Urteil: Forchheim ist für 32-Jährigen jetzt eine Tabuzone
Autor: Andreas Schmitt
Forchheim, Dienstag, 16. Mai 2017
Ein 32-jähriger Forchheimer hat etliche Straftaten begangen. Trotzdem verließ der Mann das Gericht als freier Mann. Nur Forchheim muss er meiden.
Mehrmals musste Richter Florian Kratzer Luft holen, ehe er alle Tatbestände vorgelesen hatte, für die er einen 32-jährigen Forchheimer am Dienstag am Bamberger Amtsgericht verurteilte. Die Liste der Vergehen des Angeklagten - sie wollte kaum enden.
Insgesamt gab es neun Passagen der Anklageschrift, die teilweise noch einzelne Vergehen zusammenfasste. Vier der Opfer kamen aus dem Nachbar- und Familienkreis, zwei waren für den Angeklagten vollkommen Unbekannte.
Der Reihe nach: Am 12. April 2016 geriet der Angeklagte im Kindergarten seines Sohnes in einem Forchheimer Stadtteil mit einem Mann in Streit. Als er ihm einen Faustschlag versetzen wollte, warf sich dessen Frau dazwischen und brach sich dabei ihren Mittelfinger.
In der Folge wurden vor allem die Schwiegereltern des in Trennung lebenden Angeklagten Ziel der Attacken. Anfang August beschädigte er zweimal Videokameras, die diese an ihrem Anwesen in Forchheim angebracht hatten. Am 6. August stritt sich der Angeklagte zudem mit einem Nachbarn, schlug und bedrohte ihn und trat oder schlug auf dessen Waschmaschine ein. Am 15. August fiel das Gerät seinem Wirken zum Opfer. Diesmal setzte der Angeklagte sie in Brand.
Unrühmlicher Höhepunkt war dann der 29. September 2016, als der Informatiker auch ihm vollkommen Unbekannte angriff. In Bamberg schlug er auf einen Audi-Fahrer ein und trat gegen dessen Fahrzeug, nachdem dieser den Angeklagten auf seinem Kleinkraftrad ordnungsgemäß überholt hatte.
Die Folge: Eine Jochbeinprellung und ein Schaden von knapp 3500 Euro. Damit nicht genug: Keine zwei Stunden vorher hatte er auch gegen das Dach eines Ford geschlagen, der ihn in Forchheim "An der Staustufe" überholt hatte.
Und nach seiner Rückkehr aus Bamberg hatte er immer noch nicht genug: Als er seine Schwiegereltern sah, wie sie seinen Sohn von der Schule abholten, ging er auf beide los. Dabei trat er bewusst gegen das eingegipste Bein des Manns und konnte nur durch das Eingreifen von Passanten davon abgebracht werden, ein Springermesser zu ziehen.
Zu guter Letzt hat der Angeklagte im September und Oktober 2016 in sechs Fällen bei Online-Versandhändlern Waren bestellt und die Rechnungen an andere Adressen schicken lassen.
Anwalt fordert Bewährungsstrafe
Emre Hizli, der Verteidiger des Angeklagten, plädierte dennoch, die Strafe seines Mandanten - der alle Taten vollumfänglich gestand und sich auch bei den Opfern entschuldigte - zur Bewährung auszusetzen. Und das, obwohl der Mann schon vom Amtsgericht Forchheim zu einer Bewährungsstrafe wegen Betrugs verurteilt worden war am 12. April 2016, an dem Tag, an dem er wenige Stunden später die erste der nun in Bamberg verhandelten Taten beging.
Der Anwalt argumentierte, dass sein Mandant aufgrund der Trennung von seiner Frau in einer Situation gewesen sei, die ihn in eine "depressive Episode" gestürzt habe. Das bestätigten Atteste.
Sein Angeklagter habe auf diese Entwicklung mit der Einnahme von synthetischen Drogen reagiert. "Und am 29. September 2016 nahm er davon besonders viel." Nach den vergangenen sieben Monaten, die der Angeklagte entweder in Untersuchungshaft oder dem Bezirksklinikum Bayreuth verbrachte, fühle er sich wieder stabil und schaue nach vorn.
"Er hat eine positive Sozialprognose", kommentierte Anwalt Hizli die Pläne seines Mandanten, der in die Nähe von Bremen ziehen möchte, wo sein Bruder für ihn ein Zimmer und Arbeit organisiert habe.
Eine komplett andere Ansicht vertrat Vural Aslan, der Anwalt des als Nebenkläger auftretenden Schwiegervaters des Angeklagten. "Bei einer Bewährung wird die Familie keine Ruhe finden und kann die Uhr danach stellen, wann er wieder aufschlagen wird." Besondere Umstände sehe er nicht, da der Angeklagte schon vom Amtsgericht Forchheim zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und ein Kontaktverbot zu seinen Schwiegereltern und deren Töchtern erhielt. "Trotzdem hat er die Familie ständig tyrannisiert."
Eine Aussage, die auch eine Sachbearbeiterin der Forchheimer Polizei bestätigte: "Bis zu seiner Inhaftierung sind wir zweimal pro Woche dorthin gefahren, seitdem ist Ruhe." Einen Belastungsdruck der Familie habe sie nicht ausgemacht.
Hizli jedoch ging darauf nicht ein und machte der Familie und der Polizei Vorwürfe, die im Publikum des Gerichtssaals Kopfschütteln hervorriefen. "Sie haben ihn ja seinen Sohn nicht sehen lassen." Und dass die Polizei die Familie angestiftet habe, alles immer anzuzeigen, habe er so auch noch nicht erlebt.
Geständnis bringt viel
Staatsanwalt Peter Bauer sah wie Hizli die Voraussetzungen für eine erneute Bewährungsstrafe gegeben. Immerhin habe der Angeklagte aus dem Verkauf der Immobilie, die er einst zusammen mit seiner Noch-Frau besaß, den sechs Opfern insgesamt über 7000 Euro zur Wiedergutmachung angeboten. Und auch das "Problem Forchheim" werde durch den Umzug nach Norddeutschland gelöst.Richter Florian Kratzer verurteilte den 32-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Er lag damit genau in der Mitte zwischen Verteidiger und Staatsanwalt, die einen Monat weniger bzw. mehr gefordert hatten. Der Richter setzte die Strafe zur Bewährung aus.
Vier Jahre zur Bewährung
"Das umfangreiche Geständnis haben wir stark zu seinen Gunsten gerechnet. Er hat uns damit eine lange Beweisaufnahme erspart." Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt. Außerdem darf der Angeklagte die Stadt Forchheim nicht mehr betreten und keinen Kontakt mehr zu seinen Schwiegereltern aufnehmen. Er trägt auch die Kosten des Verfahrens sowie der Nebenklage. Keinen Einfluss hat das Urteil auf die Bewährungsstrafe, die im April 2016 vom Amtsgericht Forchheim gegen den Angeklagten festgesetzt wurde. Richter Kratzer sagte nach der Verhandlung: "Der dortige Amtsrichter kann die Bewährung nach Eingang meiner Unterlagen widerrufen, muss dies aber nicht."