Forchheim schreibt Rechtsgeschichte
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Freitag, 08. Dezember 2017
Ein Verwaltungsgerichtsurteil über die Kreisumlage hat für Stadt und Landkreis finanzielle, aber auch bürokratische Folgen.
Kriegt die Stadt 14,2 Millionen Euro zurück oder darf sie der Kreis behalten? Das ist nicht die Frage, weshalb der Kreisausschuss darüber beriet, ob der vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth unterlegene Kreis in Berufung geht. Das Urteil vom Oktober wirft mehr Fragen auf als es beantwortet, sagte denn auch Franz Streit, Bürgermeister von Forchheim und CSU-Kreisrat.
"Die Rechtsfrage, weshalb wir vor Gericht gezogen sind, wurde gar nicht beantwortet", fuhr er fort. Dafür hat das Verwaltungsgericht ein neues Verfahren in den Raum gestellt, auf welche Art ein Landkreis beim Erlass eines Kreisumlagebescheids die konkrete Finanzkraft einer Gemeinde berücksichtigen muss - ein förmliches Verfahren mit einer doppelten Anhörung jeder Gemeinde.
Verfahren gibt es noch nicht
Dieses Verfahren gibt es so noch nicht. Mögliche Regeln sind in keinem Gesetz zur Zusammenarbeit von Kreisen und ihren Kommunen festgeschrieben. Verständlich, dass nicht nur die zwei Prozessgegner in der nächsten Instanz wissen wollen, wie das ausgestaltet sein soll. Die kommunalen Spitzenverbände haben ein großes Interesse an der Klärung dieser Frage, aber auch die Ministerialebene in München. "Wir schreiben momentan Rechtsgeschichte - für Stadt und Land, für ganz Bayern", eröffnete Landrat Hermann Ulm (CSU) deshalb die Debatte. Und damit stand schon die nächste Rechtsfrage im Raum: Dürfen Kreisräte, die gleichzeitig Stadträte in Forchheim sind, überhaupt abstimmen? Persönlich beteiligt sind sie im Sinne der Kommunalgesetze nicht: Denn sie haben von der Entscheidung keinen persönlichen Vorteil. Das klärte Reinhold Göller, der Fachjurist im Hause, vorab: Sie dürfen. Es bleibt ihnen aber unbenommen, sich für befangen zu erklären. Weil sie qua Amt sozusagen auf beiden Seiten sitzen.
Kreistag soll Berufung einlegen
Letztlich entschieden sich Streit und sein Forchheimer Ratskollege Stefan Schick (FDP) dazu, bei der Abstimmung abwesend zu sein. Der Kreisausschuss beschloss dann mit neun bejahenden Voten und einer Gegenstimme, dem Kreistag für die Montagsitzung zu empfehlen, Berufung einzulegen.Ausführlich erläuterte Göller dem Gremium, aus welchen materiellrechtlichen Grundsätzen das Verwaltungsgericht die Anhörungspflicht ableitet und auf welche obergerichtlichen Urteile es sich dabei stützt. Relevant ist dabei eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Thüringen, das eine Verletzung der Anhörungspflicht dann sieht, wenn eine Gemeinde eine dauerhafte Unterfinanzierung darlegen kann.
Nur: Was ist eine dauerhafte Unterfinanzierung? "Die Parameter dafür müssen noch entwickelt werden", beantwortete Göller die diesbezügliche Fragen von Reiner Büttner (SPD) und Wolfgang Fees (SPD). Ein Zehnjahreszeitraum soll dafür angesetzt werden: das Planjahr, sechs Jahre zuvor und die Finanzplanung der jeweiligen Gemeinde für die drei folgenden Jahre. Ein Indikator für die dauerhafte Unterfinanzierung ist gewährte Stabilisierungshilfe, doch die benötigt Forchheim nicht.
Werden die Gemeinden beim bisherigen Vorgehen denn nicht gehört?, fragte sich das ganze Gremium. Sie werden gehört, konstatierte selbst Streit. Obwohl er als Bürgermeister von Forchheim auf der "Siegerseite" steht, sieht er in den Urteilsvorgaben "nur neue Bürokratie". Er plädierte für außergerichtliche Verhandlungen, um das eigentliche Streitthema beizulegen.
Hier geht es um die Behandlung von Unterschieden in der Darstellung zwischen doppischer, also kaufmännischer Buchführung (der Stadt), und dem ziemlich pauschalen Vorgehen nach den Regeln der Kameralistik. "Ich möchte nicht, dass Forchheim zu einem Synonym für Bürokratieaufblähung wird", betonte er.
Allein schon die Tatsache, dass im Kreistag 21 heutige und frühere Bürgermeister vertreten sind und nur neun Mitglieder keine weiteren kommunalen Ämter haben, bietet nach Dippacher eine solide Grundlage, dass die Rechte der Gemeinden hinreichend in die Umlageberatungen einfließen. "Das Verwaltungsgericht traut also 51 Personen nicht zu, dass sie beidseitig denken können", kritisierte er das Urteil. Und er hat wenig Hoffnung, dass der bayerische Verwaltungsgerichtshof in der nächsten Instanz praktische Umsetzungshinweise geben wird.
In der Praxis funktioniert es doch. Franz Schmidtlein (FW), der Bürgermeister von Hetzles, erinnerte an Debatten in Fraktionssitzungen, in denen die örtlichen Vertreter durchaus ihre Finanzsituationen
zur Sprache brächten.
Gemeinden anhören
Trotz Entscheidung für die Berufung wird sich der Landkreis erst einmal den vom Gericht gerügten Formfehler, die nicht ausreichende Anhörung der Kreisgemeinden, nicht wiederholen, sondern für die Umlagefestsetzung 2018 das gewünschte Vorgehen aufnehmen. Eine Folge ist schon abzusehen: Der Kreishaushalt kann erst Monate später verabschiedet werden. "Das ist ein bürokratischer Akt, der nicht zu überschauen ist", urteilte Ulm und sah erhöhten Personalbedarf - auf beiden Seiten.
Und die wichtigste Frage: Wer zahlt die Prozesskosten? Der Unterlegene, sagt das Gesetz. Das ist im derzeitigen Verfahrensstand der Kreis. Aber ein Drittel seiner Einnahmen, die Kreisumlage, zahlt die Stadt Forchheim. Da hinter dem Rechtsstreit grundsätzliche, für viele Kommunen relevante Fragen stehen, bietet der Landkreistag dem Kreis Forchheim materielle Unterstützung an. "Am Ende verbrennen wir das Geld der Bürger", meint Wolfgang Fees.
Und einen Schritt weiter in die Zukunft gedacht: Angenommen, der Kreis muss die ganzen 14,2 Millionen Euro an die Stadt zurückzahlen, dann muss er die Summe über die Kreisumlage des aktuellen Jahres zurückholen. Und von der zahlt Forchheim auch wieder ein Drittel.