektin mit Master-Studium der Denkmalkunde) nur wundern, was allein schon geschulte Augen im für den Laien scheinbar einheitlichen Gemäuer dieser sehr alten Kirche entdecken können. Da gibt es zum Beispiel nur schwer erkennbare Abdrücke ehemaliger Rundbögen und zugemauerte Öffnungen an der östlichen Fassade.

Die große Besonderheit des Gesamtkörpers der Kirche ist aber ein sogenannter Querbau auf der Südseite, dort wiederum im östlichsten Joch des insgesamt geosteten Sakralbaus. In der Architektur versteht man unter Joch ein sich regelmäßig wiederholendes Gliederungselement: hier einen von jeweils vier Stützen bzw. Säulen getragenen, überwölbten Raumteil. Dieser Querbau wird nach bisherigen Erkenntnissen als der älteste Teil der Kirche angesehen - wobei der Laie nur schlecht erkennen kann, zu welchem Bezugspunkt er sich tatsächlich quer befindet.

Es ist noch nicht klar, ob es sich einmal um ein eigenständiges Gebäude gehandelt hat oder ob der Querbau Teil eines geplanten Querhauses bzw.Querschiffs war. Auf Grund von außen sichtbaren Verzierungen, die denen am Bamberger Dom ähneln, wird dieser Teil der Kirche auf die Zeit um 1220 datiert.

Auch im Innenbereich fällt der Querbau auf, da sein Kreuzrippengewölbe deutlich höher liegt als die der übrigen Joche. Allerdings kann man im Dachwerk des Gebäudes eine hochgezogene südliche Mittelschiffmauer sehen, die noch im Kirchenraum selbst oberhalb der Arkadenbögen beginnt, die die Grenze zu den niedrigeren Seitenschiffen bilden; diese Mauer weist Kennzeichen aus der Romanik auf und sogar Reste eines ehemaligen Turmes aus der Zeit.

Auch die unter dem Querbau liegende Krypta gehört zu den ganz alten Gebäudeteilen von St. Martin. Um 1340 entstand der Chorraum, nachweisbar noch mit einem durchgehenden Satteldach über dem Mittelschiff; das heutige beeindruckend große Dach der Kirche wird als Hallendach bezeichnet.

Eine Liberei (altes Wort für Bibliothek) über der Sakristei, mindestens aus der Zeit um 1678 wurde 1720 im Zuge der barockisierenden Umbaumaßnahmen ganz abgerissen; im Ostgiebel des Querbaus und in der Chorsüdwand findet man aber noch Abdrücke ihres Gewölbes.

Das Resümee aller Forschungen ist auf jeden Fall, dass St. Martin als Kirchenbau wirke wie "ein in sich verschobenes und windschiefes Gebäude” und dass kein Architekturkonzept für einen geplanten Bau feststand, sondern dass ein oder mehrere Bauten über Jahrhunderte in ein Konzept eingepasst wurden.

Als Sonja Vogler den Vortrag schon einmal hielt, hörte auch der damalige Pfarrer Holzschuh zu und gestand, dass dieses "Verschobene und Windschiefe" ihn schon oft gestört und er sogar mit dem Gedanken gespielt habe, Manches begradigen zu lassen.

Aber nun habe er die Ursachen verstanden und sehe das Kostbare darin: die wunderbare Bau-Geschichte der Martinskirche nachvollziehen zu können.