Forchheimer Adressen auf rechter Feindesliste: So gefährlich ist die Hetze
Autor: Ronald Heck
Forchheim, Freitag, 05. Juni 2020
Im Internet kursiert ein Dokument, das angebliche "Antifa-Mitglieder" enthüllt - darunter neun Adressen in der Königsstadt. Der FT hat die Hintergründe recherchiert und mit einem Forchheimer gesprochen, der im Visier der rechten Hetze gelandet ist.
Als er er in einem Chatverlauf plötzlich auf eine ominöse Liste stößt, wird FT-Leser Max Bauer* sofort hellhörig - und misstrauisch. Ein Nutzer hatte ein Dokument mit dem Titel "Mitglieder der Antifa" über den Messengerdienst Telegram geteilt. Im Schutze der Anonymität behauptet der Nutzer, "die amerikanische Polizeibehörde" habe einen Tag vorher eine Antifa-Liste für Deutschland enthüllt.
Ungeheuerliche Liste
Bauer kann kaum glauben, was er dort liest: Rund 25 000 Namen samt Adressen sind aufgelistet. In der langen Liste stehen auch neun Namen mit Anschriften in Forchheim. "Ich denke schon, dass alleine die Öffentlichmachung eine Ungeheuerlichkeit ist", schreibt er an die FT-Lokalredaktion Forchheim.
"Was aber für mich das Schlimmste ist, dass die genannten Personen - eventuell sogar in Unkenntnis - der Willkür Rechten hilflos ausgeliefert sind", sagt Bauer und wünscht sich Aufklärung: Wie viel Wahrheit steckt hinter der ominösen Antifa-Liste? Und wie gefährdet sind die aufgelisteten Forchheimer?
Der FT versucht die angeblichen Antifa-Mitglieder aus der Königsstadt zu kontaktieren und kann einen der gelisteten Haushalte telefonisch erreichen. Es zeigt sich: Die Forchheimer Namen und Adressen gibt es wirklich.
Dokument ist eine Fälschung
Aber: Die angebliche Antifa-Liste ist eindeutig eine Fälschung. "Nicht einmal ansatzweise hat irgendjemand an dieser Adresse irgendetwas mit der Antifa zu tun", sagt Klaus Meier*, der allein von der Anfrage hörbar überrascht ist. Er selbst ist Beamter. Meier sei zwar politisch interessiert, aber in keiner Weise orientiere er sich in eine extreme politische Richtung - weder links noch rechts. Die Forchheimer Anschrift ist die seiner Eltern, Maier wohnt selbst seit Jahren gar nicht mehr in Forchheim. Sein Vater und seine Mutter wissen nicht einmal, was der Begriff Antifa überhaupt bedeutet.
Fake wird wieder vermehrt geteilt
Seit Jahren kursieren online als "Todes-" oder "Feindeslisten" bekannte Dokumente. Politisch extreme Gruppen stellen Namen und Anschriften ihrer politischen Gegner ins Netz. Sie wollen den Gegner an den Pranger stellen, einschüchtern oder andere aufhetzen.
Bereits 2017 tauchte in den sozialen Netzwerken eine Liste mit 25 000 angeblichen Antifa-Mitgliedern auf, auch der Verein Mimikama ("Verein mit dem Ziel der Aufklärung über Internetmissbrauch") deckte die Fälschung auf. Sie basiert auf Kundendaten, die rechtsextreme Hacker von einem Punkrock-Versandhandel gestohlen hatten.