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Forchheimer Ärzte werden online bewertet


Autor: Verena Pohl

Forchheim, Freitag, 04. April 2014

Auf Online-Bewertungsportalen können Patienten ihre Ärzte im Internet bewerten. Dabei ist von überschwänglichem Lob bis hin zu Unterstellungen wie "bei der Untersuchung wurde ich angesteckt" alles dabei. Auch Ärzte aus Forchheim und Umgebung sind betroffen. Doch nicht alle finden das gut.
Grafik: Carolin Höfler


Sie heißen Jameda, Docinsider oder Esando und versprechen umfangreiche Information über Ärzte: Name, Fachgebiet, Adresse, Telefonnummer, Sprechzeiten. Dazu Bewertungen anderer Patienten, so dass man den Arzt besser einschätzen kann. Auf den ersten Blick wirkt das Angebot der Bewertungsportale gut. Doch die Sache hat einen Haken: Was soll ein Patient damit anfangen, wenn ein und derselbe Arzt nur zwei Bewertungen hat, die sich aber gegenseitig widersprechen?

Ulrich Hintze ist Zahnarzt in Forchheim und ist bestürzt, dass sich der Einfluss der Bewertungsportale auf die Arztwahl nur schlecht eindämmen lässt: "Das ist ein bisschen wie mit Hotelbewertungen, nur dass ich einen verpatzten Urlaub leichter verschmerzen kann als eine verpfuschte Behandlung, wenn ich mich von gekauften Bewertungen blenden lasse." Der 53-Jährige sieht in den Noten "eine Pseudo-Information ohne jede Verantwortung, weil niemand weiß, wer das geschrieben hat

und auch keiner dafür gerade stehen muss."

Schon oft geärgert

Die Frauenärztin Gisela Benoist aus Ebermannstadt vermeidet es inzwischen bewusst, sich Online-Bewertungen anzuschauen. "Ich hab' mich da schon oft geärgert. Einmal kam eine Patientin hier rein, ohne Termin, dachte aber, die Welt dreht sich um sie und wollte eingeschoben werden. Das haben wir dann auch gemacht, aber sie hat sich mit einer schlechten Bewertung bedankt: ich soll mir zu wenig Zeit genommen haben. Besonders bei Frauen ist da einfach die Gefahr des Zickenalarms sehr groß." Seit 18 Jahren hat die 51-Jährige inzwischen ihre Praxis, über einen Mangel an Patienten kann sie nicht klagen. Aber dass sich im Internet "jeder nach Lust und Laune auskotzen kann, ist nicht mein Ding", sagt die Gynäkologin.

Auch die Bayerische Landesärztekammer sieht die Bewertungsportale grundsätzlich kritisch. "Sicher können Patienten die Servicequalität, Wartezeiten, die Freundlichkeit des Arztes oder die Praxisorganisation beurteilen. Problematisch wird es, wenn Patienten Urteile über medizinische Leistungen abgeben", erklärt Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer. Freie Textfelder hält Kaplan für kontraproduktiv, da sie zu unsachlichen und subjektiven Kommentaren verleiten würden. Aber sind nicht ohnehin alle Bewertungen, die auf solchen Portalen abgegeben werden, subjektiv?

Wer steckt dahinter?

Der Forchheimer Augenarzt Manfred Kneißl hält die Online-Bewertung von Ärzten schlichtweg für "eine Sauerei. Da kann jeder einfach anonym eine Bewertung abgeben, für den Arzt sind diese Leute nicht fassbar." Bei einer Fortbildung will der 66-Jährige vor kurzem erfahren haben, wer hinter den Bewertungsportalen steckt. "Das wird alles von großen Verlagen betrieben, die verdienen damit ihr Geld. Wenn man bei ihnen zahlendes Mitglied wird, bekommt man auch gute Bewertungen, sonst sind die Urteile schlecht", ist der Forchheimer überzeugt. "Ich brauche sowas nicht. Und meine Patienten auch nicht, die sind mit mir alt geworden."

Für Anregungen oder Kritik hat Kneißl eine Kiste in seiner Praxis stehen, dort können die Patienten Zettel einwerfen. Aber die wird nur selten genutzt, was kommt, sind etwa Beschwerden, dass die Treppen zur Praxis zu steil seien, erzählt Kneißl. Teilweise benutzen Patienten die Kiste auch einfach als Abfalleimer. "Lob ist selten. Was gut ist, ist nämlich selbstverständlich, aber herumgemäkelt wird an jeder Kleinigkeit", beschreibt der Augenarzt seine Erfahrungen. Online sei das auch nicht anders - "außer, man zahlt, dann werden die negativen Bewertungen rausgefiltert."

1000 Euro im Jahr

Eine Behauptung, der Stefan Meissner entschieden widerspricht. Der Zahnarzt ist einer von wenigen Ärzten im Landkreis, die bei Jameda - das übrigens zum Burda-Verlag gehört - ein Premium-Profil besitzen. Das bedeutet: Der Arzt kann sein eigenes Foto und Bilder von der Praxis hochladen und auch sich und seine Arbeit in einem Text vorstellen. Das lässt sich der 48-Jährige rund 1000 Euro im Jahr kosten.

"Wir haben uns dafür entschieden, weil einfach inzwischen sehr viele Patienten ihre Ärzte anhand von Bewertungsportalen auswählen", erklärt Meissner. "Persönliche Empfehlungen sind natürlich auch weiterhin wichtig, aber eine Anzeige im Telefonbuch bringt nichts mehr und ist viel teurer. Und die Bewertungsportale werden bei Google immer ganz oben angezeigt!"

Und das funktioniert, wie Meissner beteuert. In seiner Praxis werden neue Patienten stets gefragt, wie sie auf ihn aufmerksam geworden sind, "und da kommen viele über die Bewertungsportale." Dass ein solches Premium-Profil vermehrt Privatpatienten anlockt, wie Jameda selbst auf seiner Seite anpreist, kann Meissner allerdings nicht bestätigen. Und: Auch mit Premium-Profil könne man schlechte Beurteilungen kassieren. "Die Bewertungen werden nicht gefiltert! Wir sprechen die Patienten aber auch nach der Behandlung gezielt darauf an, dass wir uns über eine Bewertung freuen würden."

Oft zu wenige Bewertungen

Eine Möglichkeit, die allen Ärzten offen stehen würde - ob mit oder oder Premium-Profil. Denn Fakt ist: Bei vielen Ärzten in und um Forchheim wurden nur wenige Bewertungen abgegeben. Wenn die sich nun grundsätzlich widersprechen, ist dem Patienten nicht geholfen. Und wenn ein Arzt sogar nur eine Bewertung hat, die aber sehr schlecht ist, kann das sogar geschäftsschädigend sein.

Damit das nicht passiert, bietet die AOK mit dem Arztnavigator ein eigenes Online-Bewertungsportal an. Hier müssen sich Nutzer registrieren, und zwar mit ihrer AOK-Versichertennummer. Damit soll vermieden werden, dass ein Nutzer einen Arzt mehrfach bewerten kann. Außerdem werden Bewertungen nur angezeigt, wenn mindestens fünf Bewertungen vorliegen. Allerdings können deshalb auch über Forchheimer Ärzte bislang keine Bewertungen abgerufen werden.